Radical Playgrounds: Radical Playbook

Kunstwerke von | Artworks by Edgar Calel Alice Chauchat Céline Condorelli Massimo Furlan Florentina Holzinger Ingela Ihrman Martin Kaltwasser Agnieszka Kurant Joar Nango Vitjitua Ndjiharine The Playground Project Tomás Saraceno Mariana Telleria The School of Mutants Irad Verkron Raul Walch Workshops von | by Ana de Almeida Simon Bauer Kerstin Brätsch Bureau Baubotanik Jana Dohmann Mascha Fehse Stella Flatten Guerilla Architects Jonas Kang Valentina Karga LALIAH Camille O Alicja Rogalska Maria Saridaki Vanja Smiljanić umschichten Gespräche mit | Talks with Massimo Furlan Franklin Kirimi Vitjitua Ndjiharine Nadja Ofuatey-Alazard Mila Panic Sreejata Roy Maya Saravia Madina Tlostanova Tanja Walther-Ahrens Joanna Warsza

Inhalt 8 22 34 50 58 82 98 110 118 132 135 136 138 140 141 146 Kunst ist Spiel Matthias Pees Für radikal mehr Spielplätze in der Stadt Joanna Warsza & Benjamin Foerster-Baldenius im Gespräch Von der heilenden Kraft des Spielens Gabriela Burkhalter Dekoloniales queer-feministisches liebevolles Spielen Madina Tlostanova Radical Playgrounds: Eine bespielbare Ausstellung Joanna Warsza Unübersetzbares Spiel: Experimente öffentlicher Kultur Jonas Tinius Radikale Erfahrungen: Anmerkungen zum Vermittlungsprogramm Lan Linh Merli-Nguyen Hoai No ART No CITY Benjamin Foerster-Baldenius „Hier ist mehr erlaubt als verboten“ Jenny Schlenzka im Gespräch Künstler*innen Kunstparcours Künstler*innen Performances Workshops, Gespräche und Rundgänge Playworker*innen Architektur Autor*innen Impressum

Contents 12 28 42 54 70 90 104 114 126 132 135 136 138 140 141 146 Art is Play Matthias Pees For More Radicals and Playgrounds in the City Joanna Warsza & Benjamin Foerster-Baldenius in Conversation The Healing Power of Play Gabriela Burkhalter Decolonial Queer Feminist Loving Playfulness Madina Tlostanova Radical Playgrounds: A Playable Exhibition Joanna Warsza Untranslatable Play: Experiments in / of Public Culture Jonas Tinius Radical Experiences: Notes About the Outreach Lan Linh Merli-Nguyen Hoai No ART No CITY Benjamin Foerster-Baldenius “More Is Allowed Here Than Is Forbidden” Jenny Schlenzka in Conversation Art Parcours Artists Performance Artists Workshops, Talks and Walk-Throughs Playworkers Architecture Authors Imprint

Matthias Pees Kunst ist Spiel Radical Playgrounds als Raum der Möglichkeiten Allen dort ausgetragenen Konflikten zum Trotz gelten Spielplätze als Orte der Zerstreuung; kleine Inseln im sonst streng reglementierten Alltag, die denkbar weit vom Unerbittlichen, das dem Radikalen an- haftet, entfernt liegen. So wirkt der Ausstellungstitel Radical Play grounds erst einmal widersprüchlich. Doch der von Joanna Warsza und Benjamin Foerster-Baldenius kuratierte Parcours, der für elf Wochen auf dem Parkplatz des Gropius Bau zur Beschäftigung mit Spiel und Kunst einlud, entwickelte nicht so sehr einen radikal neu- en Blick auf Rutsche und Sandkasten (obwohl Spielgeräte aller Art zum Einsatz kamen). Vielmehr rief Radical Playgrounds, und diese Dokumentation möchte daran anknüpfen, seinen Besucher*innen gleich welchen Alters das Potenzial in Erinnerung, beim Spielen „von Grund auf“ – und damit im ursprünglichen Sinn „radikal“ – sich und seine und unsere gemeinsame Welt neu zu konzipieren. 8

Im Oktober 1998 veranstaltete Christoph Schlingensief beim steirischen herbst die Aktion Künstler gegen Menschenrechte. Eine Straßenaktion in Graz mit min- destens einer Bühnenshow, ich erinnere mich an ein Foto davon: ein handgemal- tes Transparent über dem Portal, darauf in großen Lettern „KÜNSTLER GEGEN MENSCHENRECHTE“, darunter ein Panel mit ratlos herumsitzenden Diskutant*- innen, der Schauspieler Mario Garzaner etwa und seine Mutter, die zumeist als Sigrid Löffler auftrat. Kurz zuvor hatte CHANCE 2000, Schlingensiefs „Partei der letzten Chance“, die Bundestagswahl haushoch gegen die SPD und Gerhard Schröder verloren, der damals immer wieder und vielleicht auf zu pathetische, weil wahlkämpferische Weise eine konsequentere Durchsetzung der Menschen- rechte forderte. Die Kunst ist frei, heißt es im deutschen Grundgesetz (Art. 5 Abs. 3), und anders als etwa die im selben Paragrafen geregelte Meinungsfreiheit gilt die Kunstfreiheit vorbehaltlos. Ihre Schranken ergeben sich nur aus der Kollision mit anderen Grundrechten, wobei bei einer Abwägung der Kunstfreiheit gegen ein gleichrangiges Grundrecht beide bestmöglich verwirklicht werden sollen. Wenn es jetzt jedoch immer wieder heißt, sie sei zwar frei, die Kunst, dürfe aber nicht menschenfeindlich sein, rassistisch, antisemitisch oder sonst wie diskrimi- nierend, dann klingt das erst einmal weit einschrän kender als das Grundgesetz. Wäre der närrisch konsequente, schrankenlos kunstfreie Schlingensief („Tötet Helmut Kohl!“) heute überhaupt noch kompatibel mit einem in diesem Sinne konsensfähig unanstößigen, sozusagen freiheitlich-demokratisch- grundgeordneten Kunstverständnis? Am besten auf den Punkt gebracht hat sein derart radikalaffirmatives Künstlertum mal eine ältere Einheimische vor der Wiener Staatsoper und den dort aufgebauten Containern der Big-Brother- artigen und unter dem Titel des parallel gedrehten Films Ausländer raus! in Erinnerung gebliebenen Abschiebe-Aktion Bitte liebt Österreich! im Juni 2000, als sie, ihre Handtasche immer wieder kräftig auf ihn niederschwingend, Christoph Schlingensief mit sich schrill überschlagender Stimme anschrie: „Du Piefke! Du Schwein! DU KÜNSTLER!“ Wie aus diesem Beispiel leicht ersichtlich, kann die Begegnung mit der Kunst zumindest vorübergehend verstören, entgrenzen, triggern und sogar (re-)traumatisieren. Denn Kunstwerke müssen eben nicht gemäßigt, aus- gewogen, moralisch oder sozialethisch orientierend sein. Kennzeichnend für eine künstlerische Äußerung ist laut Bundesverfassungsgericht vielmehr die „Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts“, aufgrund derer es möglich sei, „der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen, sodass sich eine praktisch unerschöpfliche, viel- stufige Informationsvermittlung ergibt“. Die Eigengesetzlichkeiten der Kunst seien durch eine „spezifische Maßstäblichkeit“ zu berücksichtigen und nicht auf ihre bloß außerkünstlerische Wirkung abzustellen. „Kunstwerke sind in ihren unterschiedlichen möglichen Bedeutungsebenen zur Kenntnis zu nehmen und dürfen, soweit hermeneutisch plausibel, nicht auf einsinnige Aussagen reduziert werden.“ Die Freiheit der Kunst kann deshalb auch unabhängig davon gelten, ob ein Kunstwerk als anstößig, extrem, radikal, übergriffig, politisch einseitig oder agitatorisch, diskriminierend oder menschenverachtend wahrgenommen wird. Denn die Kunst ist ein Spiel. Eine Spekulation. Also eine Anwendung, Vor- gehensweise oder Praxis, ohne eindeutiges Ergebnis oder „einsinnige“ Aussage. Ein Raum der Möglichkeiten, der Rahmen für eine Betrachtung, ein Nachvoll- ziehen und -empfinden – oder ein Probieren, ein Erahnen oder Erspüren. Die Menschenfreundlichkeit der Kunst ergibt sich nicht aus ihren Inhalten, Ausrufen oder Aussagen, ihrer Ästhetik, Darstellung oder Erscheinungsform, sondern aus diesem großzügigen Angebot: dass hier ein für die Realität oder die Vorstel- 9

lungskraft gegebenenfalls relevanter Umstand oder Zusammenhang spielerisch erfahrbar wird, stellvertretend, symbolisch, simuliert. Und also relativ gefahrlos, in einer im Vergleich zu der wirklichen Welt sicheren Umgebung, in einem safe space, der den brave space ermöglicht, weil sich in ihm alle Schönheit und jeder Schrecken, Aufstieg und Fall, die wahre Liebe und sogar die Todeserfahrung nicht nur er-, sondern eben überleben lässt. Die Kunst macht den Wandel vorstellbar und also möglich; sie verwandelt damit den Untergang in einen Übergang. Das ist ihr Erkenntniswert. „Im ächten Manne ist ein Kind versteckt, das will spielen“, fand deshalb schon Friedrich Nietzsche, und Heiner Müller präzisierte: „das will sterben“. Das Spiel ist seit Urzeiten die individuelle wie gesellschaftliche Prüfung oder Ersatzhandlung für beinahe jede Form des Mit- und des Gegeneinanders, also auch für Krieg, Mord, Tod und Teufel. Die antike Tragödie führte vor, wie nur „durch Leiden Lernen“ und Entwicklung möglich wurde, die antiken Philoso- phen stritten bereits über den schädlichen oder nützlichen Charakter der Kunst für Werte und Wirklichkeit, und wir wissen immer noch nicht genau, ob die von Aristoteles eingeführte „Katharsis“ eher der emotionalen Triebabfuhr oder der moralischen Transformation dienen sollte. Die sportlichen und die dramatischen Wettkämpfe von Olympia und Athen lagen jedenfalls zeitlich und in ihren Ab- läufen nah beieinander. Doch zum offenen, möglichkeitsraumbasierten Kunst- begriff von heute passt das freie, intuitive und damit eher regellose Spiel besser als der regelbasierte spielerische Wettkampf von damals. Das Spielen, bei dem mehr erlaubt als verboten ist, mehr erfunden als erprobt. Wenn wir also Gefahr laufen, uns vor der Kunst als solcher zu fürchten und die Ambivalenz zwischen ihrer Autonomie und ihrer Weltbezogenheit nicht mehr auszuhalten; wenn wir ihre „Mannigfaltigkeit“ meiden und ihre Menschlichkeit infrage stellen; wenn vor lauter Partikularität unsere Resilienz und Ambiguitäts- toleranz mit und in und gegenüber der Kunst unter die Schwelle zu sinken droht, die wir auf dem Weg in den nächsten Raum, die möglichst bessere Zukunft notwendig werden überschreiten müssen – dann ist es vielleicht an der Zeit für eine Rückbesinnung auf dieses Grundprinzip der künstlerischen Praxis, für ein erneutes, erneuertes und erneuerndes Einüben des Spiels. Nicht im Sinne einer Regression oder Infantilisierung, sondern als bewusster Neustart unserer Bezie- hungen, Koexistenz und Kohabitation, eines verantwortungsvolleren Miteinan- ders in bewusster Vielheit ebenso wie in einer bewusst gewordenen Umgebung. Also zurück auf Los. In diesem Sinne war Radical Playgrounds als bespiel- und bewohnbarer, zum Weiterspinnen und -bauen einladender Kunstparcours ein erster von meh- reren Versuchen, am und im Ausstellungshaus der Berliner Festspiele, dem Gropius Bau, den Raum für spielerischen Austausch und damit für Begegnung in und Teilhabe an der Kunst zu manifestieren und zu erweitern. Der Impuls dazu ging von einem sportlichen Großereignis, der Fußball-Europameisterschaft der Männer 2024 in Deutschland, aus. Maßgeblich finanziert als begleitendes Kultur- projekt und kuratiert von Joanna Warsza und Benjamin Foerster-Baldenius, beleuchtete Radical Playgrounds in seiner Konzeption das Verhältnis zwischen gemeinsamen sportlichen Spielen und freiem, kreativem Spiel jenseits von Wett- kampf, Ausscheiden und Siegerehrungen. Seine Realisation offenbarte eine ungeahnte Sehnsucht des nicht nur kindlichen Publikums nach selbstbestimmt nutzbaren Spiel-Orten im öffentlichen Raum. Die vorliegende Dokumentation soll dieses besondere Projekt von verschiedenen Blickwinkeln aus beleuchten und damit auch eine Vorstellung davon vermitteln, was die künstlerische Ausrichtung des Gropius Bau als lebendiges, spielerisch erfahrbares und damit mitgestalt- bares Ausstellungshaus in den kommenden Jahren ausmachen wird. 10

In und mit der Kunst, als Kunst, sind auch radikalste Spiele, Spielplätze und Spielanordnungen vor staatlichem Zugriff grundsätzlich geschützt und staatliche Kulturinstitutionen sogar selbst grundgesetzlich verpflichtet, diesen Schutz der Kunstfreiheit zu gewährleisten. Das nennt der Verfassungsrechtler Christoph Möllers in einem seiner Gutachten zur Kunstfreiheit nach der docu- menta fifteen „den freiheitlichen Skandal der grundgesetzlichen Ordnung“. Wir Veranstaltenden müssen dabei jedoch (selbst-)kritisch im Blick behalten, dass staatliche Institutionen auch anderen verfassungsmäßigen Zielen verpflichtet sind, etwa dem Schutz vor Diskriminierung. Was notwendig ein Spannungsfeld erzeugt, das letztendlich unauflösbar ist – und das es also zu gestalten, institu- tionell auszugleichen und individuell zu moderieren und zu vermitteln gilt. Möllers spricht von einer besonderen, „informellen Verantwortung“ von Künst- ler*innen und Kurator*innen, die er die „Kehrseite der Freiheit“ nennt. Was „informell“ hier sicher nicht meint, ist die Bespitzelung oder das Ausspionieren früherer oder aktueller politischer Positionierungen von Künstler*innen. Gemeint ist wohl eher Information und Transparenz gegenüber dem Publikum und der Öffentlichkeit zu den künstlerischen und kuratorischen Prozessen und Beweg- gründen, die zur Produktion und Präsentation eines Kunstwerks geführt haben, Kontextualisierung also und Vermittlung, „Framing“ und Begleitung – eine aus- reichend betreute Kunstrezeption sozusagen. Wenn aber Kunst Spiel ist und sich auf die Mannigfaltigkeit ihrer Deutungs- ebenen ebenso wie auf die Spezifik der Maßstäblichkeit bei ihrer Wahrnehmung, Beurteilung und eben auch (Be-)Nutzung verlassen können darf und soll, wo hören Kunst und Spiel, Partizipation und Teilhabe dann auf und beginnen Vermittlung und Ernst des Lebens? Wie kann hier angemessen und glaubhaft „informelle Verantwortung“ wahrgenommen werden? Und weiter: Wo endet das Abenteuer auf dem Spielplatz der unendlichen Möglichkeiten und setzt die Veranstalterhaftung ein, die Sorge um das Kindswohl, die Unfall vermeidungs- strategie? Das sind ja Verantwortlichkeiten, die über das „Informelle“, Informato- risch-Kontextualisierende weit hinausgehen. Denn Spiel ist nicht gleich Kunst und ein Spielplatz manchmal auch gefährlich. Ein Versuch, diese Herausforderungen anzunehmen und den Widerspruch zwischen der Eigengesetzlichkeit der Kunst und der anhaltenden Geltung ge- setzlicher Vorschriften auch im immersiv erlebbaren Kunstwerk, wenn schon nicht aufzulösen, so doch zu thematisieren und zu personifizieren, manifestiert sich in dem neu geschaffenen Berufs- oder Betätigungsfeld der Playworker*in- nen. Ob das eher Künstler*innen mit erweitertem Führungszeugnis oder Betreu- er*innen mit künstlerischem Zugang sein sollten, mitspielende Aufseher*innen oder aufsichtführende Spieler*innen und Animateur*innen – das gilt es je nach den Erfordernissen aller Beteiligten immer wieder neu zu justieren. „Play- working“ jedenfalls ist als Konzept einer „embeddeten“ Vermittlungspraxis, eines kunstimmanenten Ausgleichs zwischen unendlichem Spaß und informel- lem Anspruch, ein hoffungsvoller, zukunftsweisender Ansatz. 11

Matthias Pees Art is Play Radical Playgrounds as a Space for Possibilities Despite all the conflicts that take place there, playgrounds are seen as places of distraction; small islands in an otherwise strictly regulated everyday life that are conceivably far removed from the relentlessness associated with the radical. The title of the exhibi- tion, Radical Playgrounds, therefore initially seems contradictory. However, the art parcours curated by Joanna Warsza and Benjamin Foerster-Baldenius, which invited visitors to engage with play and art for eleven weeks in the car park of the Gropius Bau, did not so much develop a radically new look at slides and sandboxes (although play equipment of all kinds was used). Rather, Radical Playgrounds reminded its visitors, regardless of age, of the poten- tial to reconceptualise themselves as well as their and our shared world “from scratch” – and thus “radically” in the original sense – while playing, which this documentation aims to build on. 12

In October 1998, Christoph Schlingensief organised the Künstler gegen Men- schenrechte (Artists against human rights) campaign at steirischer herbst. A street campaign in Graz with at least one stage show, I remember a photo of it: a hand-painted banner above the portal, which read in large letters: “KÜNSTLER GEGEN MENSCHENRECHTE”; below it a panel with baffled panellists sitting around, the actor Mario Garzaner, for example, and his mother, who mostly ap- peared as Sigrid Löffler. Shortly before, CHANCE 2000, Schlingensief’s “party of the last chance”, had lost the Bundestag elections by a landslide against the SPD and Gerhard Schröder, who at the time repeatedly and perhaps too emo- tionally, as he was campaigning, called for a more consistent enforcement of human rights. Art is free, according to the German Basic Law (Art. 5, Par. 3), and unlike the freedom of opinion regulated in the same paragraph, artistic freedom applies unconditionally. Its limits only arise from the collision with other funda- mental rights, whereby both should be realised in the best possible way when weighing up artistic freedom against a fundamental right of equal rank. How- ever, when it is now repeatedly stated that though art is free, it must not be misanthropic, racist, antisemitic or otherwise discriminatory, then this initially sounds far more restrictive than the Basic Law. Would the foolishly consistent, unrestrainedly artistically free Schlingensief (“Kill Helmut Kohl!”) still be compatible today with a consensually unobjectionable, liberal-democratically ordered understanding of art? His radically affirmative artistry was best summed up by an elderly local woman, in front of the Vienna State Opera and the containers of the Big-Brother-like deportation action Bitte liebt Österreich! (Please Love Austria!) in June 2000, which is also remembered under the title of the film Ausländer raus! (Foreigners out!), which was shot at the same time, when she shouted at Schlingensief in a shrill voice, swinging her handbag down on him again and again: “You Piefke! You pig! YOU ARTIST!” As can easily be seen from this example, encountering art can, at least temporarily, disturb, remove boundaries, trigger and even (re-)traumatise. After all, works of art do not have to be moderate, balanced, morally or socio-ethically orientated. According to the Federal Constitutional Court, what characterises an artistic expression is rather the “diversity of its expressive content”, which makes it possible to “extract ever more far-reaching meanings from the representation by means of continued interpretation, resulting in a practically inexhaustible, multi-level transfer of information.” The intrinsic laws of art should be taken into account through a “specific scale” and not be based merely on its extra-artistic effect. “Works of art must be recognised in their various possible levels of mean- ing and, insofar as hermeneutically plausible, must not be reduced to one-sided statements.” The freedom of art can therefore also apply regardless of whether a work of art is perceived as offensive, extreme, radical, invasive, politically one-sided or agitational, discriminatory or inhumane. For art is a game. A speculation. In other words, an application, approach or practice, without a clear result or an “one-sided” statement. A space of pos- sibilities, a framework for contemplation, understanding and feeling – or trying things out, surmising or sensing. The humanitarianism of art does not result from its content, proclamations or statements, its aesthetics, representation or form of appearance, but from this generous offer: that a circumstance or context that may be relevant to reality or the imagination can be experienced here in a playful way, representatively, symbolically, simulated. And thus relatively safely, in an environ- ment that is secure compared to the real world, in a safe space that makes the brave space possible, because in it all beauty and all horror, rise and fall, true love and even the experience of death can not only be experienced, but also survived. 13

Art makes change imaginable and therefore possible; it transforms decline into transition. That is its cognitive value. “A child is concealed in the true man: it wants to play”, Friedrich Nietzsche already wrote, and Heiner Müller specified: “it wants to die.” Since time immemorial, play has been the individual and social test or substitute for almost every form of togetherness and antagonism, including war, murder, death and the devil. Ancient tragedy demonstrated how only through “the wisdom of suffering” learning and development became possible; ancient philosophers were already arguing about the harmful or useful character of art for values and reality; and we still do not know exactly whether the “catharsis” introduced by Aristotle was intended to serve the emotional discharge of instincts or moral transformation. In any case, the sporting and dramatic competitions at Olympia and Athens were chronologically and procedurally close to each other. However, free, intuitive and therefore rather rule-less play is better suited to today’s open, possibility-based notion of art than the rule-based playful compe- tition of the past. Play in which more is allowed than forbidden, more invented than tried and tested. So when we are in danger of fearing art as such and no longer being able to endure the ambivalence between its autonomy and its world-centredness; when we avoid its “diversity” and question its humanity; and if due to all the particularism our resilience and tolerance of ambiguity with, in and towards art threatens to sink below the threshold that we will have to cross on our way to the next space, to the best possible future – then perhaps it is time for a return to this fundamental principle of artistic practice, for a renewed, regenerated and reviving practice of play. Not in the sense of regression or infantilisation, but as a conscious restart of our relationships, coexistence and cohabitation, a more responsible togetherness in conscious plurality as well as in an environment one has become consciously aware of. So let’s get back to the start. In this sense, Radical Playgrounds, as a playable and inhabitable art par- cours that invited visitors to continue developing and building it, was the first of several attempts to manifest and expand the space for playful exchange and thus for encounters and participation in art at Gropius Bau, the exhibition hall of the Berliner Festspiele. The impetus for this came from a major sporting event, the 2024 Men’s European Football Championship in Germany. Largely financed as an accompanying cultural project and curated by Joanna Warsza and Benjamin Foerster-Baldenius, Radical Playgrounds explored the relationship between shared sporting games and free, creative play beyond competition, elimination and award ceremonies. Its realisation revealed an unexpected longing on the part of the public, and not only including children, for self-determined play areas in public spaces. This documentation is intended to shed light on this special project from various angles and thus also convey an idea of what will character- ise the artistic orientation of the Gropius Bau as a lively, playful and thus co-designable exhibition hall in the coming years. In and with art, as art, even the most radical games, playgrounds and play arrangements are fundamentally protected from state intervention, and state cultural institutions are even obliged by constitutional law to guarantee this protection of artistic freedom. In one of his expert opinions on artistic freedom after documenta fifteen, constitutional law expert Christoph Möllers calls this “the liberal scandal of the constitutional order.” However, we as organisers must (self-)critically keep in mind that state institutions are also committed to other constitutional goals, such as protection against discrimination. This necessarily creates a field of tension that is ultimately unresolvable – and which must there- fore be shaped, institutionally balanced and individually moderated and mediated. 14

Möllers speaks of a special, “informal responsibility” of artists and curators, which he calls the “flipside of freedom.” What “informal” certainly does not mean here is spying or snooping on artists’ previous or current political positions. What is meant is rather information and transparency towards the audience and the public about the artistic and curatorial processes and motivations that have led to the production and presentation of an artwork, namely contextualisation and mediation, “framing” and accompaniment – a sufficiently supervised reception of art, so to speak. However, if art is play and can and should be able to rely on the diversity of its levels of interpretation as well as on the specificity of scale in its perception, judgement and use, where do art and play, participation and involvement end, and mediation and the seriousness of life begin? How can “informal responsi- bility” be perceived appropriately and credibly here? Moreover, where does the adventure on the playground of infinite possibilities end and the organiser’s liability begin, the concern for children’s well-being, the accident prevention strategy? After all, these are responsibilities that go far beyond the “informal” and informational contextualising – because play is not the same as art and a playground can sometimes be dangerous. An attempt to accept these challenges and to thematise and personify, if not to dissolve, the contradiction between the autonomy of art and the continu- ing validity of legal regulations, even in immersive artworks, is manifested in the newly created profession or field of activity of playworkers. Whether they should be artists with an extended certificate of good conduct or caretakers with an artistic approach, playing supervisors or supervising players and animators must be constantly readjusted according to the requirements of all those involved. In any case, “playworking” as a concept of an “embedded” mediation practice, an art-immanent balance between endless fun and informal demands, is a hopeful, forward-looking approach. Foto S. | Photo pp. 16 / 17: The Playground Project, 2013–fortlaufend | ongoing (Aufbau | Construction) Foto S. | Photo pp. 18 / 19: Florentina Holzinger, Halfpipe. Bent Metal on 2 Cars, 2024 Foto S. | Photo pp. 20 / 21: Irad Verkron, Ventre de Leão (a História de uma amizade), 2024 15

Für radikal mehr Spielplätze in der Stadt Joanna Warsza und Benjamin Foerster-Baldenius im Gespräch Wenn wir das Spielen als soziogene Kraft betrachten, müssen wir uns fragen: Wer ist ausgeschlossen und wer eingeladen, den Regeln entspre- chend an den Spielen teilzunehmen, die wir entwerfen? Ob in Gestalt einer offenen und lichten Architektur oder als langfristig angelegte Stadtplanung: Unsere Antworten formen die Grenzen dessen, was wir uns vom Miteinander wünschen. In unserer eigenen Ver- spieltheit gilt es außerdem, Erwartun- gen wieder kenntlich zu machen, von denen uns einige dazu verleiten, be- stimmte Hierarchien zu reproduzieren, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Sandkastens. Wie ist Radical Playgrounds entstanden? Benjamin Foerster-Baldenius: Als Kurator*innen und Architekt*innen glich unser gemeinsames Interesse am Spiel und seinem gesellschaftlichen und politischen Potenzial viele Jahre lang einem Korn in einem Beutel voll Saatgut. Dann riss plötzlich eine Fuß- ballmeisterschaft die Wolken auf und es regnete beträchtliche Förderung für einen gründlichen Forschungsansatz zu den übergreifenden Themen von Spiel und Spielen in der Stadt und ihr radikales gesellschaftliches Potenzial. Der Untertitel „From Competition to Collaboration“, also etwa „Vom Wett- bewerb zur Zusammenarbeit“, verweist darauf und reagiert gleichzeitig auf den Auslöser des Goldregens. Joanna Warsza: Die Architektin Lina Bo Bardi hat bekanntlich einmal ge- sagt, dass jedes Museum einen Spiel- platz verdiene. Wir dachten bei dieser Ausstellung an einen konzeptuellen Spielplatz; also an ein Zwischending aus Skulpturenpark, Museumserwei- terung und temporärem Vergnügungs- park. Für mich persönlich war eine der wichtigsten Inspirationen für Radical Playgrounds, dass ich mich als Mutter auf den verschiedenen Spielplätzen, die ich mit meinem Sohn in den letz- ten Jahren besucht habe, gelangweilt habe. Eines Tages habe ich angefan- gen, über all diese Schiffe, Raketen, Bagger und Rutschen zu fantasieren und darüber nachzudenken, welche kulturellen Lesarten sie bieten könn- ten, wenn sie zu multi-dimensionalen und intergenerationellen Räumen würden, die mit allen Sinnen erlebbar sind. Museen sind oft Orte, die ein rationales, auf männlichen Kultur- kodizes basierendes Verhalten vorschreiben. Wir fragten uns: Was 22

können Museen von Spielplätzen lernen? Wie können wir loslassen? Wie haben Sie die Künstler*innen ausgewählt? JW: Wir sind zur lateinischen Wurzel des Begriffs „radikal“ zurückgekehrt – radix, die Wurzel, das Verwurzeltsein, für etwas stehen, mit etwas beschäf- tigt sein. Dann haben wir uns in der Auswahl der Künstler*innen von die- sen Assoziationen leiten lassen. Hinter dem Spielplatzvokabular, das wir verwenden – Schaukel, Sandkasten oder Rutsche –, liegt eine ganze Welt. Einerseits ist eine Schaukel einfach eine Schaukel. Du kannst sie gerne benutzen und musst nicht erst eine kuratorische Beschreibung lesen, um sie zu verstehen und Spaß zu haben. Durch die Kunst und den Aktivismus des Architekten und Künstlers Joar Nango wird sie außerdem aber auch zu einer Schaukel, die die Welt verän- dern möchte, und zwar durch seinen Ansatz, Wissen nach seinem Konzept der „indigenuity“, eine Wortschöpfung aus „ingenuity“ (Einfallsreichtum) und „indigeneity“ (Indigenität), neu zu organisieren. Äußerst respektvoll arbeitet er nur mit dem, was bereits vorhanden ist: Kein einziger Tropfen Öl, kein Zentimeter wird hinzugefügt. Ein weiteres Bespiel ist die Installation von The School of Mutants und Stella Flatten. Hier suchen Kinder in einer Kombination aus Sandkasten und Aus- grabungsstätte, die dort das Gelände freilegt, wo früher das Museum für Völkerkunde stand, nach „Schätzen“. Sie schaffen einen dekolonialen Sand- kasten mutierender Bedeutungen, in dem man seine Hände im Sand schmutzig macht, Geröll und Bedeu- tungen wiederherstellt. Einige der Kinder werden diese grundsätzlichen Gedanken weiterführen und fragen, wie sich die Museen in der Zukunft neu erfinden müssen. BFB: Mir scheint, da fragen Sie nach unserem Geheimrezept. Zuerst einmal haben wir Künstler*innen eingeladen, die so eine Arbeit für ein Programm mit Bezug zum öffentlichen Raum entwi- ckeln können; eine bespielbare Arbeit, die multidirektionale Zugangspunkte erlaubt. Wir haben uns eine vielfältige Mischung kultureller Backgrounds, Al- tersgruppen, Herkünfte, Persönlichkei- ten und Medien gewünscht. Außerdem suchten wir nach Künstler*innen, die mit einem Parkplatz und einer Heer- schar von Bäumen arbeiten können, und auch mit den Geistern der kolo- nialen Vergangenheit dieses früheren Standorts des Königlichen Museums für Völkerkunde umgehen können; und nach Künstler*innen, die Erfahrung mit Spiel, Bespielbarkeit und der Aktivie- rung urbaner Räume haben. Hat die Stadt bei Ihrer Auswahl eine Rolle gespielt? JW: Wie in vielen Kunstprojekten im öffentlichen Raum bestimmt der Kontext die halbe Arbeit. Unser Projekt ist während der Fußball-Europameis- terschaft am Gropius Bau verortet. Es ist von diesem Ort geprägt, zwischen Ost- und West-Berlin, aber auch von den Diskursen um Spielen und Spiele, zwischen Konzeptkunst und Spiel- theorie. Es findet auch im Kontext der Kriege in der Ukraine, in Gaza und an- derswo statt. Als Kuratorin und Kurator und als Privatpersonen unterstützen wir verschiedene Organisationen, die Spielplätze in Kriegsgebieten wieder- herstellen. Unsere Playworker*innen haben uns auf einige solcher Organi- sationen aufmerksam gemacht. Sind die von Ihnen kuratierten Infrastrukturen und Möglichkeiten auf irgendeine Weise radikal? JW: Ich glaube, dass das Spielen eine politische Kategorie ist, die es uns erlaubt, mit und trotz unserer Unter- schiedlichkeiten zusammenzukom- men. Wenn wir spielen, erreichen wir eine Distanz zu uns selbst, zu unserem Ego und unseren Sorgen – und dann 23

können wir uns wieder begegnen. Ganz besonders in diesen Zeiten zunehmen- der politischer Spannungen, in denen viele das Gefühl haben, nicht gehört zu werden, eingefroren zu sein und sich nicht bewegen zu können, kann das Spiel Hoffnung und Widerstandskraft bieten und es uns ermöglichen, Wissen zu überprüfen. Und ich glaube, dass die Konzepte von Spiel und Spielplätzen Museen zeigen können, wie man Kunst auf weniger einschüchternde Weise mit allen Sin- nen erlebbar machen kann; mit einer Mischung aus Hoch- und Alltagskultur, ernst und lustig, politisch und gesell- schaftlich. Das würde die einschüch- ternden, männlich geprägten Kodizes aufbrechen, auf denen sie basieren. Sowohl Museen als auch Spielplätze sind Versuchsfelder dafür, wie sich die Gesellschaft neu erfindet und gestaltet. BFB: Angesichts des derzeitigen Zu- stands unserer Gesellschaft, Europas und der ganzen Welt finden wir es radikal, einen Raum zu schaffen, den alle Generationen gemeinsam nutzen können: einen künstlerischen, öffent- lichen Park, der allen offensteht, eine Ausstellung mit freiem Eintritt, in der die Künstler*innen eingeladen sind, ihre künstlerische Praxis mit dem Publikum zu teilen. Ein Spielplatz mit einem Biergarten, in dem die heilen- den Kräfte des Spiels beschworen werden und es beim Spielen nicht darum geht, wer die oder der Stärkste, Schnellste oder Reichste ist, sondern um Verantwortung, Strukturen der Unterstützung und die Offenlegung historischer Ablagerungen. Ist das Spielen planbar? JW: Manche Arten sind es, andere nicht. Unsere Arbeit beschäftigt sich mit dem Unterschied zwischen den Konzepten von sportlichem Wettkampf und freiem Spiel. So ist zum Beispiel Céline Condorelli, Play for Today, 2021 / 2024 die Fußball-Europameisterschaft per- fekt durchgeplant. Die Spiele haben Regelwerke mit klar definierten Ge- winner*innen und Verlierer*innen. In den Begegnungen geht es oft darum, Gefühle zu regulieren und Konflikte und Konfrontationen zu sublimieren. Wenn wir miteinander spielen, können wir die Situation ständig ändern und die Regeln nach und nach erfinden. Ein gutes Gespräch, einen Flirt oder eine Party kann man nicht planen. Im freien Spiel wird entschieden, ob es dazu kommt, oder nicht. Man kann das ein bisschen unterstützen. Den Rest macht die Chemie zwischen den Spie- lenden aus. Unsere Ausstellung macht freies Spiel möglich, aber erst unsere Besucher*innen machen sie lebendig. BFB: Genau! Wenn man Drei-Gewinnt spielen möchte, muss man ein Ras- ter zeichnen. Spielen ist improvisiert, genauso, wie auch das Leben in der Stadt improvisiert ist, und es ist eine kollektive Leistung. Kollektive Improvi- sation erfordert eine klare Struktur, ein Raster, ein System, auf dem man im- provisieren kann. Und dies alles muss geplant, verhandelt und vorbereitet werden. Sind die Spielplätze von Radical Play- grounds für die Menschen gedacht oder sind sie Kunst? JW: Beides. Darum geht es. Diese Aus- stellung kann man berühren, bespielen und mit allen Sinnen erfahren. Gleich- zeitig besteht sie aus Konzeptkunst und sozial engagierter Architektur, und zusätzlich einem Restaurant. BFB: Radical Playgrounds ist ein Raum aus Kunstwerken für Menschen aller Altersklassen und hoffentlich aller Kul- turen. Wir müssen allerdings zugeben, dass dieser Raum nicht ideal für Tiere und andere nicht-menschliche Spezies ist, außer vielleicht für Spinnen. 25

1968 verwandelte Palle Nielsen das Stockholmer Moderna Museet mit der Ausstellung Modellen.1 Ein großer Ausstellungsraum wurde zu einem Abenteuerspielplatz für Kinder und daraus entstand ein kollektiver Trans- formationsprozess. Was entstand bei der Umwandlung eines Platzes neben dem Gropius Bau in das, was Sie Radical Playgrounds nennen? BFB: Modellen gehört zu den Inspi- rationen für das Projekt auf dem Parkplatz des Gropius Bau. Unser Hauptinteresse war aber nicht die Transformation eines Museums in einen Spielplatz, sondern die Umwand- lung eines Bestandteils öffentlicher Infrastruktur, der fossil angetriebenen Fahrzeugen diente, in einen öffentli- chen Raum. Der Begriff „Spielraum“ ist uns wichtiger als der des „Spielplat- zes“. Der Spielraum ist eine räumliche Ausweitung, er erweitert Grenzen und stellt mehr Fragen, als er beantwortet – Fragen, die im Spiel verhandelt werden müssen. JW: Palle Nielsen ist nur ein Beispiel. Wir dürfen auch Gunilla Lundahl und andere Künstlerinnen nicht verges- sen, die schon vor ihm Pop-Up-Spiel- plätze in ganz Stockholm schufen und dann diese Ausstellung anregten, um auf den Mangel an öffentlichen Spielräumen hinzuweisen. Die Aus- stellung war ein solcher Erfolg, dass das Moderna Museet sie nach drei Wochen beendete, weil zu viele Be- sucher*innen kamen. So viele kamen sonst nicht. The Playground Project, Gabriela Burkhalters Ausstellung über die Geschichte der Spielplätze, sitzt mitten in Radical Playgrounds und erzählt, wie Regeln und Anarchie den öffentlichen Raum beeinflussten, wozu auch Museen gehören. In Zukunft wird es im Gropius Bau einen dauerhaften Spielort geben. Wir sind das Vorspiel dazu, ein parasitärer Spielplatz, ein Versuchsfeld. Die Landschaftsarchitektin Marjory Allen, bekannt als Lady Allen of Hurt- wood, war eine britische Vorreiterin der Spielplätze. In den 1950er-Jahren ließ sie Sand auf unbebaute Grund- stücke schütten und schuf so Spiel- plätze. Welche der Arbeiten von Radical Playgrounds werden auch in 80 Jahren noch relevant sein? BFB: Ehrlich gesagt, ist keine der Arbeiten ein Prototyp für Spielplätze der Zukunft. Wenn Edgar Calel zum Beispiel eine Maya-Pyramide aus Strohballen als Ein Berg von Zeich nungen vorschlägt, dann bezieht er sich damit auf die Pyramide als Be- gegnungsraum und gesellschaftlichen Mittelpunkt in der Kultur, aus der er stammt, aber auch auf Berge von Strohballen als den einfachen und ikonischen „Spielplatz“ in der Erinne- rung aller, die je einen Teil ihrer Kind- heit auf einem Bauernhof verbracht haben. Beide Aspekte sind vorhan- den. Neu ist es, sie nebeneinander- zustellen, und die Tatsache, dass wir dies im beschriebenen Kontext präsentieren. Und doch entsteht eine mentale Reibung, die uns einmal mehr darüber nachdenken lässt, wie europäische Kulturen in der gan- zen Welt Stätten indigener Kulturen auseinander genommen und sie wie Kaufhäuser behandelt haben, mit deren Inventar man die Museen Europas bestückte. Ich träume davon, einen Spielplatz zu gestalten. Dabei beobachte ich, dass in den Städten immer weniger Platz zum Spielen geschaffen wird. Stimmen Sie dieser Beobachtung zu? JW: Genau wie das Spielen werden Städte zunehmend kommerzialisiert. Wir brauchen Räume für freies Spiel. In meiner neuen Rolle als Stadtkurato- rin in Hamburg werde ich empfehlen, dauerhafte Spielplätze von Künst- ler*innen gestalten zu lassen. Wir werden sehen. 26

BFB: Zunächst einmal: Viel Erfolg bei Ihrer Spielplatzgestaltung! Es sieht vielleicht einfach aus, aber es kann heutzutage knifflig sein, vor allem, wenn es ein öffentlicher Spielplatz sein soll. Die Regeln und Vorschriften werden Ihrer Schaffensfreude schnell ein Ende machen. Der Raum, der von unseren Stadtplaner*innen für das Spielen vorbehalten wird, nimmt zu- mindest in Deutschland nicht ab. Es gibt Regeln und Vorschriften für die Anzahl an Spielplätzen, die eine Stadt pro Einwohner*in bereitstellen muss. Aber was Sie vielleicht beobachtet haben, ist, dass Spielplätze nicht die einzigen Räume sind, die zum Spielen benutzt werden. Städtische Wildnis, Ruinen, „freie“ Grundstücke, ver- gessene Ecken und so weiter werden immer seltener in Städten, die von der Immobilien- und der Baubranche wirt- schaftlich unter Druck gesetzt werden. Das ist tatsächlich eine beängstigende Entwicklung. Wie sollten wir die Städte bewohnen, damit mehr gespielt werden kann? Vielleicht wieder mit mehr Pferden als Autos? BFB: Das würde bedeuten, dass wir mehr Wiesen haben müssten, auf denen sie weiden und sich bewegen könnten, mehr Ställe mit Strohballen, weichere Böden auf den Straßen, mehr Schatten und so weiter. JW: Mehr Grundelemente wie Luft, Wasser, Feuer, Erde. Mehr planetares Bewusstsein, einen öffentlichen Bereich mit höherem planetarem Be- wusstsein. A Fountain of Knowledge von Raul Walch verwendet einen Teich, der unser Bewusstsein und unsere Wertschätzung steigert gegenüber der Präsenz von Wasser in überhitz- ten Städten. Das geht in die richtige Richtung. Wie denken Sie über Spiel, Risiko und den Wunsch nach Autonomie? Glau- ben Sie, dass sie zusammengehören? JW: Mit ihren ideologischen und gesellschaftlichen Kontexten sind Spielplätze ausgezeichnete Versuchs- felder dafür, wie sich eine Gesellschaft neu erfindet und gestaltet. Gabriela Burkhalters The Playground Project zeigt, wie der Spielplatz Geschich- ten und Spannungsfelder verhandelt. Kunst, und vor allem öffentliche Kunst, ist in diesem Prozess ein hervorragen- des Instrument. Das Gespräch fand am 29. Juni 2024 statt. Die Fragen wurden von Matylda Krzykowski formuliert und von Dalia Maini und María Inés Plaza Lazo überarbeitet. 1 Modellen. En modell för ett kvalitativt samhälle (Das Modell – ein Modell für eine qualitative Gesellschaft), künstlerische Gestaltung durch Palle Nielsen und Aktion Samtal, 30.9.– 20.10.1968, Moderna Museet, Stockholm. 27

For More Radicals and Playgrounds in the City Joanna Warsza and Benjamin Foerster-Baldenius in Conversation When play is considered as a socio- genic force, we need to ask ourselves: who is excluded and who is invited to comply with the rules of the games we create? Whether in the form of a free-flow architecture or a matter of long-term urban planning, the answers we give determine the boundaries of what we desire from togetherness. There are expectations to unearth in the playfulness within us, some of which keep us replicating a hierarchy of sorts, in and outside of the sandbox. How did Radical Playgrounds come about? Benjamin Foerster-Baldenius: For many years, our mutual interest as curators and architects in play and its social and political potential was like a grain in a seed bag. Then suddenly, a football tournament opened up the skies and it started to rain substantial funding for a robust approach to the larger topics of game and play in the city and their radical potential within society. The subtitle, “From Competi- tion to Collaboration”, hints at this and at the same time reacts to the trigger for the rain of gold. Joanna Warsza: The architect Lina Bo Bardi famously said that every museum deserves a playground. We thought of this exhibition as a con- ceptual Spielplatz: that is, a cross between a sculpture park, a museum extension and a temporary funfair. For me personally, one of the main inspi- rations behind Radical Playgrounds was my boredom as a parent on many of the various playgrounds where I’d been hanging out with my son in recent years. One day I started halluci- nating about all those boats, rockets, digger and slides, thinking about how they could offer cultural readings if they became multidimensional and multigenerational spaces that you can experience with all the senses. Mu- seums are often places reserved for rational behaviour, founded on male cultural codes. The question we asked was: what could museums learn from playgrounds? How could we let go? How did you choose the artists? JW: We returned to the Latin root of the term radical, radix: the root, being rooted, standing for something, being engaged, and invited artists led by those associations. There is a world behind all the playground vocabulary we use, be it a swing, a sandpit or a slide. On one hand, a swing is just a swing. You are welcome to use and enjoy it; you do not need to read a cur atorial description to understand and enjoy it. But, through the art and 28

activism of the architect and artist Joar Nango, it is also a swing that wants to change the world, thanks to his idea of re-organising knowledge based on his concept of “indigenuity”, a portmanteau of “ingenuity” and “indi- geneity.” He works with what is already there in the most respectful manner; not a single drop of oil, or centimetre is added. Another example: in the installation by The School of Mutants and Stella Flatten, kids look for “treas- ures” in a sandpit-cum-excavation site that opens up the grounds where the ethnological museum once stood. They’ve created a decolonial sandpit of mutating meanings, digging for truth, making their hands dirty in the sand, restituting debris and meanings. Some of these kids will take those funda- mental questions further, and ask how the museums need to reinvent them- selves in the future. BFB: You seem to be asking for our se- cret recipe here. First of all, we invited artists who could develop a work for a programme involving public space, a playable work that would allow multi- directional access points. We wanted a plural mix of cultural backgrounds, ages, origins, personalities and media. We also looked for artists who could work with a car park, a legion of trees, as well as the spirits of the colonial past of the former site of the Royal Ethnological Museum (Königliches Museum für Völkerkunde), and those who had experience with play, play- ability and the activation of urban spaces. Did the city play a role in your selection? JW: As in many public art projects, the context comprises half the work. Our project is informed by and situated in the Gropius Bau at the time of the European Football Championship, between East and West Berlin, with- in the current discourse on play and games, between conceptual art and game theory, and also alongside the wars in Ukraine, Gaza and elsewhere. As curators, and as private persons, we support various organisations that rebuild playgrounds in war zones. Our playworkers drew our attention to some of them. Are the infrastructures and opportuni- ties you curated radical in any way? JW: I believe that play is a political cat- egory which allows us to come together with, and despite, our differences. When we play, we achieve distance from ourselves, from our egos and sorrows, and then we can come back together again. Especially in these times of increasing political tensions, where many feel silenced, frozen and unable to move, play can offer hope, resilience and a reconsideration of knowledge. And I believe that the concept of play and playgrounds can teach museums how to create ways of experiencing art with all the senses and in a less intimidating way; mixing high and low, serious and funny, political and social; breaking the intimidating, culturally masculine codes they were founded on. Museums and playgrounds both are testing grounds for how society re-invents and re-imagines itself. BFB: Given the current state of our society, Europe and the world, what we find radical is creating a space all generations can share, an artistic public park open for everyone, a free exhibition where caretakers are invited to share their artistic practice with the audience. A playground with a beer garden where the healing powers of play are invoked, where play is not about who is the strongest, fastest or richest, but about responsibilities, sup- port structures and revealing historical contaminations. Can play be planned? JW: Some kinds can; others cannot. Our work looks at the difference 29

between the concept of games versus free play. Take the European Football Championship, which is perfectly planned. Games have a set of rules, with clearly defined winners and losers. The matches are often about channelling emotions and sublimating conflict and confrontation. When play- ing with one other, we are free to con- stantly change the situation and invent rules as we go along. You cannot plan a good conversation, a flirtation or a dance party. Free play determines whether or not that happens. You can encourage it a bit. The rest is ... chem- istry. Our exhibition helps free play to happen, but our visitors bring it to life. next to Gropius Bau into what you call Radical Playgrounds? BFB: The Model was one of our inspi- rations for the project in the Gropius Bau car park. However, we were chiefly interested not just in transforming a museum into a playground, but an element of public infrastructure de- signed to serve fossil-fuelled vehicles into a public space. For us, the German term Spielraum is more important than Spielplatz. Spielraum is a spatial expansion, stretching borders, and asking more questions than giving answers; questions that need to be negotiated through play. BFB: Absolutely! To be able to play tic- tac-toe, you need to draw a grid. Play is improvisational, just as living in the city is improvisational, and it’s mostly a collective effort. Collective improvi- sation needs a clear structure, a grid, a system to improvise upon. And this needs to be planned, negotiated and prepared. Are these playgrounds for people or art? JW: Both. That’s the point. This is an exhibition that you can touch, play with and experience with all senses. At the same time, it is conceptual art and socially engaged architecture, includ- ing a good restaurant. BFB: Radical Playgrounds is a space created by artworks for people of all ages, and, hopefully, all cultures. We have to admit it is not the best for animals and other non-human species, except maybe for spiders. In 1968, Palle Nielsen turned Stock- holm’s Moderna Museet into The Model – A Model for a Qualitative Soci ety, where a large exhibition space was turned into an adventure playground for children.2 What emerged was a collective process of transformation. What emerged from turning a space JW: Palle Nielsen was just one exam- ple. It is crucial to remember Gunilla Lundahl and other female artists who, before him, created pop-up play- grounds across Stockholm, and who then proposed this exhibition to draw attention to the lack of public spaces for games. The exhibition was such a success that Moderna Museet closed it after three weeks because too many people were visiting. Otherwise, not many attended. The Playground Pro- ject, Gabriela Burkhalter’s exhibition on the history of playgrounds, sits in the middle of Radical Playgrounds and tells the story of how rules and anar- chy inspired public spaces. Museums are a part of it. Later, there will be a permanent playground inside Gropius Bau. We are its Vorspiel, a parasitic playground, a test site. The landscape architect Marjory Allen, known as Lady Allen of Hurtwood, was a British playground pioneer. In the 1950s she created playgrounds by pouring sand onto vacant lots. This model of playgrounds continues today. Which of the works of Radical Play grounds will continue to be relevant in eighty years? BFB: Honestly, none of the works is a prototype for future playgrounds. When, for example, Edgar Calel pro- 30

poses a Mayan pyramid made of straw bales as A Mountain of Drawings, he is referring to the pyramid as a space of encounter and as a social hub in the culture he comes from, as well as to piles of straw bales being a basic and iconic “playground” in the memory of everyone who ever spent some of their childhood on a farm. Both as- pects are present. What is new is the juxtaposition and the fact that we have presented this in the aforementioned context. Still, it creates a mental fric- tion that makes us wonder once again about the way that European cultures have dismantled sites of indigenous cultures worldwide, treating them as department stores to furnish European museums. It is my dream to design a playground. Meanwhile, I observe that making space for play is less frequent in cities. Do you agree with this observation? JW: Cities are becoming increasingly commercialised, as is play. We need spaces for free play. Actually, in my new role as a city curator of Hamburg, I will propose permanent playgrounds designed by artists. Let’s see. BFB: First of all, good luck designing a playground! It looks easy, but can be tricky nowadays, especially if you want it to be a public playground. The rules and regulations will soon kill your joy of creation. The space that our urban planners reserve for play is not decreasing, at least in Germany. There are also rules and regulations for the amount of play areas a city has to provide per inhabitant. But what you might have observed is that playgrounds are not the only spaces that are used to play. Urban wilder- ness, ruins, “vacant” lots, forgotten corners and so forth, are becoming rarer in cities squeezed economically by the real estate and construction industries. This is a scary development indeed. How should we inhabit cities for play to be increased? Maybe with more horses again instead of cars? BFB: That would mean we need more lawn for them to run and to eat, more stables with straw bales, softer grounds on the streets, more shade, and so on. JW: More basic elements such as air, water, fire, earth; more planetary consciousness; a more planetarily concerned public sphere. A Fountain of Knowledge by Raul Walch uses a pond, which makes us more conscious and appreciative of the presence of water in overheated cities. That is the way to go. What are your thoughts about play, risk and the appetite for autonomy? Do you think they belong together? JW: With their ideological and social contexts, playgrounds are excellent test beds for how a society re-invents and re-imagines itself. The Playground Project, an open-air exhibition and research project by the urban planner Gabriela Burkhalter, demonstrates how the playground negotiates his- tories and tensions. Art, and especially public art, is a great tool in this pro- cess. The conversation took place on 29 June 2024. Questions were formulated by Matylda Krzykowski and edited by Dalia Maini and María Inés Plaza Lazo. 2 Modellen. En modell för ett kvalitativt sam- hälle (The Model – A Model for a Qualitative Society), artistic concept by Palle Nielsen and Aktion Samtal, 30.9.–20.10.1968, Moderna Museet, Stockholm. Foto S. | Photo pp. 32 / 33: Joanna Warsza & Benjamin Foerster-Baldenius während der Eröffnung am 27. April 2024 | during the opening on 27 April 2024 31

Welche Bedeutung geben wir dem Spiel? Welche Bedeutung geben wir dem Spiel im öffentlichen Raum? Und welche Bedeutung dem Spiel der Kinder? Wir Erwachsene können von spielenden Kindern viel lernen: sich ohne Ablenkung zu vertiefen, Raum und Zeit zu vergessen, sich in imaginäre Welten zu begeben, Momente in voller Intensität zu erleben, ohne Angst, etwas zu verpassen. Wir leben in einer Welt, die sich zunehmend entkörpert, die alles auf einen Bildschirm reduziert und Körper, Geist und Kreativität zu wenig Raum gibt. Das Spiel gehört zu den vollkommensten und erfolgreichsten Werkzeugen, um Men- schen zu ermächtigen, zu bilden und miteinander zu verbinden. Spiel ermöglicht Empathie, ermutigt zum Risiko, lehrt, Konflikte zu lösen und fordert dazu auf, die Umgebung aktiv gemeinsam zu gestalten und mit Sinn zu versehen. Der Spielplatz war anfänglich – ab 1880 – ein Projekt von sozial denkenden Menschen, Pädagog*innen und Gestalter*innen. Ab 1920 betteten in Skan- dinavien Pädagog*innen und Gestalter*innen ihn in einen natur-ästhetischen Kontext ein und verbanden ihn mit der Aufforderung zur Kreativität. Es war der Beginn einer fruchtbaren Epoche des Experimentierens und Kombinierens: Zwischen Kunst, Landschaftsarchitektur, Skulptur und Handwerk war alles möglich. Ab den 1980er-Jahren wich dieser kreative Gedankenreichtum mehr und mehr einem standardisierten Spieldesign „von der Stange“. Doch die Konzepte der Pionier*innen sind immer noch relevant – heute mehr denn je. Spielen als moralisches Konzept In ihren Anfängen um 1880 war die Spielplatzbewegung Teil der allgemeinen sozialen Reforminitiativen, die für die damalige Zeit typisch waren. In den anwachsenden Städten Europas und Nordamerikas entstanden solche Bewegungen als Reaktion auf die soziale Misere, die durch die Auswüchse des Industriekapitalismus verursacht wurde. In den USA führten die massenhafte Einwanderung und die ungebremste Industrialisierung zu katastrophalen Wohn- und Lebensbedingungen in den städtischen Ballungsräumen. In England entstand, initiiert von der gebildeten Mittelschicht, das sogenannte Settlement House Movement, das bald auch in den USA fortgeführt wurde. Ziel war es, die Armut der Arbeiterklasse zu bekämpfen. Die Bewegung errichtete in den Armenvierteln Zentren für Bildung, Spiel, Erholung und soziale Unterstützung, lange bevor es einen Sozialstaat gab, um die zahlreichen, unbeaufsichtigten Arbeiter- und Migrantenkinder zu betreuen, zu erziehen, aber auch zu diszipli- nieren. Spielen im Auftrag der Volksgesundheit Deutsche Wissenschaftler und Hygieniker (Vorkämpfer einer besseren Volks- gesundheit) propagierten gegen Ende des 19. Jahrhunderts besonders das Sandspiel an der frischen Luft. Es ging dabei vor allem um „Leibesertüchtigung“. Der Zentralausschuss zur Förderung der Volks- und Jugendspiele in Deutsch- land übernahm dabei eine führende Rolle. Diese Sandspielplätze dienten anderen Ländern als Vorbild. Die Reformpädagogik, eine Bewegung des beginnenden 20. Jahrhunderts, forderte dagegen eine kindgerechte Bildung. Die aufkommende Kinderpsycho- logie wies nach, dass die Kindheit als Lebensabschnitt von zentraler Bedeutung für die gesamte menschliche Entwicklung ist. In diesem Zusammenhang erkannte man im Spielen eine kindliche Ur-Tätigkeit – von großem Wert für die Entwicklung 35

Sandkasten auf dem Berliner Forckenbeckplatz | Sandpit on Berlin’s Forckenbeckplatz, 1905 und nicht mehr einfach ein Zeitvertreib. Einige Pädagog*innen gründeten Schulen, in denen selbstständiges Lernen gefördert wurde. Ein Beispiel ist die Berthold- Otto-Schule in Berlin-Lichterfelde. Für ihre progressiven Lehrmethoden war die Schule über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Spielen als kreative Aktivität Der dänische Landschaftsarchitekt Carl Theodor Sørensen entwarf bereits in den 1920er-Jahren für Wohngenossenschaften natürlich gestaltete Spielräume. 1931 formulierte er das Konzept eines „Gerümpel-“ oder Bauspielplatzes ohne eigentliche Spielgeräte (Skrammellegeplads). Dieser wurde 1943 in Emdrup bei 36

Kopenhagen erstmals umgesetzt. Das glich einer Revolution, weil die Gestaltung des Spielplatzes vollständig den Kindern überantwortet wurde. Marjory Allen, eine britische Kämpferin für Kinderrechte, besuchte Emdrup und brachte die Idee nach Großbritannien. Wegen seiner Unordnung bei manchen Bürger*in- nen unbeliebt und verrufen, machte Allen diese besondere Art von Spielplatz in London als Adventure Playground gesellschaftsfähig. In diesen Orten sah sie die Möglichkeit, einer vom Krieg verstörten Jugend, betreut von Playworker*innen, einen sicheren und kreativen Spielort zu bieten. Die Abenteuerspielplätze nahmen je nach Land unterschiedliche Formen an. Sie folgten jedoch alle der Grundidee, dass die Kinder ihre Spielumgebung eigenhändig gestalten und ihre Welt mit Holz, Backstein, Hämmern und Nägeln bauen – so wie es Generationen vor ihnen auf Stadtbrachen gemacht hatten. Der Abenteuerspielplatz stand für Autonomie, Kreativität, soziale Kompetenz und Selbstverwaltung. Im Zuge der Protest- und Umweltbewegungen gegen Ende der 1960er-Jahre gewann das Modell in Deutschland an Popularität. Elterngrup- pen initiierten Abenteuerspielplätze und nahmen so direkten Einfluss auf ihr Wohnumfeld. Als pädagogisches Experiment beflügelte es zudem die Diskussion über Bildung. 1967 entstand im Märkischen Viertel in Berlin der erste Abenteuer- spielplatz Deutschlands. Er wurde aus der Not geboren, weil ältere Kinder unter- beschäftigt waren und sich auf den Baustellen der Großsiedlung herumtrieben. Kampf für eine spiel- und kindgerechte Stadt Nach dem Zweiten Weltkrieg war Europa geprägt von Zerstörung und Wieder- aufbau. Wirtschaftswunder, Wohnungsbau und der Siegeszug des Automobils führten zu einer rasanten Verstädterung. Spielen auf der Straße war nicht mehr möglich. Spielplätze gehörten nun zur Standardausstattung von Großsiedlun- gen, waren aber oft lieb- und fantasielos ausgestattet. Gleichzeitig erlaubten neue technische Möglichkeiten den Bau spektakulärer Spielinstallationen wie die Kletterstrukturen des Ingenieurs und Architekten Conrad Roland. Der Aufbruch von 1968, das Streben nach Autonomie und der Wille zur Selbstorganisation beflügelten die Lust am Gestalten und Selbermachen. Der Spielplatz wurde zum Ort für Abenteuer und Experimente, an dem Elterngrup- pen, Pädagog*innen, Künstler*innen oder Student*innen unaufgefordert aktiv wurden und Neues versuchten. Gleichzeitig wurde der öffentliche Raum zur Lernumgebung jenseits der Schule. Erwachsene erkannten die befreiende Wir- kung des Spiels für Kinder – und sich selbst. Sogar Museen widmeten sich dem Spiel. Statt klassischen Ausstellungen entstanden begehbare Environments, um die Wahrnehmung auf den Kopf zu stellen und das Museum und die Kunst zu demokratisieren. Emblematisch hierfür steht die Ausstellung Modellen (1968) im Moderna Museet in Stockholm.3 Die Umweltkrisen der 1970er-Jahre sensibilisierten die Menschen, die begannen, für ihren Lebensraum, ihr Quartier oder ihren Wohnblock zu kämpfen und sich für besseren Spielraum zu engagieren: Es war die Stunde der spon- tanen Aktionen, der Eigen- und Bürgerinitiativen. Mit Spielmobilen und Spiel- aktionen erkämpften sich Kollektive wie KEKS (Kunst, Erziehung, Kybernetik, Soziologie), gegründet 1968 in München, Freiraum jenseits eng abgesteckter Spielplätze. Gemeinsam war diesen Initiativen der sozial- oder kulturpädago- gische Ansatz, der bis heute in der offenen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen maßgebend ist. 37

Die Spielwagen-Bewegung in der DDR: mobile Spiel-Animation Das sozialistische Gesellschaftssystem der DDR mit durchgehender Kinder- betreuung in staatlichen Einrichtungen und die riesigen Plattenbausiedlungen führten zu einem großen Bedarf an Spielplätzen. Diese boten mehrheitlich Standardausrüstung mit Sandkasten und Stahlrohrgeräten oder Holzkonstruk- tionen. Künstler*innen und Gestalter*innen wie Eberhard Kull, Ute Fritzsch, Ursula Wünsch oder das Kollektiv GAT (Gestaltungsatelier von Gunter Wächtler, Peter Rossa, Wolf-Dieter Schulze) erhielten Aufträge, Spielplätze zu gestalten. Dies bot einen willkommenen kreativen Freiraum außerhalb der sozialistisch- ästhetischen Vorgaben. Während in der westlichen Welt in den 1980er-Jahren eine neoliberale Ideologie auf dem Vormarsch war und Konsumdenken zuneh- mend alle Lebensbereiche dominierte, begannen die Bürger*innen in der DDR für mehr Freiheit, Kreativität und öffentlichen Raum zu kämpfen. Die Spielwagen- Bewegung entstand 1979 in Ost-Berlin und fand dann in anderen Städten der DDR Nachahmer*innen. Sie schufen in Parks und Wohnsiedlungen temporäre Freiräume für kreatives und freies Spiel. Die Spielwagen-Bewegung war über die Wende hinaus aktiv und vernetzte sich, beispielsweise durch das Netzwerk Spiel / Kultur. Heilendes Spiel Mit den 1980er-Jahren verlor die Frage des Spielplatzes aus verschiedenen Gründen an Bedeutung. Seit gut zehn Jahren jedoch entdecken vermehrt Uni- versitäten, Kollektive und (Landschafts-)Architekt*innen den Spielplatz als kreativen Freiraum wieder. Sie denken den Spielplatz als Teil des öffentlichen Raums und des urbanen Dschungels. Er wird als Katalysator verstanden, um beispielsweise in einem Quartier eine neue Dynamik zu erzeugen oder um Kinder in Krisensituationen zu stärken, wie die folgenden Beispiele illustrieren. Die Kounkuey Design Initiative wurde von sechs Student*innen der ame- rikanischen Harvard Graduate School of Design gegründet. Auf Anregung von Arthur Adeya, einem Mitbegründer aus Kenia, realisierten sie erste Projekte in der informellen Siedlung von Kibera, Nairobi. Inzwischen hat die Kounkuey Design Initiative zusammen mit lokalen Organisationen elf sogenannte Produc tive Public Spaces (produktive öffentliche Räume) gebaut. Diese Räume bieten Waschplätze, Trinkwasser und weitere Infrastruktur für alltägliche Bedürfnisse sowie Schutz vor verheerenden Überflutungen. Dazu kommen die beliebten Community Playgrounds, die Kindern einen sicheren Ort zum Spielen bieten. Ein anderes Beispiel stammt aus Japan. Wie bereits nach dem Kobe- Erdbeben 1995 organisierten dort Playworker*innen nach dem Tōhoku-Erdbeben und dem Tsunami von 2011 in den betroffenen Orten temporäre Spielorte. Initi- iert wurden diese vom Mitbegründer des ersten Abenteuerspielplatzes in Tokio, Hideaki Amano. Er beobachtete, wie Kinder das Erdbeben oder den Tsunami unzählige Male nachspielten und ihnen dies half, die erlebten Traumata zu ver- arbeiten. Insgesamt wird deutlich, dass Krisen jede Gesellschaft herausfordern. Sie muss aktiv werden und die Komfortzone verlassen, um innovative und nachhal- tige Lösungen zu finden. Das Spiel kann, wenn es neue Sichtweisen und Möglich- keiten eröffnet, zum Katalysator für diesen gesellschaftlichen Wandel werden. 3 Siehe Anm. 1, S. 27. 39

What significance do we give to play? What significance do we give to play in public space? And to the play of children? We as adults can take inspiration from playing children: immersing ourselves with no distractions, forgetting space and time and entering imaginary worlds, moments of full intensity, with no fear of missing out on anything. We live in an increasingly disembodied world where everything is reduced to fit on a screen, and where body, spirit and creativity are given far too little space. Play is one of the most perfect and successful tools for empowering, edu- cating and connecting people. Play occasions empathy. It encourages us to take risks, teaches us to resolve conflicts and invites us to actively and collectively shape our surroundings and imbue them with meaning. From around 1880, playgrounds emerged as a project devised by socially minded people, educators and designers. From 1920 in Scandinavia, educators and designers embedded playgrounds in a natural and aesthetic context. They marked the start of a fruitful era of experimentation and combination. Everything was possible, from art and landscaping to sculpture and craftspersonship. Yet from the 1980s, this wealth of ideas became watered down by off-the-peg play- ground design. However, the concepts of playground pioneers remain relevant, today more than ever before. Play as a Moral Concept At its inception, in around 1880, the playground movement formed a part of larger social reform initiatives symptomatic of the period. In the developed cities of Europe and North America, these movements emerged in reaction to social hardships brought about by the excesses of industrial capitalism. In the United States, large-scale immigration and unfettered industrialisation resulted in catastrophic housing and living conditions in cities. The so called settlement house movement was spearheaded by the educated middle classes in England working to combat poverty among working-class populations. This movement soon spread to the US. Long before welfare states became established, support- ers erected centres in poor neighbourhoods for education, play, recreation and social support, in order to care for, educate and – yes – also discipline the large numbers of unsupervised children of migrants and workers. Play as a Public Health Mission Towards the end of the nineteenth century, sand play gained popularity on the public squares of German cities. German scientists and hygiene specialists (pio- neers of better public health) particularly encouraged open air play, mainly with the aim of improving physical health. The Central Committee for the Promotion of People’s and Youth Games in Germany (Zentralausschuss zur Förderung der Volks- und Jugendspiele in Deutschland) took a leading role in this, and the new sand playgrounds served as a model for other countries. In contrast, the early twentieth-century progressive educational move- ment of reform pedagogy (Reformpädagogik) demanded that education be child oriented. During this time, the well-being of children received more attention in city and park design, as well as in education and upbringing. The emerging field Foto S. | Photo pp. 40 / 41: The Playground Project, kuratiert von | curated by Gabriela Burkhalter, 2013–fortlaufend | ongoing 43

of child psychology asserted that childhood as a phase in life is of vital signifi- cance for a person’s entire development. In this context, play was discovered to be an essential activity of children, one with great developmental value rather than a diversion. A few pedagogues founded schools where principles of free learning were applied. An example is the Berthold-Otto-School in the Berlin district of Lichterfelde. The school was well known beyond Berlin thanks to its progressive teaching methods. Play as a Creative Activity Danish landscape architect Carl Theodor Sørensen had already sketched out nat- urally designed play spaces for housing co-operatives back in the 1920s. In 1931, he formulated the concept of the “junk” or construction playground (skrammel- legeplads) with no specific play equipment. This concept was first implemented in Emdrup near Copenhagen in 1943. It was a revolutionary move, given the fact that the playground design was entrusted entirely to the children. Marjory Allen was an English advocate for children’s rights who visited Emdrup and brought the idea back to the United Kingdom. Although such playgrounds could be unpopular due to their disorderly nature, Allen made them socially acceptable in London by billing them as “adventure playgrounds.” Supervised by playworkers, she saw them as an opportunity to offer a safe and creative space for children traumatised by war. The adventure playgrounds went on to take different forms from country to country, but they all adhered to the basic principle that children themselves should shape their play environment by hand and build their world using wood, bricks, hammers and nails – just as generations before them had done on vacant lots. The adventure playground represented autonomy, creativity, social skills and self-governance. The model gained popularity in Germany in the wake of protests and environmental movements in the late 1960s. Parent groups initi- ated adventure playgrounds in their neighbourhoods, thus playing a direct role in their living environment. As an educational experiment, such playgrounds also fuelled discussions about education. In 1967, the first adventure playground in Germany was established in the Märkisches Viertel neighbourhood in Berlin. It arose out of necessity because older children were underchallenged and con- signed to loiter on the construction sites of future housing estates. Campaigning for a Child- and Play-Friendly City After the Second World War, Europe was characterised by destruction and reconstruction. The post-war “economic miracle”, vast housing construction and the triumph of the car all led to rapid urbanisation. Play in the streets was no longer possible. Playgrounds became a standard feature of large-scale housing estates, but their design often lacked care and imagination. Still, new technolo- gies allowed spectacular play structures to be constructed, such as the climbing frames designed by engineer and architect Conrad Roland. The upheavals of 1968, the pursuit of autonomy and a desire for self- organisation fuelled the thirst for creativity and do-it-yourself concepts. The playground became a place where parent groups, educators, artists and stu- dents could spontaneously try new things. At the same time, public space itself became a learning environment beyond schools. Adults recognised the liber- ating effect of play on children – and themselves. Play even found a space in museums. Instead of traditional exhibitions, immersive environments began to 45

be created which upturned expectations and democratised the museum and art. The exhibition The Model – A Model for a Qualitative Society (1968) at Moderna Museet in Stockholm is emblematic of this.4 The ecological crises of the 1970s encouraged people to fight for their surroundings, their neighbourhoods and their housing block, as well as for better play opportunities. This was a time of protests, actions and citizen initiatives. Collectives fought for space beyond narrowly defined playgrounds by using play buses and play activities. These included the KEKS collective, founded in Munich in 1968, whose name is an acronym for Kunst, Erziehung, Kybernetik, Soziologie (Art, Education, Cybernetics, Sociology). What united these initia- tives was the socio-pedagogical or cultural-educational approach, which continues to be influential in work with children and adolescents today. Von Spielwagen Berlin konzipierter Spielplatz, Ostberlin, 1980er-Jahre | Playground designed by Spielwagen Berlin, East Berlin, 1980s 46

The Spielwagen Movement in the GDR: Mobile Animation to Play The socialist GDR system with continuous childcare in state-run facilities and large prefabricated housing estates led to a great demand for playgrounds. Those built mostly offered standard equipment with sandboxes and steel tube devices or wooden constructions. Artists and designers such as Eberhard Kull, Ute Fritzsch, Ursula Wünsch and the GAT collective (which stands for Gestal- tungsatelier and comprised Gunter Wächtler, Peter Rossa and Wolf-Dieter Schulze) were commissioned to design playgrounds. This provided a welcome creative space outside socialist aesthetic guidelines. While a neo-liberal ideology became dominant in the Western world and a consumerist society increasingly encroached on all areas of life during the 1980s, GDR citizens began fighting for more freedom, creativity and public space. The Spielwagen (play bus) movement first emerged in East Berlin in 1979, creating places for free, unconstrained play beyond the confines of state institutions in established neighbourhoods and within new housing estates. These initiatives remained active following Germany’s reunification and created new networks such as Netzwerk Spiel / Kultur. Healing Play Over the 1980s, playgrounds lost some of their significance for a variety of reasons. But in the past ten years, universities, collectives, architects and land- scape architects have rediscovered playgrounds as areas of creative freedom. They understand that the playground is a part of both the public sphere and the urban jungle. It is regarded as a catalyst that can generate a new dynamic in a neighbourhood or support children in crisis situations, as the following examples illustrate. Kounkuey Design Initiative was founded by six students at Harvard Gradu- ate School of Design. Arthur Adeya, one of the co-founders, was from Kenya, and he led the group to realise initial projects in the informal settlement of Kibera, Nairobi. So far, Kounkuey Design Initiative has built eleven “productive public spaces”, working with local organisations. These spaces provide washing facilities, drinking water and protection from devastating floods, among other infrastructure elements serving everyday needs. In addition, the popular com- munity playgrounds offer children safe spaces. Another example comes from Japan. Playworkers organised temporary spaces for play in the cities affected by the Tōhoku earthquake and tsunami of 2011, much as they did after the 1995 earthquake near Kobe. These spaces were initiated by Hideaki Amano, co-founder of Tokyo’s first adventure playground. Amano noticed that playing helped children to process trauma. He observed that the children would reenact the earthquake or the tsunami countless times, which made him realise that play could have a healing effect and allow children to laugh again. What is clear is that crises can challenge societies to take action, leave their comfort zone and look for solutions. The wonder of play is that it opens up new perspectives and possibilities. 4 See note 2, p. 31. 47

Madina Tlostanova Dekoloniales queer- feministisches liebevolles Spielen „Eine spielerische Haltung ist mit der Offenheit für Überraschungen verbunden, mit der Bereitschaft, albern zu sein, mit der Bereitschaft zur Selbst-Konstruktion oder Rekonstruktion und zur Konstruktion und Rekonstruktion der ‚Welten‘, die wir spielerisch bewohnen. […] Der Versuch, uns selbst und unsere Beziehungen zu anderen in einer spezifischen ‚Welt‘ zu erfassen, eröffnet uns die Gelegenheit, uns selbst zu studieren, zu untersuchen und zu begreifen. Sodann werden die Möglichkeiten für das Spiel der Person sichtbar, die man in dieser ‚Welt‘ ist. Man kann sich sogar dazu entschließen, ganz in dieser Person zu leben, um sie besser zu verstehen und ihre kreati- ven Möglichkeiten aufzuspüren.“5 María Lugones 50

Die Philosophie von Spiel und Spielen wird oft mit Persönlichkeiten wie Hans- Georg Gadamer, der das Spielen als grundlegenden Aspekt von Erfahrung und Leben des Menschen verstand, oder Johan Huizinga, Autor des Bands Homo Ludens. Versuch einer Bestimmung des Spielelementes der Kultur, in Verbindung gebracht.6 Ihre verallgemeinernden und dabei euromodern- begrenzten7, obligatorischen Interpretationen betrachten jeweils auf eigene Weise das bestimmten Regeln folgende Spiel als höchste Form spielerischer Aktivität. Es basiert auf dem Wettbewerbsgedanken und dem Versuch, einen Sieg über die Gegner*innen zu erringen, indem ihr Territorium erobert wird oder man sich der Symbole ihrer Stärke bemächtigt. Es steht damit im Gegensatz zum ludischen Verhalten nicht-euromoderner Menschen und / oder einiger Tierarten, das vermutlich in einem gewissen Maße strukturiert sein und Regeln sowie Fähig keiten voraussetzen muss, um als echtes Spiel betrachtet werden zu können. Anders gesagt erwachsen die euromodernen Konzepte von Spiel und Spielen aus den modern-kolonialen Prinzipien von Agonistik oder Konkurrenz- denken, die nicht nur Beziehungen zwischen den Subjekten prägen, sondern auch Politik, Wirtschaft und Wissensproduktion sowie die Art und Weise, wie wir mit anderen Spezies und dem gesamten Planeten umgehen. In ihrem inzwischen klassisch gewordenen Artikel „Playfulness, ‚World‘-Travelling, and Loving Per- ception“8 hinterfragt die de-koloniale, queer-feministische Autorin María Lugones diese agonistische Denkweise und die Hierarchie der Spiele, die sie hervor- bringt. Lugones sucht nach einem Weg, andere Kulturen und Individuen mithilfe nicht-agonistischen Spiels zu begreifen: als Raum, in dem Dialog, Empathie, Relationalität, Entwicklung und echtes Interesse am anderen möglich sind – anstelle überheblicher Wahrnehmung und Wettbewerb, die letztlich auf Ent- menschlichung basieren. In diesem Kontext ist ihre Metapher einer Reise in die Welten anderer zu verstehen, mit einer Haltung liebevoller Wahrnehmung und Verspieltheit als potenziellem Zugang zu ansonsten möglicherweise unzugäng- lichen Welten. Lugones stellt die Liebe als besondere Methode der Erkundung dar: „Durch diese Reise können wir verstehen, was es bedeutet, diese anderen zu sein, und was es in ihren Augen bedeutet, wir zu sein. Erst wenn wir in die ‚Wel- ten‘ der anderen gereist sind, sind wir voreinander ganz Subjekt.“9 Im Gegensatz zu Huizinga und Gadamer bietet Lugones keine genauen Definitionen für nicht- agonistisches, liebevolles Spielen, sondern beschreibt es als regellos und dabei bewusst absichtsvoll. Es legt keinen Wert auf das Gewinnen und entsteht nicht aus Rivalität. Vor allem ist es ergebnisoffen und prozesshaft; es zeichnet sich durch Unsicherheit und Freude an der Überraschung aus sowie durch eine Fas- zination für die Welt. Liebevolles Spiel ist eine besondere Haltung oder Art der Wahrnehmung des Selbst wie auch der anderen Menschen, unserer Umwelt und anderer Arten, die uns durch eine Aktivität trägt und sie zum Spiel macht: „Wir sehen uns selbst nicht als allzu wichtig an, wir stecken nicht in bestimmten Konstruktionen unserer selbst fest, was unter anderem bedeutet, dass wir bereit sind, uns selbst zu konstruieren. Vielleicht gibt es keine Regeln, und wenn es sie doch gibt, dann sind sie uns nicht heilig. Wir denken nicht über Fähig keiten nach. Wir hängen nicht übermäßig an einer bestimmten Art und Weise, die Dinge zu tun. Beim Spielen überlassen wir uns nicht ganz und gar einer bestimmten ‚Welt‘ und sind auch keiner ‚Welt‘ fest verhaftet. Wir sind auf kreative Weise dort. Wir sind nicht passiv.“10 Beim liebevollen Spielen geht es demnach genauso sehr um Begegnungen mit anderen wie um das Erfahren der vielfachen eigenen Identitäten. Lugones stellt dieser spielerischen Fluidität des liebevollen Rollenspiels die wichtigtue- risch-arrogante Haltung agonistischer Spieler*innen gegenüber, die mit ihren 51

fixierten, selbstgefälligen Konzepten letztlich nicht in der Lage sind, in die Wel- ten anderer zu reisen, ohne sie zu zerstören. Liebevolles Spielen ist ein Aben- teuer in dem Grenzbereich, in dem Menschen und andere spielende Wesen von Regeln, Kontrolle und der Tyrannei der Missbilligung befreit sind und, ähnlich wie die Menschen auf mittelalterlichen Jahrmärkten, ihre Gestalt ändern, um sich für eine Zeit in den anderen wie auch dessen Gegenteil zu verwandeln, wenn nicht sogar in Objekte und Wesenheiten. Allerdings bedeutete dieses Erlebnis auf europäischen Jahrmärkten des Mittelalters eine nur sehr kurze Befreiung und Desakralisierung, gefolgt von umso strengerem Regelgehorsam. Lugones ver- stößt bewusst gegen diesen Grundsatz des regelgebundenen Spiels und bringt damit die grundlegende, modern-koloniale Onto-Epistemologie zu Fall. Sich in diesem vagen und unbestimmten, spielerischen Grenzland wie ein Narr zu verhalten, bedeutet, „sich nicht um Fähigkeiten zu scheren, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, die Normen nicht als heilig zu erachten und Ambiguität und Zweischneidigkeit als Quelle des Wissens und des Glücks zu betrachten“.11 Ihr Beispiel für ein dergestalt offenes und unbeschwertes Spiel ist eigent- lich kein Spiel im engeren Sinne, sondern die ludische Interpretation einer ansonsten alltäglichen Aktivität: Gemeinsam nasse Kieselsteine am Ufer eines Flusses aufzubrechen, um die wunderschönen Farben im Inneren der Kiesel zu bewundern, wurzelt in einer geteilten Faszination für die Schönheit der Welt, die in ihrer endlosen Vielfalt nur darauf wartet, entdeckt zu werden. Und durch diese gemeinsame Bewunderung kann eine liebevolle Haltung zu den Partner*innen im Spiel gelernt und praktiziert werden, seien sie menschlich oder nicht-mensch- lich, belebt oder unbelebt. Hier spielen die Partner*innen nicht im Wettbewerb um den weitesten Wurf. Vielleicht geht es in dieser spielerischen Aktivität darum, uns selbst und andere durch die liebevolle Begegnung mit anderen Wesen und mit der Welt, als Ergebnis der mehrräumlichen Hermeneutik, immer wieder neu zu erfinden und zu verstehen.12 Das gegenseitige Verstehen ist selbst dann noch möglich, wenn es durch den fehlenden hermeneutischen Horizont er- schwert wird (wenn die Spielenden beispielsweise aus unterschiedlichen Welten, Kulturen, historischen Zusammenhängen, sprachlichen Universen oder Arten stammen). In diesen Fällen bedeuten Dialog und Erfahrungslernen besondere Anstrengungen, idealerweise in Form von Spiel, das nur dann möglich ist, wenn wir uns eine liebevolle, nicht arrogante Wahrnehmung zu eigen machen sowie ein selbst-ironisches Bewusstsein unserer komplexen Beziehungen zu anderen. 5 María Lugones, „Playfulness, ‚World‘-Travelling, and Loving Perception“, in: Hypatia 2:2, 1987, S. 17. 6 Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1969; Johan Huizinga, Homo Ludens. Versuch einer Bestimmung des Spiel elementes der Kultur, Akademische Verlagsanstalt Pantheon, Basel 1938. 7 Euromoderne ist ein de-kolonialer Begriff, der den historisch und räumlich konkreten und begrenzten („provinziellen“) europäischen Ursprung der Moderne unterstreicht. Er behauptet, dass die Moderne und Europa untrennbar verbunden sind und dass die Moderne kein objektiver, de-lokalisierter und universeller Prozess ist, sondern vielmehr das Produkt eines spezifisch europäischen Kontexts. Siehe Enrique Dussel, „Eurocentrism and Modernity. Introduction to the Frankfurt Lectures“, in: Boundary 2 20:3, 1993, S. 65–76. 8 Siehe Anm. 5, S. 3–19. 9 Ebd., S. 17. 10 Ebd., S. 16. 11 Ebd., S. 17. 12 Madina Tlostanova, „Can Methodologies Be Decolonial? Towards a Relational Experiential Epistemic Togetherness“, in: Nina Lykke et al. (Hg.), Pluriversal Conversations on Transnational Feminisms, Routledge, London 2024, S. 125–138. Ingela Ihrman, Love Me, Love Me Not, 2024 52

Madina Tlostanova Decolonial Queer Feminist Loving Playfulness “The playful attitude involves openness to surprise, openness to being a fool, openness to self-construction or reconstruction and to construction or reconstruction of the ‘worlds’ we inhabit play- fully. […] In attempting to take a hold of oneself and one’s relation to others in a particular ‘world’, one may study, examine and come to understand oneself. One may then see what the possibilities for play are for the being one is in that ‘world.’ One may even decide to inhabit that self fully in order to understand it better and find its creative possibilities.”13 María Lugones 54

The philosophy of play and games is often associated with such philosophers as Hans-Georg Gadamer, who understood play as a fundamental aspect of human life and experience, or Johan Huizinga, who wrote Homo Ludens. A Study of the Play-Element in Culture.14 Their interpretations are universalising yet Euromod- ern-limited15 and prescriptive; each in his own way, they consider the game to be the highest form of playing, grounded in competition with rivals and aimed at victory, conquering territory or mastering various symbols of potency. This form of play stands in opposition to the ludic behaviour of non-Euromodern people and / or some animals, which supposedly needs to be structured and assigned rules and competencies to be able to be considered a “proper” game. In other words, Euromodern conceptions of games and play grow out of the modern / colonial principles of agonistics and competitiveness which affects both inter- subjective relations as well as politics, economics, knowledge production and the way we treat other species and the planet. Decolonial queer feminist María Lugones questions this agonistic framework and the hierarchy of games it generates in her now-classic article “Playfulness, ‘World’-Travelling, and Loving Perception.”16 Lugones attempts to solve the riddle of understanding other cul- tures and individuals by regarding non-agonistic playing as a space for dialogue, empathy, relationality, becoming and showing a genuine interest in the other instead of taking an “arrogant”, i. e. competitive perception, which are ultimately grounded in dehumanisation. Hence her metaphor of travelling into other people’s possibly opaque realms with “loving perception” and “playfulness” as a potential means of entering these seemingly impervious worlds. Lugones sees love as a special method of inquiry, remarking “by travelling to their ‘world’ we can understand what it is to be them and what it is to be our- selves in their eyes. Only when we have travelled to each other’s ‘worlds’ are we fully subjects to each other.”17 In contrast with Gadamer and Huizinga, Lugones does not offer detailed definitions of non-agonistic loving playfulness, rather describing it as not having rules yet consciously intentional, not preoccupied with winning, not grounded in rivalry, and, most importantly, open-ended and processual, marked by uncertainty, openness to surprise as well as fascination with the world. Loving playfulness is a special attitude or a way of perceiving ourselves, and other people, the world around us and other species, which car- ries us through an activity and turns it into a play: “We are not self-important, we are not fixed in particular constructions of ourselves, which is part of saying that we are open to self-construction. We may not have rules, and when we do have rules, there are no rules that are to us sacred. We are not worried about competence. We are not wedded to a particu- lar way of doing things. While playful, we have not abandoned ourselves to, nor are we stuck in, any particular ‘world.’ We are there creatively. We are not passive.”18 Therefore, loving playfulness is as much about encounters with others as it is about learning to know one’s multiple selves. Lugones contrasts this ludic fluid ity of loving role playing with the self-important, arrogant attitude of agonistic players with their own fixed, smug self-conceptions and ultimately, their inability to travel to other people’s worlds without destroying them. Loving playfulness is an adventure in a borderlands zone where people and other play- ing beings become free from rules, control, the tyranny of disapproval. Instead, similar to medieval carnival participants, they become shapeshifters in order to temporarily turn into each other and into each other’s opposites, if not into ob- jects and entities. Yet whereas in the European medieval carnival, this temporary liberation and desacralisation is followed by an even stricter obedience to the rules, Lugones encroaches on the very principle of rule-bounded playing, there- 55

by derailing the fundamental modern-colonial ontoepistemology. Being a fool in this vague and undetermined playful borderland space is a “combination of not worrying about the competence, not being self-important, not taking norms as sacred and finding ambiguity and double edges a source of wisdom and delight.”19 The example that she offers to illustrate such an open and carefree play- fulness is not a game but a ludic interpretation of an otherwise ordinary activity: the joined breaking of wet pebbles at a riverbank to admire the beautiful colours of the pebbles’ interior is grounded in a shared fascination with the beauty of the world, infinite in its diversity and awaiting discovery. Moreover, through this shared admiration, one can learn and practice a loving attitude to their partner in playing: human or nonhuman, animate or inanimate. The partners here are not playing to compete in their throw range. Perhaps the point of this playful activity is to endlessly remake and make sense of ourselves and other selves through the loving encounter with other beings and with the world, as a result of the multi spatial hermeneutics.20 Understanding here is still possible, albeit more difficult due to a lack of a shared hermeneutical horizon (for instance if we belong to different worlds, cultures, histories, linguistic universes, species, etc). It requires an additional effort at dialoguing and experiential learning from the other, ideally in the form of play, which is only possible if we have a loving and not an arrogant perception and a self-ironic awareness of our complex relation- ality with others. 13 María Lugones, “Playfulness, ‘World’-Travelling, and Loving Perception”, in: Hypatia 2:2, 1987, p. 17. 14 Hans-Georg Gadamer, Truth and Method, Seabury Press, New York 1975; Johan Huizinga, Homo Ludens. A Study of the Play-Element in Culture, Beacon Press, Boston 1949. 15 Euromodernity is a decolonial term that stresses the historically and spatially concrete and limited (“provincial”) European origins of modernity, claiming that modernity and Europe are inseparable and that modernity is not an objective delocalised universal process but a product of a specific European context. See Enrique Dussel, “Eurocentrism and Modernity: Introduction to the Frankfurt Lectures”, in: Boundary 2 20:3, 1993, pp. 65–76. 16 See note 13, pp. 3–19. 17 Ibid., p. 17. 18 Ibid., p. 16. 19 Ibid., p. 17. 20 Madina Tlostanova, “Can Methodologies Be Decolonial? Towards a Relational Experiential Epistemic Togetherness”, in: Nina Lykke et al. (eds.), Pluriversal Conversations on Transnational Feminisms, Routledge, London 2024, pp. 125–138. Vitjitua Ndjiharine, Networked Constellations, 2024; Tomás Saraceno, PlayGround Spider / web vibration, divina tion… for the terrestrial and cosmic web(s) of life, 2024 56

In den letzten Jahren habe ich viel mehr Zeit auf Spielplätzen verbracht als an Orten für Kunst. Wenn ich mit meinem Sohn auf den Spielplatz gehe, freue ich mich nicht immer darauf. Ihm geht es genauso, wenn ich ihn zu einer Eröffnung oder in ein Museum mitschleppe. Wir treffen dann Vereinbarungen. Spielen gegen Kunst, Kunst gegen Spielen – ein erfundener Raum gegen den anderen. Das Ziel dieses Spiels ist es, dass der andere auf das eigene Angebot einsteigt. Mit der Zeit sind mir die Dynamik, die Architektur und Atmosphäre vieler Spiel- plätze in Berlin, Warschau, Dublin, Havanna, Pristina und an anderen Orten bewusst geworden. Langsam begann ich, sie als einzigartige Form von Skulptu- renpark zu betrachten und nach einem verborgenen Sinn zu suchen. Ich wollte wissen, was sie darstellten und auf welche Ideen sie uns, die kritischen Erwach- senen, bringen. Immer mehr entwickelte ich den Wunsch nach vielschichtigen Spielplätzen, die generationsübergreifende semiotische und kulturelle Lesarten ermöglichen. Was wäre zum Beispiel, wenn ein Piratenschiff, die perfekte Kulisse für kindliche Seeabenteuer, gleichzeitig ein Experiment zu sozialer Gerechtig- keit ermöglichen würde? Könnte das Schiffsdeck auch Schauplatz für beispiels- weise David Graebers posthum veröffentlichtes Buch Pirate Enlightenment, or the Real Libertalia sein und proto-demokratische Praktiken von Piraten jenseits aller üblichen Romantisierung und Fantasterei untersuchen? Gleichzeitig frage ich mich als Kuratorin stets, wie sich der Habitus zeitgenössischer Kunsträume so verändern könnte, dass sie zu Orten werden, an denen Kunst mit allen fünf Sinnen – ähnlich Abenteuern auf Spielplätzen – und die Dilemmata einer sich wandelnden Gesellschaft erlebt werden können. 2023 hatte Matthias Pees, Intendant der Berliner Festspiele, den Archi- tekten Benjamin Foerster-Baldenius vom Architekturkollektiv raumlaborberlin und mich eingeladen, eine öffentlich zugängliche Kunstausstellung am Gropius Bau zu entwickeln, die sich im Umfeld der Fußball-Europameisterschaft (der Männer) 2024 mit den Themen „Spiel“ und „Spielen“ beschäftigen sollte. Wir tauschten unser Wissen über Spielplätze aus, sprachen über Bespielbarkeit, Wettbewerb und Zusammenarbeit, die Stadt und den Zugang zu Kultur. Aus unserer Erfahrung als Eltern wussten wir, dass Spielplätze die Ausstellung zu einem Ort machen würden, der alle anspricht – nicht nur mit Worten, sondern auch mit Emotionen, Klängen und Empfindungen. Die Architektin Lina Bo Bardi sagte bekanntlich einmal, dass jedes Museum einen Spielplatz verdiene. Wir ließen uns von ihr inspirieren und entwickelten gemäß unserem Auftrag das Konzept von Radical Playgrounds, einem Projekt, das einen konzeptuellen Spiel- platz, einen Skulpturenpark, eine Erweiterung des Museums und einen zeitlich befristeten Jahrmarkt miteinander verbindet und den Fokus von Wettbewerb auf Zusammenarbeit verlagert. Unser Experiment sollte sich für elf Wochen mit Kunst werken und Pavillons an den Gropius Bau anschließen. Anstelle von Auf seher*innen würde es ein Team von Playworker*innen geben, die den Raum beleben. Die Ausstellung wäre bei der Eröffnung noch nicht komplett, sie würde sich durch eine Reihe von Workshops und Aktivierungen weiterentwickeln. Unser Ausgangspunkt war die Idee, einen öffentlichen Raum durch Spiel und Spielen zu einem Ort der Begegnung mit Fremden zu machen. Radikale Schaukeln oder Spielfelder Radical Playgrounds sollte eine Schaukel, einen Springbrunnen, ein Labyrinth beinhalten – wie ein ganz normaler Spielplatz. Dahinter aber verbargen sich zahl- reiche radikale Schichten, konkrete gesellschaftliche und politische Realitäten. Wir beauftragten 16 Künstler*innen oder Kollektive, Installationen und Pavillons 59

The Playground Project, 2013–fortlaufend | ongoing (l.: Joanna Warsza, r.: Gabriela Burkhalter) zu entwickeln, die mit dem Vokabular von Spielplätzen einige der relevantesten gesellschaftlichen Fragen thematisieren sollten: das Recht auf die Stadt; Inklu- sion und Ausgrenzung; die Spannung zwischen Regeln und Freiheit, Aktivismus und Spiel, Wettbewerb und Zusammenarbeit; das Bedürfnis, die dunkle Vergan- genheit freizulegen und die Notwendigkeit, neu über wechselseitige Abhängig- keiten auf diesem Planeten nachzudenken. Wir verbanden den Begriff „radikal“ in seiner Bedeutung als politische Verpflichtung zur Verwurzelung mit der Funk- tionalität der Spielplätze, die zu den einladenden unter den öffentlichen Orten und Zufluchtspunkten des städtischen Lebens gehören, auf denen Konzepte zukünftiger Pädagogik geübt und ausgeübt werden. Die Geschichte der (westlichen) Spielplätze: Inklu- sion und Ausgrenzung In ihren ideologischen und gesellschaftlichen Kontexten sind Spielplätze Ver- suchsfelder dafür, wie sich die Gesellschaft neu erfindet und gestaltet. Während Museen dazu gedacht sind, Objekte aufzubewahren, sind Spielplätze temporärer Natur und werden laufend erneuert, renoviert und ausgetauscht. Daher ist es fast unmöglich, Architektur für Kinder zu finden, die vor zehn Jahren errichtet wurde. Die Stadtplanerin Gabriela Burkhalter erforscht und dokumentiert seit mehr als zwanzig Jahren die unbekannte Geschichte der Spielplätze, hauptsäch- lich in Deutschland, aber auch an anderen Orten. Ihre Ausstellung The Playground Project befand sich im Zentrum von Radical Playgrounds und beherbergte auch Yvan Pestalozzis originale, bespielbare Skulptur Lozziwurm aus dem Jahr 1972. Während die Kinder durch das Rohr krabbelten, konnten die Erwachsenen Schlüsselmomente der westlichen Spielphilosophie aus den 1880er-Jahren betrachten. Ein besonderer Abschnitt der Ausstellung beschäftigte sich mit Spielplätzen in Ost- und Westberlin. Zwar spielten auf beiden Seiten der Berliner Mauer gleichermaßen Kinder, sie wurden dabei aber von unterschiedlichen pädagogischen Vorstellungen angeleitet. In den letzten Jahren haben zahlreiche 60

Yvan Pestalozzi, Lozziwurm, 1972 soziale Projekte in Kenia oder Indien Spielplätze dazu genutzt, Stadtteile aufzuwerten. Mit The Playground Project zeigte Gabriela Burkhalter, dass das Spiel und die Architektur von Spielplätzen stets politisch sind und auch, wie Spielplätze jenseits einer eurozentrischen Sichtweise umgesetzt werden. Wir denken oft (und gerne), dass das Spielen von Inklusion, Spaß und fairem Austausch geprägt ist. Trotzdem erinnern sich die meisten von uns an Momente, in denen sie sich ausgeschlossen gefühlt haben. Die Künstlerin Céline Condorelli beschäftigt sich seit langem mit Spiel, Arbeit und Freizeit, aber auch mit Fragen von Ausgrenzung. In ihrer großflächigen öffentlichen Ausstellung Play for Today (2021 / 2024) legte sie mehrere Felder von Sportarten wie Fuß- ball, Badminton, Leichtathletik, Pétanque und Volleyball zusammen. Die Linien der Felder waren in den offiziellen Farben der Spiele, in orange, rot, weiß oder gelb, aufgemalt. Entlang der Linien waren Jahreszahlen aufgezeichnet: 1920, 1921, 1926, 1952, 1956 und 1977, die anzeigten, seit wann es Frauen erlaubt ist, an internationalen Wettbewerben in diesen Disziplinen teilzunehmen. Die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland war bei allem Hype eine männliche (und überwiegend heterosexuelle) Veranstaltung; die Diskussion über die Inklu- sion von Trans-Sportler*innen und die Sichtbarkeit des Frauenfußballs dauert an. Als Eltern weiß man, wie oft man vermitteln muss, wenn jemand sich Gründe einfallen lässt, warum andere nicht mitspielen dürfen. Hochkultur und Alltag, Ernst und Heiterkeit Tatsächlich geht es im Spiel und in der Kunst darum, sein Selbst zu einem gewis- sen Grad aus einer Situation herauszulösen, aber auch um das Vergnügen, sich von ausgedachten Regeln leiten zu lassen. Ein Kerngedanke der Spieltheorie, ausführlich untersucht von Johan Huizinga, Lew Wygotsky und anderen, be- sagt, dass der Mensch spielen muss, um sich zu entwickeln, und dass das Spiel auf freiwilliger Teilnahme, einem Regelwerk und der Möglichkeit basieren sollte, jederzeit aufhören zu können. Dieses „Spielen“ könnte ein Flirt sein, eine Lern- 61

The School of Mutants, The Dig, 2024 Vitjitua Ndjiharine, Networked Constellations, 2024 gruppe, ein Treffen zum Beachvolleyball oder eine Runde Versteckspiel. Zwei Arbeiten, Jun Juyu Juxuj / Ein Berg von Zeichnungen (2024) von Edgar Calel und The Dig (2024) von The School of Mutants in Zusammenarbeit mit der Wissenschaftlerin und Künstlerin Stella Flatten, wählten einen Sandkasten beziehungsweise eine Abenteuerpyramide, um damit ernste Themen zu ver- handeln. Graben, freilegen, die Hände in den Sand stecken, eine Burg bauen, ein Loch graben und es wieder zuschütten – wir alle haben schon im Sand gespielt. The Dig war eine Spielart einer dekolonialen Sandgrube und eine Ausgrabungs- 62

stätte, die auf dem grundlegenden Bedürfnis danach beruhte, Verborgenes ans Tageslicht zu bringen. Sie befand sich dort, wo früher das erste ethnologische Museum Deutschlands stand, das Königliche Museum für Völkerkunde. Aus- gangspunkt der Installation war es, ein Loch zu graben und so tatsächliche und symbolische Schichten aus Staub, Schotter und Kies freizulegen. Aber auch zerbrochene Artefakte, Überreste des Museums selbst, kamen zutage. So bezog sich die Arbeit auf lokale Kolonialgeschichte, auf Vergangenes, das totgeschwie- gen und verdrängt wurde. Das Museum wurde 1961 abgerissen, seine Trümmer eingeebnet und das Gelände zum Parkplatz gemacht. Gleichzeitig verwies The Dig auf die Geschichte einer lokalen, antifaschistischen Gruppe, die sich in den frühen 1980er-Jahren auf der anderen Seite des Gropius Bau zu Ausgrabungen getroffen hatte, wo einmal das Hauptquartier der Gestapo gewesen war (und heute das Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ steht). Durch das Freilegen des Geländes über dem früheren ethnologischen Museum rief The Dig dazu auf, sich für restaurative Gerechtigkeit die Hände schmutzig zu machen. Edgar Calels Arbeit Ein Berg von Zeichnungen dekonstruierte westliche Wissenssysteme und setzte sie neu zusammen. Seine Ausgangspunkte waren eine echte Pyramide aus der klassischen Stadt Takalik Abaj sowie die Tatsache, dass einige der ersten Artefakte, die in das Königliche Museum für Völkerkunde gebracht worden waren, aus Guatemala stammten, wo der Künstler geboren worden war. Calel bezog die Besucher*innen in einen ständigen Prozess der Erschaffung der unvollständigen Maya-Pyramide ein. Calels Pyramide wurde, nachhaltig, regional und umweltfreundlich, aus Stroh gebaut. Auf manche Ballen waren Glyphen aufgezeichnet, die die zwanzig Nahuales des Maya-Kalenders repräsentierten. Die Arbeit reflektierte die Auffassung der Maya, nach der die Welt der Geister mit der materiellen Welt koexistiert und die Nahuales die Energie eines jeden Tages bestimmen. Ein Berg von Zeichnungen war bei den Besucher*innen allzu beliebt und wurde schneller als erwartet zu einem Stroh- haufen. Ich hatte das vorausgesehen und den Künstler gefragt, ob wir die Arbeit sichern oder sie von den Kindern und Erwachsenen allmählich zerstören lassen sollten. Ohne zu zögern, entschied sich Calel für Letzteres. Networked Constellations (2024) von Vitjitua Ndjiharine thematisierte ebenfalls die Topografie des nicht mehr existierenden ethnologischen Museums. Die Künstlerin verwendete dafür eine Wand aus Stoff, bedeckt mit Straßen, Landkarten, Pfaden und Anordnungen von Raum und sozialer Infrastruktur ihres Heimatlandes Namibia. Dieser Vorhang war die Fortsetzung einer fortlaufenden Untersuchung des Areals, einer Zusammenarbeit mit Dekoloniale Berlin, die sich mit kolonialen Hierarchisierungen und dem Verlernen dominanter Narrative in Berlin beschäftigt, darunter auch das problematische Erbe des Königlichen Museums für Völkerkunde. Im Jahr 2022 hatte Ndjiharine am gleichen Ort eine Reihe von Flaggen angebracht und damit Narrative von Schwarzer Geschichte und Schwarzem Widerstand in Berlin thematisiert. Zur gleichen Zeit brachte das FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum im Rahmen seiner antirassistischen Re-Interpretation des Raums an der Ecke Niederkirchnerstraße / Stresemann- straße eine Erinnerungsplakette an. Networked Constellations verband das Imaginierte, Symbolische, Verspielte, Performative, Politische, Verborgene, Offensichtliche und Intersektionale miteinander und zeigte so, dass es mehr als eine Art des Erinnerns gibt und dass Erinnerung multi-direktional gelesen werden muss. 63

Kollektive Intelligenz Agnieszka Kurant betrachtete in ihrer Installation Quasi-Objects (2024) das Konzept der kollektiven Intelligenz sowie den Umstand, dass es bei Spielen keine individuellen Autor*innen, Erfinder*innen oder Designer*innen gibt. Fuß- ball, Bumerang, Springseil, Domino, Schach oder Drei-Gewinnt wurden nicht von einer Einzelperson erfunden. Spiele haben sich über Jahrtausende durch die Zusammenarbeit von Menschen in aller Welt auf unvorhersehbare Art und Weise entwickelt und sind Teil des globalen Gemeinguts. Die Installation umfasste eine Weltkarte sowie bespielbare, hybride Skulpturen. Diese Skulpturen waren von einer KI auf der Basis eines Datensatzes zur Geschichte von Spielen generiert worden. Durch maschinelles Lernen waren zwei neue Spiele erfunden worden, deren Regeln wir nicht kannten. Am Morgen der Eröffnung hatte ich noch Sorge, dass sie den Kindern zu fremdartig sein könnten. Glücklicherweise hatte ich mich geirrt: Schon nach wenigen Minuten waren die Objekte belagert. Ganz in der Nähe konnten die Besucher*innen zwei Birkenschaukeln namens A Birch Tree Burr Swing (2024) ausprobieren, die der sámische Archi- tekt Joar Nango für einen sámischen Spielplatz in Jokkmokk entworfen hatte. Er arbeitet mit dem Begriff der „indigenuity“, der sich aus den englischen Wörtern „ingenuity“ (Einfallsreichtum) und „indigeneity“ (Indigenität) zusammensetzt. Bei diesem Konzept wird eine dekoloniale und politische Perspektive eingenom- men und mit Materialien gearbeitet, die vor Ort vorhanden sind, in diesem Fall mit Maserknollen von Birkenstämmen. Das sind runde, rhizomartige Auswüchse, die man in ganz Sámpi findet, dem indigenen Land, das sich über Fennoskan- dia erstreckt, also über Teile von Norwegen, Schweden, Finnland und Russland. Traditionell werden die Maserknollen zur Herstellung von heiligen Sámi-Trommeln oder von Milchgefäßen benutzt. Die Sámi folgen bei der Verarbeitung dem Prinzip, zu nutzen und zu respektieren, was in der Natur vorhanden ist. Sie verbinden das Archaische mit dem Ökologischen und betonen so das zyklische Wesen einer Existenz, in der die Menschen die Natur schützen, statt sie auszubeuten. Auf dem Skywalk im Pavillon Geheimer Garten war ein Wandbild von Irad Verkron zu sehen, eine Kombination aus mathematischer Zeichnung und der Ge- schichte einer Suche nach einer verlorenen Spielgefährtin. Man könnte Ventre de Leão (a História de uma amizade) (2024) mit „Der Bauch des Löwen (Geschichte einer Freundschaft)“ übersetzen. Verkron wurde in der DDR geboren und zog im Alter von neun Jahren nach Angola. Durch diesen Umzug wurde sie von ihrer Spielkameradin, ihrer ersten wichtigen Freundin, getrennt. Ihr Wandbild ist eine Hommage an das Spiel als menschliche Verbindung, die oft keine Grenzen kennt, Unterschiede akzeptiert und aus dem einfachen menschlichen Bedürfnis nach Zugehörigkeit erwächst. Von der Spitze der Freispielhalle aus konnte man Mariana Tellerias dysfunk- tionales Karussell We Are the Limit of all Things / Somos el límite de las cosas (2011 / 2024) in Gänze sehen. In diesem “platonischen und unvollkommenen” Karussell zeigte sich das zyklische Wesen der Gefühle; von Freude zu Schmerz, Euphorie zu Traurigkeit. Die Installation erinnerte manche Besucher*innen an zerstörte Spielplätze, wie man sie heute in Gaza, der Ukraine, dem Libanon und andernorts sieht, wo Kinder die Hauptlast des Leids ertragen müssen. Für andere glich es einem psychoanalytischen Instrument, das versucht, uns mit der ganzen Tiefe unserer primären Gefühle zu verbinden. Eine Plattform, die sich eigentlich hätte drehen müssen, wurde durch die Platanen angehalten und stillgelegt und erzählte letztlich von der Unmöglichkeit einer Wiederkehr der Dinge und vom er- wachsenen Leben als einer Art Exil aus der Kindheit, wie es Walter Benjamin in seinem Text Berliner Kindheit um 1900 einmal genannt hat. 64

Irad Verkron, Ventre de Leão (a História de uma amizade), 2024 Mariana Telleria, We Are the Limit of all Things / Somos el límite de las cosas, 2011 / 2024 Spiel-Plätze für Spinnen und Insekten Die beiden tragbaren Skulpturen Love Me, Love Me Not (2024) von Ingela Ihrman richteten sich gleichermaßen an Kinder und Erwachsene. Schon seit einigen Jahren entwickelt die schwedische Künstlerin Kostüme, die eine Distanz zur realen Welt herstellen und die Menschen wieder mit Nicht-Menschlichem in Be- ziehung bringen sollen. Hier boten die an Gänseblümchen erinnernden Kostüme Gelegenheit für solch eine Re-Kontextualisierung. Als Blume verkleidet konnten die Besucher*innen frei die eigene Schüchternheit, ihr Bedürfnis nach Aufmerk- 65

Tomás Saraceno, PlayGround Spider / web vibration, divination… for the terrestrial and cosmic web(s) of life, 2024 samkeit oder andere Wünsche ausdrücken. Für einen kurzen Moment wurden sie zu einer allmächtige Blume, die allerdings ein tragisches Ende findet: Um die Antwort auf ein emotionales Dilemma zu erfahren, werden ihre Blütenblätter ab- gerissen. Tomás Saraceno, die Projektgemeinschaft Arachnophilia und weitere Forscher*innen arbeiteten in Play-Ground Spider / web vibration, divination… for the terrestrial and cosmic web(s) of life (2024) daran, die Möglichkeiten von Beziehungen zwischen und innerhalb der Arten, in diesem Fall Spinnen und ihren Netzen, zu erweitern. PlayGround, entwickelt im Gespräch mit Roland Mühle thaler, einem Mitglied von Arachnophilia, war eine begehbare Installation, in der die Pflastersteine mit der Frequenz von Spinnweben und dem kosmischen Netz vibrierten. Wie man auf Spielplätzen beim Spielen lernt, so konnte man hier durch die Einbeziehung des Bodens ganz andersartige Lektionen über die (Wieder-)Erschaffung des Planeten lernen. A Fountain of Knowledge (2024) von Raul Walch lud die Besucher*innen zu einer angenehmen Abkühlung unter Bäumen ein. Der Künstler betonte mit dieser Arbeit die lebensnotwendige Funktion von Wasser. Sein Brunnen be- fand sich in einem Teich, dessen Form der Wärmebildkarte von Berlin an einem der heißesten Tage der vergangenen Jahre abgeschaut war. Zudem rekonstru- ierte Walch eine Variation des MaxiBaukastens von Ute Fritzsch als modulare Kissen installation. Sie ähnelte einem großen, unvollständigen Puzzle, aus dem man sich beispielsweise ein kleines Haus oder ein Versteck bauen konnte. Beide Arbeiten machten spielerisch das Grundrecht des Menschen auf öffentlichen Raum und Zugang zu Wasser geltend. Walchs Brunnen konnte durch Fahrradfahren aktiviert werden. Wie man den Schritt vom Verbrennermotor zur Muskelkraft, also zum Beispiel vom Auto zum Fahrrad, gestalten könnte, war eines der wichtigen Themen, mit denen sich Martin Kaltwasser bis zu seinem Tod 2022 beschäftigt hat. Kaltwasser hatte bereits 2015 in Nordrhein-Westfalen eine Halle errichtet, in der mithilfe von Fahrrädern Energie erzeugt und dazu genutzt werden konnte, Geräte aller Art zu betreiben. In seinem Sinne und mit Material aus dem von ihm angelegten Fundus 66

Martin Kaltwasser + Freund*innen | Friends, Kraftwerk 2, 2005 / 2024 entstand in Zusammenarbeit mit Freund*innen und Fans von Martin Kaltwasser das Kraftwerk 2 (2005 / 2024), ziemlich genau an dem Ort, an dem er im Jahr 2005 schon einen Vorschlag für ein Einfamilien-Musterhaus, dessen Baustoffe zu großen Teilen wiederverwendet waren, aufgestellt hatte. Kraftwerk 2 machte noch einmal deutlich, welche Themen für Kaltwasser besonders wichtig waren: Mobilität und der sparsame Verbrauch von Ressourcen. In der Kunst werden Träume wahr Zwei performative Positionen, Auftragsarbeiten von Massimo Furlan und Alice Chauchat, näherten sich dem Spiel aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Furlan beschreibt sich selbst als gescheiterten Fußballer. Auf sehr persön- liche, heroische und poetische Art stellt er Spielzüge von großen Fußball- Persönlichkeiten in legendären Partien nach. Im Juni 2024 führte Furlan in Berlin gemeinsam mit der queeren Aktivistin Tanja Walter-Ahrens Ein Reenactment des WM-Fußballländerspiels DDR–BRD 1974 auf. Das einzige direkte Duell der beiden deutschen Mannschaften war damals überraschend mit 1:0 zugunsten der DDR ausgegangen. Da sich beide Teams bereits qualifiziert hatten, ging es hier vor allem um eine politische Begegnung zwischen zwei Ländern, die sich erst kurz zuvor gegenseitig anerkannt hatten. Furlan spielte als Torhüter Sepp Maier und Tanja Walter-Ahrens war Jürgen Sparwasser. Das Publikum konnte mithilfe der Original-Radiokommentare die parallelen Realitäten in Ost und West verfolgen. Damals wie heute ging es in diesem Spiel weniger um das Tor als um tieferliegende Machtmechanismen und Repräsentationspolitik. Aufgeführt wurde das Reenactment auf der Niederkirchnerstraße, wo früher die Berliner Mauer stand, gleich vor dem Gropius Bau. Diese historische Begegnung heute nachzuspielen, verlegte das Augenmerk von seiner geschichtlichen Bedeutung hin zu Fragen von gender bias und aktuellen Asymmetrien des Lebens als auch des Sports. 67

Florentina Holzinger, Halfpipe. Bent Metal on 2 Cars, 2024 Im Pavillon Geheimer Garten war eine dörflich anmutende Tanzfläche aufgebaut. Dorthin lud Alice Chauchat zu ihren Dance Gatherings ein. Zu Partituren, die von Playworker*innen oder Besucher*innen selbst aktiviert wurden, regte Chauchat dazu an, Tanz als telepathische Kommunikation, soziale Aktivität, kollektiven Prozess und unerprobte Begegnung zu verstehen und auszuüben. Mit ihren Partituren wollte die Künstlerin paradoxe Beziehungen konstruieren – distanzierte Intimität, aufmerksame Autonomie, unpersönliches Engagement, Vergnügen und unbekanntes Spiel – und damit Intimität über alle Unterschiede hinweg her- stellen. Neben dem Pavillon Geheimer Garten ist Florentina Holzingers Halfpipe. Bent Metal on 2 Cars (2024) das einzige Kunstwerk von Radical Playgrounds, das weiterhin auf dem Gelände stehen wird. Es ist als ihre erste skatebare Rampe auch Holzingers erste Skulptur. Sie wurde als Experiment und Spiel- objekt zugleich entwickelt und greift Elemente aus Holzingers bisheriger künst- lerischer Arbeit auf, wie zum Beispiel zweckentfremdete und zerstörte Autos oder auch feministische Ansätze, öffentlichen Raum zu lesen und sich zu eigen zu machen. Gemeinsamkeit ist trotz aller Unterschiede möglich Workshops, Aktivierungen und Guerilla-Aktionen, die an jedem Wochenende stattfanden, ergänzten das immaterielle Erbe von Radical Playgrounds. Diese Veranstaltungen boten eine Art Training in der Kunst, sich in einer Zeit der Un- einigkeit miteinander zu verbinden. In vielen Pavillons fanden Aktivitäten statt, darunter Mediationen, Bürgerversammlungen oder Live-Rollenspiele. Die Aus- stellung wuchs und gedieh durch die Heterogenität von Kunstwerken und Ak- tivierungen, eine große Zahl von Besucher*innen, Eltern (die ihre Kinder nicht durchgehend beaufsichtigen mussten), vorbeiziehenden Demonstrationen, Familien und Nachbar*innen, lokalen Organisationen, Architekturkollektiven, Spielplatzexpert*innen, Kunstliebhaber*innen, Spaziergängen, Gesprächen, 68

Pizza, Postergestaltung und Sonntagsbrunch. Dies alles war eine riesige Heraus- forderung für Team und Playworker*innen, aber sie gaben niemals auf. In all seiner Verrücktheit war Radical Playgrounds auch durch eine „liebevolle Verspieltheit“ inspiriert, wie es María Lugones nennt – ein nicht-antagonistischer Ansatz, sich mit anderen zu verbinden, ohne Arroganz oder Wettbewerbsdenken. Wir Men- schen scheitern immer wieder beim Versuch, diese liebevolle Verspieltheit zu erreichen. Bei diesem Projekt lieferte die Teilhabe nicht nur gute Bilder, sondern funktionierte tatsächlich wie eine potentielle Tür, die laut Lugones „eine Bereit- schaft zur Selbst-Konstruktion oder Rekonstruktion und zur Konstruktion und Rekonstruktion der ‚Welten‘, die wir spielerisch bewohnen“ ermöglicht. Außerdem zeigte Radical Playgrounds, was Museen von Spielplätzen lernen können: wie man die Kunst mit einer Kombination aus Hoch- und Alltags- kultur, Ernst und Heiterkeit, politisch und gesellschaftlich für alle Sinne erlebbar machen kann. Und wie wir uns von den kulturell männlichen und einschüchtern- den westlichen Kodizes verabschieden, auf denen sie basieren. Viele Menschen, die sich nicht trauen würden, ein Museum zu betreten, haben sich in unserer konzeptuellen Ausstellung wohlgefühlt. Wir freuen uns sehr, dass ein Teil von ihr – eine Variation von Gabriela Burkhalters Ausstellung The Playground Project – von Frühling 2025 an als Ergänzung des permanenten Spielorts BAUBAU ge- zeigt werden wird.21 Andere Pavillons und Installationen haben eine neue Heimat bei verschiedenen Berliner Bürgerinitiativen gefunden. Radical Playgrounds fand zudem in einer Zeit statt, als an vielen Orten der Welt Krieg herrschte, und war letztlich auch eine Übung darin, wie man trotz aller Unterschiede als Fremde zusammenkommen und Hoffnung und Resilienz fördern kann. Im Spiel mitei- nander können wir die Ausgangssituation ständig ändern und Regeln vereinbaren. Wir können uns zurückziehen und wieder zusammenkommen. Wir können Worte für das finden, was schwierig und schmerzhaft ist oder bisher ungesagt blieb. Bei uns selbst wirken die Ideen von Radical Playgrounds nach und werden sicher neu Gestalt annehmen, in Experimenten mit vielseitigen öffentlichen Räumen, die von diversen Altersgruppen und Backgrounds von verschiedenen Stand- punkten aus auf unterschiedliche Weisen verstanden werden können und in denen Kunst auf den Alltag trifft – was auch immer daraus entstehen mag. Und: Mein Sohn ist mit seiner Schulklasse gekommen und sie hatten Spaß! Ich war sehr erleichtert. 21 BAUBAU. Ein Spielort für Kinder, künstlerische Gestaltung durch Kerstin Brätsch, kuratiert von Jenny Schlenzka, Patrizia Dander und Sonja Borstner, ab 4.9.2024, Gropius Bau, Berlin. 69

In recent years, I have spent far more hours at playgrounds than at art venues. When I go to a playground with my son, it is not always something that I look forward to. It is the same for him when I drag him to an opening, or a museum. We tend to make deals with each other. Play for art, art for play – one imaginary field for another. The game is how to make the other play your game. Lately, I’ve noticed the dynamics, architecture and vibe while hanging out on various and numerous Spielplätze, be it in Berlin, Warsaw, Dublin, Havana, Pristina or else- where. Slowly I started to see them as a unique kind of sculpture park and began looking for a hidden meaning in them. I wanted to see what they represent, and what they might make us, the critical grown-ups, imagine. I started to nurture a need for playgrounds to be more multidirectional, multilayered, offering possi- ble transgenerational semiotic and cultural readings. What if a wooden pirate ship, the perfect setting for children’s sailing adventures, also enabled an ex- periment in radical social justice? Could its deck be an embodied place for, say, David Graeber’s posthumous book Pirate Enlightenment, or the Real Libertalia, looking at the proto-democratic pirate practices beyond their usual romance and fantasy? At the same time, my question as a curator has always been how to change the “habitus” of contemporary art venues so they become places in which you experience art – just as playgrounds let you experience the dilemmas of a changing society – with all five senses. In 2023, architect Benjamin Foerster-Baldenius from the architecture collective raumlaborberlin and myself were invited by the director of the Berliner Festspiele Matthias Pees to develop a public art exhibition at Gropius Bau dealing with the subjects of “game” and “play” to accompany the 2024 (men’s) European Football Championship in Germany. We started to exchange play- ground knowledge, to talk about playability, competition and collaboration, the city and access to culture. Our parental knowledge was telling us that play- grounds could inspire the exhibition to become a place that speaks to everyone, not only with words, but also with emotions, sounds and feelings. Architect Lina Bo Bardi famously said that every museum deserves a playground. Inspired by her legacy and responding to the commission, we came up with the concept of Radical Playgrounds, a project bringing together a conceptual Spielplatz, a sculpture park, an extension to the museum and a temporary funfair, shifting the focus from competition to collaboration. Our experiment would attach itself to Gropius Bau for eleven weeks with artworks and pavilions. There would be no guards but a team of playworkers to activate the space; the exhibition would not be ready at the opening but would grow through a series of workshops and acti- vations. We set out on an idea to exercise public space as a place for encounters with strangers through the medium of game and play. Radical Swings or Playing Fields At Radical Playgrounds, many things seemed ordinary: there was a swing, a water fountain, a labyrinth – but behind them lay many radical layers such as concrete social and political realities. We invited sixteen artists and artist groups to develop installations and pavilions using the vocabulary of playgrounds in order to speak about some of the most relevant topics in society: the right to the city; inclusion and exclusion; the tension between rules and freedom, activism and play, competition and collaboration; the need to unearth the dark past bur- ied underground; and the necessity to rethink interdependence on this planet. We merged the term “radical” in its meaning as a political commitment with being rooted and the functionality of playgrounds as some of the most welcom- 71

ing of public spaces and refuges in urban life, where ideas of future pedagogy are exercised and performed. The History of the (Western) Playgrounds: Inclusion and Exclusion With their ideological and social contexts, playgrounds are a testing ground of how society re-invents and re-imagines itself. Whereas museums exist to pre- serve objects, playgrounds are temporary and their concepts keep being updated, renovated, exchanged; hence, it is almost impossible to see the architecture created for children from a decade ago. Gabriela Burkhalter, a city planner and a playground historian, has researched and documented the unknown history of the playgrounds, mostly in Europe, but also in other places, for over twenty years. Her exhibition The Playground Project sat in the middle of Radical Playgrounds and included the original playable sculpture Lozziwurm by Yvan Pestalozzi from 1972. While children crawled through the tube, the adults could look at some key moments of the Western play philosophy from the 1880s. A special part of her exhibition was devoted to playgrounds in East and West Ber- lin, since children played on both sides of the Berlin Wall but guided by different pedagogical visions. In recent years, many social projects in Kenya or India used playgrounds as a way of improvement of various neighbourhoods. In The Play- ground Project Burkhalter showed that play and the architecture of playgrounds are always political and how they have been applied beyond the limitations of the Eurocentric lens. We tend to think (and want think) of play as a form of inclusion, fun and fair exchange. And yet most of us remember moments when we felt left out. Artist Céline Condorelli has long engaged with the topics of play, work and leisure, but also of exclusion. In her large public art installation Play for Today (2021 / 2024) she merged several fields for games including football, badmin- ton, track, pétanque and volleyball. The lines of the fields were painted in their official colours, be they orange, red, white or yellow. Somewhere along them one notices dates: 1920, 1921, 1926, 1952, 1956 and 1977. They mark the years in which women were allowed to compete in international tournaments. The European Football Championship in Germany, with all its hype, was in fact a male (and predominantly heterosexual) championship, and there is an on-going discussion about the inclusion of trans athletes and the visibility of women’s football. As a parent you know well how you often negotiate between those who find reasons why others shouldn’t play. High and Low, Serious and Funny Play and art actually both strive for some degree of removal of ourselves from a situation, but also for the pleasure of being guided by imaginary rules. The core idea of ludology, analysed at length by Johan Huizinga and Lev Vygotsky, among others, is that play is necessary for a human being to thrive and needs to be based on a voluntary partaking, a set of rules and the ability to quit at any time. Here, “play” can be a flirtation, a study circle, a beach ball-meeting or a game of hide-and-seek. Two works in particular, those of Edgar Calel in Jun Juyu Juxuj / A Mountain of Drawings (2024) and The Dig (2024) by The School of Mutants in collaboration with the scientist and artist Stella Flatten, tried to tackle the most serious topics through the tool of a sandbox and an adventurous pyramid. 72

Céline Condorelli, Play for Today, 2021 / 2024 Edgar Calel, Jun Juyu Juxuj / Ein Berg von Zeichnungen | A Mountain of Drawings, 2024 To dig, to unearth, to stick one’s hands in the sand, to build a castle, to make a hole and then to fill it up – we have all played with sand in one way or another. The Dig was a mutation of a decolonial sandpit and an excavation site, based on the fundamental human need to uncover what has been hidden. It was created on the site where Germany’s first ethnological museum (Königliches Museum für Völkerkunde) once stood. The starting point of the installation was the digging of a hole, revealing literal and symbolic layers of dust, grit and gravel, but also the very remains of the museum itself, including broken artefacts. It thus referred to local colonial history and to what once was, but has been 73

Joar Nango, A Birch Tree Burr Swing, 2024 Agnieszka Kurant, QuasiObjects, 2024 silenced and repressed. The museum was demolished in 1961, its debris put into the ground and the area turned into a parking lot. At the same time The Dig also related to the history of a local anti-fascist digging. On the other side of Gropius Bau, where the “Topography of Terror” Documentation Centre now stands, an activist group called Aktives Museum met in the early 1980s to dig where the Gestapo headquarters once stood. In our case the opening of the grounds of the former ethnological museum, with the other civic digging, was a call for a reparative justice by making your hands dirty. 74

Further down, A Mountain of Drawings by Edgar Calel deconstructed and re-built Western systems of knowledge. His starting point was an actual pyramid cast as a playground of a Mayan boy, and, at the same time, the fact that some of the first artefacts taken to the Royal Ethnological Museum came from Gua- temala, where the artist was born. Calel engaged visitors in a perpetual act of building and rebuilding an incomplete Mayan pyramid from the ancient city of Takalik Abaj. To erect it, we used straw, which is sustainable, local and environ- mentally friendly. Some of its blocks were covered with glyphs that represent the twenty nahuales of the Mayan calendar. The piece reflected the Mayan cosmo- vision whereby the spirit and the material world coexist, and nahuales determine each day’s energy. A Mountain of Drawings was loved too much and turned into a heap of straw sooner than expected. Seeing it coming, I asked the artist whether to secure the work or let it be dismantled by children and adults. With- out hesitation, Calel decided on the latter. Networked Constellations (2024) by Vitjitua Ndjiharine tackled the same topography of a once-extant ethnological museum through a textile wall over- lapped with streets, maps, paths and constellations of space and social infra- structure from the artist’s native Namibia. This curtain was a continuation of an ongoing examination of the area in collaboration with Dekoloniale Berlin, focusing on colonial stratifications and the unlearning of dominant narratives in Berlin’s public space, including the problematic legacy of the Royal Ethnolog- ical Museum. In 2022, Ndjiharine installed a series of flags at the site, archiv- ing narrative of Black history and resistance in Berlin. At the same time, FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum installed a commemorative plaque at the corner of Niederkirchnerstrasse and Stresemannstrasse as part of its anti-racist reinterpretation of the space. Networked Constellations merged the imaginary, symbolic, playful, performative, political, hidden, obvious and intersectional, showing that there is no one way of remembering, and the memory needs to be read in a multidirectional manner. Collective Intelligence Agnieszka Kurant looked at the concept of collective intelligence and the fact that games do not have individual authors, inventors or designers in her installa- tion QuasiObjects (2024), a study of games. No single person invented football, the boomerang, skipping rope, dominoes, chess or tic-tac-toe. Games evolved in unpredictable ways through the collaboration of people from around the world over millennia, and we can see them as part of the planetary commons. Next to a map were her playable, hybrid sculptures generated by AI using a dataset cre- ated from the history of games. Machine learning invented two new games, the rules of which are unknown to us. On the morning of the opening, I was afraid that children would ignore them, since they were so alien. Luckily, I was wrong. They were taken over within minutes. Nearby, visitors were invited to use A Birch Tree Burr Swing (2024) designed by the Sámi architect Joar Nango for a Sámi playground in Jokkmokk. The artist works with the term “indigenuity”, a combination of the words “ingenu- ity” and “indigeneity”, referring to a philosophy that utilises what is available and adopts a decolonial and political perspective. Burrs on birch trunks are rounded, rhizome-like outgrowths found throughout Sámpi, the indigenous lands that stretch across Fennoscandia, i. e. parts of Norway, Sweden, Finland and Russia. Traditionally, burrs are used to make sacred Sámi drums and containers for milk. The Sámi follow the principle of utilising and respecting what is available 75

Ingela Ihrman, Love Me, Love Me Not, 2024 in nature, combining the archaic and the ecological, and emphasising the cycli- cal nature of existence in which humans protect nature instead of exploiting it. On the Skywalk, in the Secret Garden pavilion, visitors encounter a mural by Irad Verkron fusing a mathematical drawing and a story involving the search for a lost childhood playmate. Ventre de Leão (a História de uma amizade) (2024) can be translated as “The Belly of the Lion (the Story of a Friendship).” Verkron was born in the GDR and moved to Angola at the age of nine. In that move, she lost a childhood playground friend and a first true connection. Her mural is a tribute to play as a human relation, which, in some cases, sees no borders, embraces difference and thrives on the simple human need to belong. From the top of the Main Hall, one could see the full shape of the dysfunc- tional carousel by Mariana Telleria, We Are the Limit of all Things / Somos el límite de las cosas (2011 / 2024). This “platonic and imperfect” merry-go-round harboured the cyclical nature of feelings ranging from joy to pain, euphoria to sadness. To some, it recalled ruined playgrounds like those seen today in Gaza, Ukraine, Lebanon and elsewhere, where children bear the brunt of suffering. To others it was a psychoanalytic tool attempting to connect us with the depths of our first emotions. The revolving deck, now paused and immobilised by plane trees, ultimately spoke about the impossibility of a return of all things, and about adult life as a kind of exile from our childhoods, to borrow the words of Walter Benjamin in his Berlin Childhood around 1900. Play-Grounds for Insects and Spiders Ingela Ihrman’s two wearable sculptures, Love Me, Love Me Not (2024) were addressed to adults and children alike. For a few years now, the Swedish artist has created costumes as a way of achieving a mental distance from the real world and reconnecting humans with non-humans. Here, the daisy-like cos- tumes provided an opportunity for such re-contextualisation. By embodying a flower, one could freely express one’s own shyness, need to attract attention 76

Raul Walch, A Fountain of Knowledge, 2024 or desires. Visitors were invited to become an all-powerful flower for a brief mo- ment, ending tragically with petals being torn apart, especially when we demand an answer to an emotional dilemma. Together with spiders and their webs as well as scientists, Tomás Saraceno and the project-community Arachnophilia have also expanded the possibilities for inter- and intra-species relations in their PlayGround Spider / web vibration, divination… for the terrestrial and cosmic web(s) of life (2024). Developed in conversation with Arachnophilia member Roland Mühlethaler, Play-Ground was a walk-in installation where cobblestones shake according to the frequencies of spiderwebs and the cosmic web. If playgrounds are places where we learn through play, this area offered other lessons in planetary (re-)creation, where the ground was at play. A Fountain of Knowledge (2024) by Raul Walch invited visitors to cool off under the trees, paying tribute to water as a necessity. The fountain was located in a pond that resembled a thermal map of Berlin on some of the hot- test days in recent years. Walch also reconstructed a variation of GDR designer Ute Fritzsch’s Maxi-Baukasten as a modular cushion installation. It resembled a large, incomplete puzzle that could be used to build a small house or a hiding place. Both works playfully exercised people’s basic rights to public space and the element of water. Walch’s fountain could be activated by cycling. How to make the transition from combustion engines to muscle power, from cars to bicycles, was a domi- nant question for Martin Kaltwasser, who died in 2022. Kaltwasser had already built a hall in North Rhine-Westphalia in 2015, where energy could be generated with the help of bicycles and then used to power all kinds of devices. In his spirit and with materials that he had gathered, we set up Kraftwerk 2 (2005 / 2024) together with Martin Kaltwasser’s friends and fans, almost exactly in the same place where he had already erected a proposal for a single-family model house based on recycling in 2005. Kraftwerk 2 once again emphasised the issues that were particularly important to Kaltwasser: mobility and the economical use of resources. 77

In Art, Dreams Come True Two performative positions from the main commissions by Massimo Furlan and Alice Chauchat addressed play in very different ways. Furlan describes himself as a failed football player. Alone, he began to reenact the moves of major soccer protagonists in legendary games through his own heroic, lonely, and poetic play. In June 2024 in Berlin, together with the queer activist Tanja Walther-Ahrens, Furlan performed a Reenactment of the 1974 East Germany – West Germany World Cup Match that unexpectedly ended with the score 1–0. It was the only direct duel between both German teams to ever take place. Since both teams had already qualified, what was at stake was a political encounter between two countries that had only recently officially recognised each other. Furlan played Sepp Maier and Tanja Walther-Ahrens was Jürgen Sparwasser. The audience could tune in to the original radio commentaries of those parallel realities in East and West. This game, then and now, was less about the goal than the underlying power mechanics and politics of representation. The stage for that game was a street, Niederkirchnerstrasse, where the Berlin Wall once stood just in front of the Gropius Bau. This historical game performed today shifted from the histori- cal focus to gender bias and contemporary asymmetries in both sport and in life. Inside the Secret Garden pavilion, in a place resembling a village dance floor, Alice Chauchat invited everyone to her Dance Gatherings. In a series of scores activated by playworkers or visitors, she proposed dancing as telepathic com- munication, a social activity, a collective process and an unrehearsed encounter. Her scores were supposed to build paradoxical relationships: distant intimacy, attentive autonomy, impersonal commitment, enjoyment or an unknown play in order to build intimacy across differences. Besides the Secret Garden pavilion, the only artwork from Radical Play- grounds that will remain on the grounds is that of Florentina Holzinger. Halfpipe. Bent Metal on 2 Cars (2024) is the artist’s first skate ramp and her first sculp- ture. Conceived both as an experiment and a play object, it used various ele- ments from her previous works such as misappropriated and destroyed cars, as well as feminist ways of reading and appropriating public space. Coming Together Despite Differences The immaterial legacy of Radical Playgrounds includes a number of workshops, activations and guerilla actions that took place every weekend as a form of training in connecting to one another in the divisive times. Many of the pavil- ions were inhabited in unexpected ways as mediation places, civic assemblies or live action role playing fields. It offered a crazy heterogeneity that made the exhibition thrive with artworks and playworkers’ activations, a huge number of visitors, parents (who did not have to supervise their children at all times), passing demonstrations, families and neighbours, local organisations, archi- tectural collectives, playground experts, art-goers, walks, talks, pizza baking, poster making and Sunday brunches. All this was a huge challenge for the team and the playworkers; however, they did not give up. In all its craziness, Radical Playgrounds was also inspired by what María Lugones calls a “loving playability”, a way of non-antagonistic connection with the other, without arrogant percep- tion or competition. Something for which we as humans strive and constantly fail. Here, the participation not only looked good in pictures, but truly worked as Lugones’s potential door offering “openness to self-construction or reconstruc- tion and to construction or reconstruction of the ‘worlds’ we inhabit playfully.” 78

Massimo Furlan, Ein Reenactment des WMFußballländerspiels DDR–BRD 1974 | A Reenactment of the 1974 East Germany – West Germany World Cup Match, 2024 (l.: Tanja Walther-Ahrens, r.: Massimo Furlan) Alice Chauchat & Manuela Schininà, Dance Gathering, 2021–fortlaufend | ongoing Radical Playgrounds also taught us what museums can learn from play- grounds: namely, how to experience art with all senses, how to mix the high and low, serious and funny, and how to let go of the culturally masculine and intimidating codes Western art institutions were founded on. Many people who do not dare to cross the threshold of a museum still felt good at our conceptual exhibition. We are thrilled that a part of it – a variation of Gabriela Burkhalter’s exhibition The Playground Project – will live on at the Gropius Bau as of spring 2025, accompanying the permanent play space BAUBAU.22 Other pavilions and installations live an afterlife in various civic initiatives in Berlin. Finally, Radical 79

Playgrounds, taking place as it did during ongoing wars, was an exercise in how to come together as strangers despite our differences, fostering hope and resilience. While playing with each other, we are free to constantly change the situation and invent the rules. We can step back and come together again. We can find words to name what is difficult, painful or unsaid. For us, the ideas of Radical Playgrounds will continue in new forms of experimentation with multi- directional public space, read from various angles, ages, backgrounds and in diverse and decentralised ways, where high meets the low, and art the everyday life, for better or worse. And my son came with his school class and they enjoyed it! I was relieved. 22 BAUBAU. A Play Space for Kids, artistic concept by Kerstin Brätsch, curated by Jenny Schlenzka, Patrizia Dander and Sonja Borstner, from 4.9.2024, Gropius Bau, Berlin. Publikum bei der Eröffnung am 27. April 2024 | Audience at the opening on 27 April 2024 80

Spielplatz Eines der wenigen Wörter, die wir nicht übersetzen, wenn ich mich mit meiner italienischen Freundin und ihren beiden Kindern unterhalte, ist „Spielplatz“. Nach sechs Jahren gemeinsamen Lebens in Berlin sind Spielplätze – jene Ecken, Quadrate, Dreiecke, Sterne und obskuren Trapeze, die in die vom Krieg zurück- gelassenen Leerstellen gequetscht sind – für uns beinahe selbstverständlich geworden. Überlagerte Narben der Stadt. Oft habe ich die großen, trostlosen, nackten Wände Berliner Häuser be- trachtet: merkwürdige geometrische Formen, Überbleibsel der Zerstörung durch den Krieg und des darauffolgenden Wiederaufbaus. Ich erinnere mich, wie mein Vater, der 1941 im damals noch sehr von Industrie geprägten Ruhrgebiet geboren wurde, mir von den Hinterhöfen der damals noch eng bewohnten, mittlerweile größtenteils abgerissenen Mietshäuser in Oberhausen und den benachbarten Städten berichtete. Er erzählte mir, dass diese Hinterhöfe nach der Verwüstung durch den Krieg auf verschiedenste Weisen genutzt wurden: als Lagerflächen, kleine kommunale Gärten, in denen Gemüse und sogar Tabak angebaut wurde, für Wäscheleinen und natürlich auch als quasi-private Orte, an denen gebolzt werden konnte, bis jemand mit den Kindern schimpfte, weil sie ihre kostbaren Lederschuhe verschlissen. Dank Gabriela Burkhalters The Playground Project, Teil des Kunstpar- cours Radical Playgrounds, ist mir klargeworden, dass wir an der soziopoliti- schen Entstehungsgeschichte des Spielplatzes auch die turbulente und geteilte Vergangenheit Deutschlands ablesen können; uns begegnet das Schicksal von vernachlässigten Kindern, das Entstehen einer sozialen und alternativen Päda- gogik und die Resilienz einer Gesellschaft, die versucht, Sinn in der Zerstörung zu finden. Als zum Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg die Bäume des Berliner Tiergartens für Brennholz gefällt wurden, entstanden dort Flächen zum Spie- len. Der Spielplatz ist ein produktiver und zugleich generischer Ort, ein gesell- schaftlicher Raum, der integral für ein ansonsten anders genutztes soziales und urbanes Umfeld ist. Dieses Umfeld, in den er integriert ist, wurde nicht für Spiel, Innovation, Befreiung oder Experimentierfreude geschaffen, sondern ist regu- liert und regiert. Spielplätze sind jedoch keinesfalls das utopische Gegenteil von Gesell- schaft, eine Art von radikaler Heterotopie im Sinne Foucaults, „sozusagen Gegenplatzierungen, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind“.23 Jede Person, die einmal gesehen oder gelesen hat, wie anhand von DIN-Verordnungen Sicherheit und Funktion einer noch gewagteren neuen Schaukel, Federwippe oder Rutsche für Spielplätze überprüft werden, wird dies sehr schnell realisieren. Teil der Paradoxien Deutschlands ist, dass erklimm- und schaukelbare Geräte entwickelt werden, die zwar streng reglementiert sind und dennoch meinen Freunden, die aus dem Ausland zu Besuch sind, den Atem rauben. Das Kuratorische Bei meiner Ankunft zur Eröffnung von Radical Playgrounds stellte ich mein Fahrrad am Rand einer Fläche ab, die ich bisher immer nur als den Parkplatz des Gropius Bau kannte. Innerhalb weniger Sekunden waren die Kinder meiner Freundin verschwunden und ihre Räder achtlos und unabgeschlossen auf dem Platz verteilt: let the games begin. Eine halbe Stunde später fand ich die Kinder 83

schließlich wieder, sie spielten mittlerweile auf einem pyramidalen Haufen von Strohballen. Ich ließ mich am Rande des Geschehens auf einem Stuhl nieder, um das Spiel von Sonnenschein und Schatten unter den Platanen zu genießen. Ein lauter Schrei riss mich aus der Ruhe und kündigte ein tollkühnes Unter- fangen an. Ich wurde Zeuge eines Sprungs, den man nur mit einem beinahe selbstmörderischen Vertrauen in die federnden Kapazitäten des zu Rechtecken geformten trockenen Strohs erklären kann. Bei den Strohballen handelte es sich um Jun Juyu Juxuj / Ein Berg von Zeichnungen von Edgar Calel, ein Kunstwerk, das an den Raub von Maya-Artefakten erinnerte und die Pyramide als Spielplatz einer nicht-westlichen Hemisphäre darstellte. Die Arbeit basierte auf einer Welt- anschauung, die durch das Zusammenspiel der grundlegenden Elemente des Lebens – Wasser, Luft, Feuer, Erde, Tiere, Ahnen – charakterisiert ist. Die Instal- lation war eine Einladung zum Spielen, Fantasieren – und Reparieren. Denn die Kinder zersetzten Calels Installation immer weiter, Strohballen lösten sich in ihre Bestandteile auf und der Zustand der Pyramide ließ mich unweigerlich über den Lebenszyklus von Objekten und Materialien nachdenken. Dass am Ende kaum noch Formen erkennbar waren, erleichterte es, Calels Leitfaden für die Inter- aktion mit dem Werk zu ignorieren, der unter anderem „vorsichtig[es] Klettern“ empfahl und betonte: „Sicherheit geht vor“. Das alles regte in mir Überlegungen an zur Beziehung zwischen Probe, Kontrolle, Sicherheit und Kreativität. Die Arbeit des italienischen Theater- regisseurs Roberto Ciulli hat viele meiner anthropologischen Forschungen und Texte zu Improvisation, Probe, Experimentieren und Spiel inspiriert. Er sagte oft zu mir: „Regieführen heißt, den Zufall zu ermöglichen.“24 Er empfahl also, eine Bereitschaft, eine Haltung für kontrollierte Experimente zu kultivieren, die die willkürliche Geste oder den überraschenden Zufall während einer Probe nicht unterdrückt, aber dennoch nicht zulässt, dass das Spontane alles andere über- tönt oder das narrative Experimentieren zu kontrollierter Dramaturgie wird. Sich mit Kindern auf einem Spielplatz aufzuhalten (während man zumindest ansatz- weise den Wunsch hat, sicher und intakt mit ihnen nach Hause zurückzukehren), ähnelt ein wenig Ciullis Verständnis von Regie. Man braucht (idealerweise) einen Rahmen, der den Wahnsinn begrenzt, aber die Offenheit gegenüber Improvisa- tion und Spiel, derentwegen man überhaupt gekommen ist, darf nicht zu sehr begrenzt werden. Der Spielplatz ist so etwas wie die Bühne; ein Rahmen für neue Ideen, Erfahrungen und Reaktionen, die entstehen und wachsen dürfen: neue Bewegungen; ein noch nie gefühlter Schmerz; Sand zwischen den Zähnen; das erste Mal, dass man im Matsch komplett nass wird, sich den Kopf stößt, eine neue Süßigkeit probiert, sein Lieblingsspielzeug verliert. Nicht zufällig verwen- det die Kuratorin und Autorin Irit Rogoff das Bild einer „Bühne für die Entwick- lung einer Idee“, um „das Kuratorische“ zu beschreiben, also die Theorie einer erweiterten kuratorischen Praxis über das „bloße“ Bewahren eines Gegenstan- des hinaus.25 Ich möchte die Parallele hier nicht überstrapazieren, aber diese Formulierung beschreibt im Prinzip genau jenes produktive Potenzial von Spiel, das Peter Handke als in der fortgeschrittenen gesellschaftlichen Sozialisierung unterdrückt ansah. Er beschrieb diesen Prozess in Kaspar, einem Stück über die zum Teil fiktionalisierte historische Figur eines Kindes, das ohne Eltern auf- wächst, kaum einen Satz sprechen kann und dem die Gesellschaft, auf die es trifft, mit aufgezwungenen Gedanken-, Handlungs- und Sprachstrukturen ge- waltvoll begegnet.26 (Ciulli inszenierte Kaspar 1987 am Theater an der Ruhr. Das Stück blieb weit über zwei Jahrzehnte lang im Repertoire des Hauses.) Edgar Calel, Jun Juyu Juxuj / Ein Berg von Zeichnungen | A Mountain of Drawings, 2024 85

Die kindlichen Selbstverletzungsversuche auf den Strohballen endeten zum Glück größtenteils glimpflich. Als nächstes näherte ich mich einer runden Holzstruktur, die eine archäologische Ausgrabungsstätte umgab. The Dig war eine partizipative Installation des Kollektivs The School of Mutants (Horacio Cadzco, Hamedine Kane, Boris Raux und Stéphane Verlet-Bottéro) in Zusam- menarbeit mit Stella Flatten. Die Künstler*innen hatten einen Teil des Park- platzes ausgewählt, um anhand einer inszenierten Grabung das brutale Palimp- sest freizulegen, das unter unseren Füßen lag. Geleitet wurde die Ausgrabung von einer fiktionalen Gruppe von Archäologen, die nicht aus Großbritannien, Deutschland oder anderen ehemaligen Kolonial-Eliten stammten. Ihre Sci-Fi- Werkzeuge und -Schaufeln hingen an hölzernen Tafeln rings um das herausge- löste Kopfsteinpflaster. Die Installation spielte auf das fragwürdige menschliche Verlangen an, Löcher zu graben, Dinge auszubuddeln, und auf die unausweich- lich kindliche, aber keineswegs unschuldige Annahme, dass alles, was in der Erde liegt, ausgegraben werden kann und soll. Sie brachte so die überschrie- benen Narrative der Vergangenheit Berlins ans Licht – eine Überlagerung von Geschichte, die ich selbst erst kurz zuvor mit Studierenden erkundet hatte. Diese Vergangenheit war so brutal und schwierig, dass der Gedanke naheliegen mochte, sie gar nicht erst auszugraben. The Dig präsentierte sich als umgekehrte Archäologie, bei der der Blick rückwärts oder abwärts gerichtet wird, auf die epistemologischen Strukturen, die unter uns liegen und den Westen zusammen- halten. Der Blick wird dann auch auf jene Überbleibsel von Artefakten gerichtet, die aus aller Welt entwendet wurden, um in Berlin gesammelt und gelagert zu werden. Benannt nach und inspiriert von der Université des Mutants, die 1978 auf der Insel Gorée im Senegal unter dem Mandat von Léopold Sédar Senghor vom französischen Schriftsteller und Philosophen Roger Garaudy gegründet wurde, haben es sich The School of Mutants zur Aufgabe gemacht, sich in ihren Arbeiten auch für Frieden und gesellschaftliche Fürsorge einzusetzen.27 The Dig war afrofuturistische Archäologie, die mit Spiel und Fiktion die epistemologische Gewalt des Raubs von afrikanischen Kulturgütern thematisierte. Einige Hobby-Archäolog*innen der Vergangenheit hatten weitaus weniger gutwillige Absichten. So beschreibt zum Beispiel der Förderverein des Berliner Stadtschlosses in einer Publikation, wie ein nostalgischer Bürger den Stand- ort des alten Stadtschlosses auf der Suche nach Überresten imperialer Größe durchstöberte.28 Unter dem Parkplatz des Gropius Bau befinden sich die Ruinen- reste des Königlichen Museums für Völkerkunde, das 1873 gegründet und 1961 nach Kriegszerstörungen abgebaut wurde. Freigelegt wurden sie unter ande- rem von einigen der aktivistischen „Archäolog*innen“, die vorher schon auf der anderen Seite des Gropius Bau Hauptquartier und Zellen der Gestapo freigelegt hatten. Dort werden wir nun dank des Dokumentationszentrums „Topographie des Terrors“ öffentlich an diese Vergangenheit erinnert. The Dig, anstatt den moralischen Zeigefinger zu erheben, forderte uns dazu auf, die räumliche Nähe der Vergangenheit unter unseren Füßen als Zeug*innen mitzuerleben. Die Arbeit war Ausgrabungsstätte, Spielplatz, Feldforschung, offenes Museum und de-koloniale Provokation zugleich. Nur wenige Zentimeter unter der Erde finden sich zerschlagene Vasen, Mauern, Ziegelsteine und andere Überreste des deut- schen Kolonialprojekts und seiner Museen. Die Vorstellung, verlorene Welten auszugraben und ans Licht zu bringen, um so Verbindungslinien zwischen der Vergangenheit und dem Heute herzustellen, war zweihundert Jahre lang ein wichtiger Baustein imperialer und nationaler Träume. Die materielle Kultur der Vergangenheit diente The Dig jedoch nicht dem Aufbau eines positiven Selbst- bildes. Stattdessen deckte die Arbeit auf, was die Kultur- und Sozialanthropo- login Sharon Macdonald als „schwieriges Kulturerbe“ bezeichnet.29 Dieses lässt 86

sich nicht so einfach zur Verklärung der Gegenwart instrumentalisieren, wie es das Humboldt Forum und das rekonstruierte preußische Schloss nur wenige Kilometer nord-östlich des Gropius Bau versuchen.30 Dieser untote Palast mit seiner immer wieder neu überlagerten und ausgegrabenen, vertikalen Erinne- rung ist leider keine Fiktion. The Dig zielte darauf, eine Verbindung zwischen den zivilgesellschaftlichen Ausgrabungen der Nachkriegszeit und dem Engagement für Erinnerung und Gedenken an die dunklen Aspekte deutscher Vergangenheit herzustellen, und auch darauf, als partizipatives Mahnmal und Experiment der Erinnerung zu fungieren. Experimentieren Die Praxis des Improvisierens und Experimentierens ist in den letzten vierzig Jahren auf verschiedene Arten und Weisen sozialwissenschaftlich analysiert und als Konzept für die Beschreibung sozialen Lebens erarbeitet worden. Dies hat nicht zuletzt mit den divers attestierten und sowohl durch politisch rechte Attacken als auch durch die postmoderne Reflexion positiver Wissenschaft her- beigeführten Krisen wissenschaftlicher (anthropologischer) Legitimität zu tun. Die positivistische Wissenschaft spricht nicht mehr mit unumstrittener Autorität. Stattdessen erkennen wir nun deutlicher als je zuvor die poetische und politische Erfindung eben jener Felder, die wir beobachten und analysieren: Gesellschaft, Kultur, Politik, Recht und Ökonomie.31 Die Wissenschafts- und Technikforschung und die Akteur-Netzwerk-Theorie haben der Forschung und ihren experimen- tellen Methoden den Anschein von Neutralität und Reinheit genommen. Expe- rimentieren ist auch eine Praxis des Vertrauens, Hoffens und Erfindens, des menschlichen Versagens, der Unvorhersehbarkeit und des Misserfolgs. Wissen- schaftlicher Fortschritt und Erkenntnis, so hat es der Historiker und Philosoph Thomas Kuhn bereits Mitte des 20. Jahrhunderts erfasst, sind Prozesse politi- scher und gesellschaftlicher Übereinkunft, des Ausprobierens und Scheiterns, des Konstruierens und Überzeugens.32 In diesem Sinne war Experimentieren auch nie bereinigt von Zufall, Natur und Mensch.33 Der Gegensatz zwischen Spiel und Nicht-Spiel scheint nur deutlich zu sein; eine falsche Fährte, die uns glauben lässt, wir könnten klar zwischen Rationalem und Irrationalem, erwachsenen und kindlichen Formen des Sozialen Spiels trennen.34 Der Kultur- und Sozialanthropologe Adolfo Estalella schreibt in einem Aufsatz, dass das Konzept des Experiments noch auf etwas ganz anderes verweist.35 Im Gegensatz zu naturalistischen Traditionen sind Experimente „interventionistisch“. Sie „beobachten“ also nicht ein externes, schon existie- rendes Feld, sondern tragen die Beteiligung der Forschenden an der Erstellung dieses Bereichs und den Bedingungen seiner Erforschung in sich. Der Anthropo- loge George Marcus hat dieses Erschaffen von Feldern der Forschung als „para- sitär“ bezeichnet. Ein Großteil der experimentellen oder „multi-modalen“ Arbeit, die seit einigen Jahren von Anthropolog*innen gemeinsam mit Künstler*innen, Architekt*innen, Designer*innen und Kurator*innen entworfen wird, reflektiert diese Modalität der Forschung.36 Anders formuliert: Jedes Experiment ist eine Anordnung und insofern zu einem gewissen Grad fingiert – eine Fiktion. Estalella schreibt, dass „ethnografisches Experimentieren in der Feldforschung […] eine interventionistische Praxis impliziert, die der Gestaltung der Bedingungen für die ethnografische Begegnung dient“.37 In anderen Worten: Das Experimentieren ermöglicht, dass etwas geschieht. Was Radical Playgrounds betrifft, so schafft jeder Spielplatz seine eige- nen Bedingungen für Improvisation, Kreativität und Spiel. Ein Spielplatz ist kein 87

neutraler Raum, kein abgegrenztes Areal, auf dem bestimmte Aktivitäten un- weigerlich stattfinden. Als zivile Einrichtung und soziale Technik intervenieren Spielplätze aktiv in der Gestaltung dieser Ausdrucksmöglichkeiten. In diesem Sinne sind sie ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel von Struktur, Handlung und Freiheit, das gesellschaftliches Leben im allgemeineren Sinne charakteri- siert. Jeder Spielplatz ist „erprobt“ und geplant, was aber nicht im Widerspruch zur Improvisation steht, die er ermöglicht. Die Musikethnologie hat längst zeigen können, dass die scharfe Trennung zwischen geprobter Vorbereitung und freier Improvisation, Struktur und Einfall unhaltbar ist. Öffentliche Kultur In ihrem Essay „Radical Playgrounds: Eine bespielbare Ausstellung“ schreibt Joanna Warsza, dass Spielplätze „Versuchsfelder dafür [sind], wie sich die Gesell- schaft neu erfindet und gestaltet“.38 Ich verstehe Spielplätze als Orte, an denen die Spannungen zwischen Regeln und Regelverstößen, dem Vertrauten und dem Unbekannten, dem Ertasten und Überschreiten von Grenzen, Fürsorge und Acht- losigkeit, Pädagogik und Disziplin, der Gegenwart und der Zukunft verhandelt und ausgelebt werden. Sie sind noch nicht ganz ausgeformte Räume, in denen sich instabile, noch nicht ganz ausgeformte Praktiken entwickeln können. Sie stehen damit stellvertretend für andere Praktiken der Entwicklung und der Offenheit, wie auch beispielsweise Ausstellungen seit dem von Irit Rogoff evozierten curatorial turn, der eine Vernissage nicht mehr als Präsentation eines Ergebnisses, sondern als ersten Schritt eines offenen Prozesses betrachtet, verstanden werden kön- nen.39 Jede (mehr oder weniger freiwillige) Feldforschung eines Elternteils (anth- ropologisch oder nicht) an einem Dienstag- oder Samstagnachmittag auf einem willkürlichen Spielplatz zeigt, dass diese Orte keinesfalls Räume der unbegrenz- ten Regellosigkeit oder Fürsorge und Liebe sind. Spielplätze sind keine antirassis- tischen, apolitischen oder klassenlosen Orte, in die alle sonstigen Probleme der Gesellschaft nicht hineinreichen – ganz im Gegenteil. Sie sind nicht immer Orte „liebevoller Verspieltheit“ (Madina Tlostanova), die eurozentristische Vorstellun- gen von Spiel und Liebe untergraben.40 Wie auch? Dennoch erfinden sie sich zu einem wichtigen Teil selbst und insofern ist jeder Spielplatz eine kleine Fallstudie für die Verhandlung öffentlicher Kultur; eine Kultur, die wir als Gesellschaft durch unsere Erwartungen an Sicherheit und Fürsorge, Pädagogik und Freude, aber auch durch unsere Sorge um Macht, Gewalt und Freiheit mitgestalten. Öffentliche Kultur ist insofern para-sitär, eine Meta-Performance: ein ständiges Austarieren von Kreativität und Kontrolle, Improvisation und Norm. Sie ist in einem permanen- ten Zustand des Entstehens und richtet sich so gegen ihr Verharren in der Vergan- genheit. Sie ist mitunter unlogisch und anachronistisch, da in ihr Erinnerung und Antizipation zusammenfallen. Öffentliche Kultur hat keine Zeithaftigkeit oder Richtung, weil alle an ihr beteiligt sind. In ihrer Einleitung zur ersten Ausgabe der Zeitschrift Public Culture (1988) definieren Carol Breckenridge und Arjun Appadurai öffentliche Kultur als eine „Zone der kulturellen Debatte“, in der „unterschiedliche Typen, Formen und Domänen der Kultur einander auf neue und unerwartete Weisen begegnen, befragen und herausfordern“.41 Einige Wochen nach der Eröffnung bin ich mit einer Gruppe von ungefähr dreißig internationalen Studierenden im Rahmen eines Seminars über Erinnerung und Urbanität, das ich mit meiner Kollegin Margareta von Oswald an der Humboldt- Universität zu Berlin unterrichtet habe, zu Radical Playgrounds zurückgekehrt. Mit dem Besuch schlossen wir ein langes dreitägiges Blockseminar ab, für das wir ver- schiedene Orte umstrittener öffentlicher Erinnerungskultur in Berlin besucht und 88

darüber diskutiert hatten. Für die Studierenden war klar, dass öffentliche Kultur die radikalste Form eines gesellschaftlichen Spielplatzes sei. Radical Play grounds ist insofern ein Prototyp für eine andere Form des öffentlichen Kuratierens, öffent- lichen Ausstellens und Entstehens öffentlicher Kultur. Solche radikalen Spiel- plätze ermöglichen Begegnungen: nicht unbedingt von gegensätzlichen kultu- rellen Bereichen, die sich „befragen und herausfordern“, wie Breckenridge und Appadurai schreiben, aber von Bereichen, in denen es gelingt, widersprüchliche Vorstellungen darüber, was öffentliche Kultur ist, zu vermitteln. Diese Form (oder Modalität) von öffentlicher Kultur und kuratorischem Denken thematisiert Radical Playgrounds: die Fähigkeit, Gesellschaft trotz Unterschieden als Gemeinsames zu denken und entstehen zu lassen; ein gewaltfreies Zusammensein; eine Gegen- wärtigkeit, die nur durch den gemeinsamen Wunsch zusammengehalten wird, zu fantasieren und zu experimentieren. Wir brauchen solche Spielplätze, in denen wir gemeinsam erkunden können, wie wir gewaltvolle Vergangenheit und friedliche Zukunft miteinander vereinbaren können, ohne uns allein in unseren jeweiligen Ecken zu vergraben. 23 Michel Foucault, „Andere Räume“ in: Karlheinz Barck et al. (Hg.), Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Reclam, Leipzig 1992, S. 34–46. 24 Jonas Tinius, State of the Arts. An Ethnography of German Theatre and Migration, Cambridge University Press, Cambridge 2023; Alexander Wewerka und Jonas Tinius (Hg.), Der fremde Blick. Roberto Ciulli und das Theater an der Ruhr, 2 Bde., Alexander Verlag, Berlin 2020. 25 Irit Rogoff, „The expanding field“, in: Jean-Paul Martinon (Hg.), The Curatorial: A Philosophy of Curating, Bloomsbury, London 2013, S. 41–48. 26 Peter Handke, Kaspar, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1968. 27 Pascal Bekolo, „L’Université des Mutants: une utopie universaliste récupérable?“, in: Actes du colloque sur Senghor 10 janvier 2002, 2003, S. 75–82. Siehe auch: Érika Nimis, „Des Mutants en heritage? Trouble dans les collections“, in: En hériter 4, 2023, ohne Paginierung, https://hal.science/hal-04063914/docu- ment, abgerufen am 11.10.2024. 28 Wolfgang Gehrke, „Die Abtragung des Berliner Schlosses“, in: Berliner Extrablatt. (Neueste und gründ liche Informationen zum Bau des Humboldt Forums in der Gestalt des Berliner Schlosses) 92, 2019, S. 6–22. 29 Sharon Macdonald, Difficult Heritage. Negotiating the Nazi Past in Nuremberg and Beyond, Routledge, London 2009, S. 1. Siehe auch: Margareta von Oswald und Jonas Tinius (Hg.), Awkward Archives. Ethnogra phic Drafts for a Modular Curriculum, Archive Books, Berlin/Dakar/Milan 2022. 30 Jonas Tinius und Khadija von Zinnenburg Carroll, „Phantom Palaces: Prussian Centralities and Humbold- tian Horizontalities“, in: Jonathan Bach und Michal Murawski (Hg.), ReCentring the City. Global Mutations of Socialist Modernity, UCL Press, London 2020, S. 90–103. 31 James Clifford und George E. Marcus (Hg.), Writing Culture: The Poetics and Politics of Ethnography, University of California Press, Berkeley/Los Angeles/London 1986; Margareta von Oswald und Jonas Tinius (Hg.), Across Anthropology. Troubling Colonial Legacies, Museums, and the Curatorial, Leuven University Press, Leuven 2020. 32 Thomas Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen [1962], übers. von Kurt Simon, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1967. 33 Bruno Latour, Wir sind nie modern gewesen [1991], übers. von Gustav Roßler, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008. 34 Gregory Bateson, „A theory of play and fantasy“, in: Katie Salen und Eric Zimmerman (Hg.), The Game Design Reader. A Rules of Play Anthology, The MIT Press, Cambridge, MA 2006; Anthony Pickles, Money Games. Gambling in a Papua New Guinean Town, Berghahn, Oxford/New York 2019; Johan Huizinga, Homo Ludens. Versuch einer Bestimmung des Spielelementes der Kultur, Akademische Verlagsanstalt Pantheon, Basel 1938. 35 Adolfo Estalella, Vortrag „Ethnographic experiments, field devices, and the disappearing field of ethno- graphy“, Barcelona, Juli 2024, zitiert aus dem erweiterten Manuskript für eine geplante Veröffentlichung, https://nomadit.co.uk/conference/easa2024/paper/80292, abgerufen am 22.9.2024. 36 George Marcus, ParaSites. A Casebook Against Cynical Reason, University of Chicago Press, Chicago 2020; Jennifer Clarke, „Parasitic Projects and the Politics of Research-Creation“, in: Roger Sansi and Jonas Tinius (Hg.), The Trouble With Art. An Anthropology Beyond Philistinism, Routledge, London 2024, S. 171–190. 37 Siehe Anm. 35. Übersetzung des Zitats durch den Autor. 38 Joanna Warsza, „Radical Playgrounds: A Playable Exhibition“, in: Berliner Festspiele (Hg.), Radical Playbook. From Competition to Collaboration, Berlin 2024, S. 60. Übersetzung des Zitats durch die Berliner Festspiele. 39 Siehe Anm. 25. 40 María Lugones, „Playfulness, ‚World‘-Travelling, and Loving Perception“, in: Hypatia 2:2, 1987, S. 3–19; Madina Tlostanova, „Dekoloniales queer-feministisches liebevolles Spielen“, in: Berliner Festspiele (Hg.), Radical Playbook. From Competition to Collaboration, Berlin 2024, S. 50–52. 41 Arjun Appadurai und Carol A. Breckenridge, „Why Public Culture?“, in: Public Culture 1:1, 1988, S. 6. Über- setzung des Zitats durch die Berliner Festspiele. 89

Spielplatz One of the few words that we do not translate when my Italian partner and I are speaking is Spielplatz, the German word for “playground.” Having lived with her and her kids in Berlin for the first six years of their lives, we came to take for granted the role of these corners, squares, triangles, stars, obscure trapezoids, crammed into the voids left by the war. Overruled scars of the city. I have often pondered the large, bleak, naked walls of the houses of Berlin’s apartment blocks – strange geometrical shapes left after the destruc- tion of the war, and the subsequent “reconstruction.” I remember my father, born in 1941 in the still-industrial Ruhr region, telling me about the courtyards of the then-still-very-much inhabited larger apartment blocks of Oberhausen and surrounding cities, many of which have since been erased. He told me how these courtyards had gained multiple uses following the devastations of war as storage spaces, vegetable and even tobacco gardens, outside spaces to hang clothes and, of course, as small, semi-private spaces to kick around a football, as long as nobody told the kids off for wearing out their precious leather boots. With the help of Gabriela Burkhalter’s The Playground Project, I learnt that the Spielplatz has a socio-political genealogy that narrates Germany’s turbulent, divisive and divided histories – the histories of neglected children, the invention of care and an alternative pedagogy and of the resilience of society to make sense of destruction in creative ways. For instance, after being cut down for firewood after the Second World War, Berlin’s Tiergarten became a possible site for play. The Spielplatz is thus a generic and generative site, a social space both integral to and integrated into an otherwise differently used social and urban space – a space not created for play, innovation, liberation or experimentation, but regulated, with rules and traffic lights, policed and governed. However tempting it is to unfold this thought, the Spielplatz is by no means the opposite of society, a kind of radical heterotopia in the Foucauldian sense, “something like counter-sites, a kind of effectively enacted utopia in which the real sites, all the other real sites that can be found within the culture, are simul- taneously represented, contested and inverted.”42 Anyone who has seen videos or read articles on DIN regulators testing the viability of a more radical new swing or spring or slide for a playground recognises this fact very easily. It is one of Germany’s strange paradoxes that it still manages to create climbable and swingable devices that have left some of my non-German friends gasping for air, and yet certifies their use through the most intense regulations. The Curatorial Arriving at the opening of Radical Playgrounds, I parked my bike next to many others on what I had theretofore only known as the Gropius Bau parking lot, and despaired pretty much immediately over the unchained bikes of my partner’s children that I had to collect as they dashed off into this ultimate Spielplatz. Half an hour later, I found my partner’s children playing on a straw bale and sought respite on its outer fringes, enjoying the play of shade and sun below the plane trees. A loud scream alerted me to an impending jump by one of my partner’s two children. I witnessed what could only be described as a near-suicidal trust in the cushioning capabilities of rectangles of straw. This was Jun Juyu Juxuj / A Mountain of Drawings, an installation by Edgar Calel evoking the theft of Mayan artefacts from their place of creation and displaying a pyramid as a pos- sible Spielplatz in a non-Western world. The work’s cosmovision symbolised the 91

hybridity of the elements that govern life: water, air, fire, earth, animals, ances- tors. It was an invitation to play, imagine and repair. Its decomposition through children’s play was an irreversible and invited processual dwelling on object biographies and their material deterioration. The work’s decomposition made it easier to ignore Calel’s interaction guide, which specified “climb[ing] with care” and “safety first.” This made me think about the relation between rehearsal, control, safety and creativity. Italian theatre director Roberto Ciulli’s work has inspired many of my anthropological reflections on improvisation, rehearsal, experimentation and play. He repeatedly said, “Directing means to create the conditions for chance to happen.”43 He implied that one needed to cultivate a capacity for controlled ex- periments, an affordance, a conduct, a Haltung that would not stifle the arbitrary gesture or surprise accident during a rehearsal, yet without letting it overrule everything or turn narrative experimentation into controlled dramaturgy. Being on a Spielplatz with children (and retaining at least some desire to return home safely with them intact) is a bit like Ciulli’s understanding of direct- ing. You have to have a framework that limits madness, even if it doesn’t always succeed, yet you cannot blunt the possibility of improvisation and play that moti- vated you to go there in the first place. The framework has to be an invitation to dwell on the development of new ideas, experiences and reactions: the emer- gence of new movements; a pain never felt; sand in your teeth; the first time you got completely wet in the mud, hit your head, ate a new sweet, lost your favour- ite toy. Not coincidentally, “the staging ground for the development of an idea” is the phrase curator and author Irit Rogoff used to describe “the curatorial”, i.e. the practice and theory for an expanded curatorial practice beyond the “mere” care-taking of objects.44 I don’t want to overstretch this parallel, but this phrase captures the essence for the generative potential of play, a potential that author Peter Handke saw stifled in the later stages of societal acculturation, which he wrote about so poignantly in Kaspar, a somewhat fictionalised historic figure of a child raised without parents who violently encounters society through its imposition of structures of thought, practice and language.45 (Ciulli, not coinci- dentally, created a memorable stage adaptation of this play, which premiered at the Theater an der Ruhr in 1987 and remained in its repertoire for well over two decades.) Back to Calel’s pyramid and recovering from being a passive witness to various attempts at self-injury. I next ventured to a round wooden structure at a safe distance that encased an archaeological site. This was a participatory installation called The Dig by The School of Mutants (Horacio Cadzco, Hamedine Kane, Boris Raux and Stéphane Verlet-Bottéro) in collaboration with Stella Flatten. They had carefully cordoned off a section of the parking lot to reveal the brutal palimpsest over which kids had been running for several hours. It was a sand pit seemingly activated by a fictional set of archaeologists decidedly not from Britain or Germany or another colonising Western elite, with sci-fi tools and shovels hanging on the wooden panels around the opened cobblestones. Play- ing on the dubious human desire to dig holes and the inevitable child-like yet- far-from-innocent idea that anything in the earth can and should be brought to light, they unearthed a palimpsest of the city of Berlin, one which I had recently been exploring with my students. This was a brutal past and a difficult palimp- sest, one better to think with than work with. It is also a reverse archaeology, if you will, turning the gaze back or downwards at the Western epistemological undergirding of artefacts taken from the world to be stored in Berlin. Taking its name from the University of Mutants, founded in 1978 on the island of Gorée in Senegal under the mandate of Léopold Sédar Senghor and the French writer 92

Roger Garaudy, the group makes it their mission to sketch practices of well- being and peace.46 The Dig was an Afrofuturist archaeology that addressed the epistemological violence implied in removing heritage items from African soil. Many a civic digger in the past has indeed had less benevolent intentions. See, for instance, the stories of Prussian thieves who scavenged the remains of the old Stadtschloss in search of nostalgic “leftovers” of imperial greatness as described by the Förderverein Berliner Stadtschloss.47 Beneath the parking lot are the ruins of the Royal Ethnological Museum (Königliches Museum für Völkerkunde), founded in 1873, flattened in 1961, and uncovered by some of the same activist diggers that had revealed the Gestapo headquarters and prison cells on the other side of Gropius Bau. There, we are now reminded in publicly sanctioned ways of this past thanks to the “Topography of Terror” Documen- tation Centre. But rather than wagging a moral finger, The Dig called on us to become witnesses to the nearness of the past beneath our feet. It was a sandpit, a fieldwork, an open museum and a decolonial provocation. Even a few inches below the soil, smashed vases, walls, bricks and other remains of the German colonial project and its world-plundering museums can be found. The imagina- tion that the past is literally at our feet has driven archaeologists to imagine the genealogies on which to build nations for two centuries. But rather than a self-affirming positive self-image, this dig unearthed what anthropologist Sharon Macdonald calls a “difficult heritage” precisely because it does not let this past create a self-affirming image of the present.48 Of course, this is pre- cisely what the Humboldt Forum and the reconstructed Prussian Schloss have done just a few kilometres further north-east.49 This undead palace with its ver- tical memory is no fiction, sadly. The Dig connected post-war civil digs with the civic wish to remember, reckon with, and commemorate the German past, which has so awkwardly been flattened and selectively unearthed and repaired for the past seventy years. But it did so by way of a tentative experiment. Experimentation The ideas of improvisation and experimentation have re-emerged in studies on social life over the last four decades. The crisis of scientific (anthropological) authority and legitimacy – both in the mutation as right-wing attacks on science and truth and internal forms of the study of science as a social process – has pushed positivist science from its pedestal of speaking on behalf of an unques- tionable truth, recognising instead the poetics and politics of the way in which we create the fields we observe: society, culture, politics, law and economy.50 But one effect of what has become known as science and technology studies and its variants in actor-network theory is that scientific research has lost its veneer of purity and sterility, also in its methods of experimentation. Experi- mentation, even in the harder sciences, has been fraught with failure, human error, unpredictability, as well as fiction, trust and hope. Scientific progress, as historian and philosopher Thomas Kuhn pointed out, is a matter of political and social agreement, of testing and failing, of constructing and convincing.51 In that sense, scientific experimentation has never been free of chance, nature and man.52 The contrast, therefore, between play and non-play, which so easily becomes a red herring for drawing dividing lines between rationalist and irration- alist, mature and child-like social forms, is blurry.53 Anthropologist Adolfo Estalella has argued that what the notion of the experiment points to is actually something else.54 In contrast to naturalist tradi- tions, experiments are “interventionist.” They do not “observe” an external field, 93

but recognise a researcher’s participation in the creation of a field and the conditions for its study. Anthropologist George Marcus has called this “para- sitical” research, and much of the more experimental or “multimodal” work that anthropologists are engaged in with artists, architects, designers and curators for a number of years works in this tradition.55 Every experiment, in other words, is a set-up, and to some extent a fiction. Estalella writes that “ethnographic ex- perimentation in fieldwork […] involves an interventionist practice dedicated to devising the conditions for the ethnographic encounter.”56 Otherwise put: Exper- imentation generates the possibility for something to happen. With regard to Radical Playgrounds, any Spielplatz creates the conditions for improvisation, creation and play. A playground is not a neutral space that creates an enclosure in which certain activities inevitably take place. It actively intervenes as a civic device and social technology. In that sense, it is a good ex- ample of the interplay of structure and agency, structure and freedom that more generally characterises social life. Every Spielplatz is heavily rehearsed, and yet that does not stand in contradiction to the improvisation that it renders possible. Musicology has shown that the supposed distinction between rehearsal and free play is at best an invention. Public Culture In her curatorial essay “Radical Playgrounds: A Playable Exhibition”, Joanna Warsza writes that “playgrounds are a testing ground of how society re-invents and re-imagines itself.”57 I see playgrounds as one of many sites in which ten- sions are negotiated and played out between rules and rule-breaking, the familiar and the unknown, the testing of borders and their transgression, care and carelessness, pedagogy and discipline, and the present and the future. They are still-unstable spaces in which still-unstable practices can emerge. In that sense, they offer an example of how exhibitions have been rethought since the curatorial turn evoked by Irit Rogoff, which no longer regards a vernissage as the presentation of a result, but as the first step in an open process.58 But as any involuntary fieldwork done by any (anthropological or not) parent reveals, they are not spaces of pure love, openness, and an absence of rules. They are not classless, anti-racist or apolitical sites in which a society’s external issues cannot enter. Quite on the contrary. They do however invent many of their own rules, not necessarily leading to “loving playfulness”, to cite Madina Tlostanova’s critique of conceptions of playfulness in the Euromodern West with reference to María Lugones’ seminal text on the subject.59 As such, any Spielplatz is a case study for the creation of public culture inasmuch as public culture is co-created through expectations of safety and care, education and play, as well as power, violence and their contestation. Public culture is a para-site, a meta-perfor- mance: a constant negotiation between creation and regulation, improvisation and observation. It is in constant emergence; it turns onto its past; it is some- times illogical and anachronistic. There is no temporality or direction of public culture, because everyone is a stakeholder. In their inaugural essay to the jour- nal Public Culture (1988), Carol Breckenridge and Arjun Appadurai define the term as “a zone of cultural debate”, in which “other types, forms and domains of culture are encountering, interrogating and contesting each other in new and unexpected ways.”60 I returned to Radical Playgrounds with a group of about thirty international students in a seminar offered with my colleague Margareta von Oswald at the nearby Humboldt-Universität zu Berlin, in order to conclude a long weekend 94

of visits and conversations around the contested memory culture of Berlin. It became clear, in their view, that Berlin’s public culture resembles that of a very radical playground. As such, the project to which this documentation contrib- utes might be a prototype for how we can more broadly think of public curation, public museums and public culture. It is a possibility for encounter of not neces- sarily opposed domains of culture that contest each other, but which manage to contain agonistic, conflicting visions of what a zone of cultural encounter could be. After all, that is what the public culture and the kind of museum and curato- rial idea envisioned by Radical Playgrounds instigate and require: the ability to construct sociality despite difference; non-violent co-presence supported by the collective desire to play and experiment; a shared investigation into violent pasts and peaceful futures without resorting to a silo of one’s own. 42 Michel Foucault, “Of Other Spaces: Utopias and Heterotopias” [1984], in: Diacritics: A review of contem- porary criticism 16:1, 1986, pp. 22–27. 43 Jonas Tinius, State of the Arts. An Ethnography of German Theatre and Migration. Cambridge University Press, Cambridge 2023; Alexander Wewerka and Jonas Tinius (eds.), Der fremde Blick. Roberto Ciulli und das Theater an der Ruhr, 2 vols., Alexander Verlag, Berlin 2020. 44 Irit Rogoff, “The expanding field”, in: Jean-Paul Martinon (ed.), The Curatorial: A Philosophy of Curating, Bloomsbury, London 2013, pp. 41–48. 45 Peter Handke, Kaspar, Suhrkamp, Frankfurt / Main 1968. 46 Pascal Bekolo, “L’Université des Mutants: une utopie universaliste récupérable?”, in: Actes du colloque sur Senghor 10 janvier 2002, 2003, pp. 75–82. See also: Érika Nimis, “Des Mutants en heritage? Trouble dans les collections”, in: En hériter 4, 2023, no pagination, https://hal.science/hal-04063914/document, accessed on 11.10.2024. 47 Wolfgang Gehrke, “Die Abtragung des Berliner Schlosses”, in: Berliner Extrablatt. (Neueste und gründli- che Informationen zum Bau des Humboldt Forums in der Gestalt des Berliner Schlosses) 92, 2019, pp. 6–22. 48 Sharon Macdonald, Difﬁcult Heritage. Negotiating the Nazi Past in Nuremberg and Beyond, Routledge, London 2009, p. 1. See also: Margareta von Oswald and Jonas Tinius (eds.), Awkward Archives. Ethno- graphic Drafts for a Modular Curriculum, Archive Books, Berlin/Dakar/Milan 2022. 49 Jonas Tinius and Khadija von Zinnenburg Carroll, “Phantom Palaces: Prussian Centralities and Humbold- tian Horizontalities”, in: Jonathan Bach and Michal Murawski (eds.), Re-Centring the City. Global Mutations of Socialist Modernity, UCL Press, London 2020, pp. 90–103. 50 James Clifford and George E. Marcus (eds.), Writing Culture: The Poetics and Politics of Ethnography, University of California Press, Berkeley/Los Angeles/London 1986; Margareta von Oswald and Jonas Tinius (eds.), Across Anthropology. Troubling Colonial Legacies, Museums, and the Curatorial, Leuven University Press, Leuven 2020. 51 Thomas Kuhn, The Structure of Scientiﬁc Revolution. Planetary Astronomy in the Development of West- ern Thought [1962], Harvard University Press, Cambridge, MA 1992. 52 Bruno Latour, We Have Never Been Modern [1991], transl. by Catherine Porter, Harvard University Press, Cambridge, MA 1993. 53 Gregory Bateson, “A theory of play and fantasy”, in: Katie Salen and Eric Zimmerman (eds.), The Game Design Reader. A Rules of Play Anthology, The MIT Press, Cambridge, MA 2006; Anthony Pickles, Money Games. Gambling in a Papua New Guinean Town, Berghahn, Oxford/New York 2019; Johan Huizinga, Homo ludens. A Study of the Play Element in Culture [1938], Beacon Press, Boston 1950. 54 Adolfo Estalella, Presentation “Ethnographic experiments, field devices, and the disappearing field of ethnography”, Barcelona, July 2024; citations based on forthcoming publication based on an expanded manuscript, https://nomadit.co.uk/conference/easa2024/paper/80292, accessed on 22.9.2024. 55 George Marcus, Para-Sites. A Casebook Against Cynical Reason, University of Chicago Press, Chicago 2020; Jennifer Clarke, “Parasitic Projects and the Politics of Research-Creation”, in: Roger Sansi and Jonas Tinius (eds.), The Trouble With Art. An Anthropology Beyond Philistinism, Routledge, London 2024, pp. 171–190. 56 See note 54. 57 Joanna Warsza, “Radical Playgrounds: A Playable Exhibition”, in: Berliner Festspiele (ed.), Radical Play- book. From Competition to Collaboration, Berlin 2024, p. 72. 58 See note 44. 59 María Lugones, “Playfulness, ‘World’-Travelling, and Loving Perception”, in: Hypatia 2:2, 1987, pp. 3–19; Madina Tlostanova, “Decolonial Queer Feminist Loving Playfulness”, in: Berliner Festspiele (ed.), Radical Playbook. From Competition to Collaboration, Berlin 2024, pp. 54–56. 60 Arjun Appadurai and Carol A. Breckenridge, “Why Public Culture?”, in: Public Culture 1:1, 1988, p. 6. 95

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Durch Radical Playgrounds verwandelte sich das Umfeld des Gropius Bau in etwas, das viel mehr als eine Kunstausstellung war. Der sogenannte Gropius Hain, der Parkplatz des Gropius Bau, wurde zum gemeinsamen Spielplatz – zu einem Ort, der alle Menschen einlud zu spielen, sich einzubringen und zusammen zuarbeiten. Ein umfassendes Vermittlungsprogramm, bestehend aus Workshops, Gesprächen und Führungen, gab dem Projekt eine zusätzliche, partizipatorische Dimension. Diese Angebote und die Unterstützung durch das Team der Playworker*innen luden ein vielfältiges Publikum dazu ein, aktiv teilzu- haben, mitzugestalten, mitzuarbeiten. So wurde unter Kindern, Familien und an- deren Teilnehmer*innen ein Austausch über Spiel, Zusammenarbeit und soziale Interaktion angeregt. Als kuratorische Mitarbeiterin von Radical Playgrounds leitete ich Führungen für verschiedene Gruppen, darunter Vermittlungsteams von Kultur- institutionen, Student*innen und Künstler*innen. Es war spannend zu be- obachten, wie oft das innere Kind der Teilnehmer*innen sich während dieser Führungen bemerkbar machte. Immer wieder legten wir eine Pause ein, während Teilnehmer*innen eifrig den Teich von Raul Walch (A Fountain of Knowledge) durchwateten, sich an Joar Nangos Sámi-Schaukeln erfreuten (A Birch Tree Burr Swing) oder in Yvan Pestalozzis ikonischen Lozziwurm krochen. Während jeder Führung wurde darüber diskutiert, wie Radical Playgrounds den Parkplatz in einen kreativen Ort verwandelt hatte. Der deutliche Kontrast zwischen diesem dynamischen Projekt und dem oft eher sterilen Umfeld des Potsdamer Platzes regte die Teilnehmer*innen zu lebhaftem Austausch an und unterstrich die Not- wendigkeit solcher gemeinschaftlichen Räume. Viele Besucher*innen verliehen ihrer Sorge über die Zukunft des Ortes Ausdruck und betonten, wie verbunden sie sich mit diesem Raum an der frischen Luft, geschaffen für Kreativität und Spiel, fühlten. Es war bemerkenswert, welchen Anklang unsere Arbeit bei den Besu- cher*innen fand und wie sie sich Radical Playgrounds zu eigen machten. Das Projekt erlebte von Anfang an aktive Beteiligung und das ist, wie wir wissen, nicht leicht zu erreichen. Die Besucher*innen wurden ermuntert, die Funktionali- tät der Kunstwerke auszuweiten und sie auf unerwartete Weise auszuprobieren. So war zum Beispiel Florentina Holzingers Installation Halfpipe. Bent Metal on 2 Cars ursprünglich für Skater*innen gedacht, wurde aber schnell von Kindern als Rutsche mitbenutzt. In ähnlicher Weise waren die Außenwände des Pavillons Ge- heimer Garten zunächst mit Zeichnungen von Irad Verkron bedeckt, während der gesamten Dauer von Radical Playgrounds brachten Besucher*innen aber weite- re Kreidezeichnungen an. Die Kunstwerke durch Besucher*innen aktiv gestalten und neu definieren zu lassen, machte das Projekt lebendig und dynamisch und verkörperte so die Essenz des Spiels: spontan zu gestalten und umzugestalten. Die Menschen machten die gesamte Ausstellungsfläche zu ihrem eigenen Spiel- platz, Jahrmarkt und Park. Sie wurde zu einem Gemeinschaftsgelände, auf dem man sich treffen, Zeit miteinander verbringen, spielen, still nachdenken und die Gesellschaft der anderen genießen konnte. Besucher*innen durchquerten die Ausstellung nicht nur, sondern blieben für eine Zeit und machten sie zu einem Teil ihres Alltags. Wöchentlich fand im Rahmen von Radical Playgrounds eine Reihe öffentli- cher Workshops und Gespräche statt. Diese Sessions wurden von eingeladenen Künstler*innen, Stadtplaner*innen und lokalen Kollektiven mitgestaltet und Foto S. | Photo p. 96: The School of Mutants, The Dig, 2024 Foto S. | Photo p. 97: Was graben wir durch unsere Bewegungen aus? Kollektiver Grabungsworkshop | What Do We Dig Up Through Our Movements? Collective Digging Workshop von | by Stella Flatten 99

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reichten von Aktionen, die zum Mitmachen anregten, bis hin zu konzeptuellen Erkundungen. Die Arbeit Parasitäre Verbindungen bauen für Radical Play grounds, die vom Kollektiv umschichten geleitet wurde, lud Teilnehmer*innen beispielsweise dazu ein, aus Bambusstangen architektonische Systeme als „Brücken für Parasiten“ zu bauen. Und zum Auftakt von Kerstin Brätschs Spielort BAUBAU im Gropius Bau61 luden sie und Kunstvermittlerin Jana Dohmann Kinder und Schüler*innen der nahegelegenen Heinrich-von-Stephan-Gemeinschafts- schule dazu ein, Monsterskulpturen aus Ton herzustellen, die dann vor Ort ausgestellt wurden (Fantastische Wesen erschaffen). Stella Flattens kollektive Grabungs-Session Was graben wir durch unsere Bewegungen aus?, die sich in ihrer Reflexion kultureller Erinnerung und Geschichte direkt auf die Aus- grabungsinstallation von The School of Mutants bezog, rief die Besucher*innen dazu auf, Artefakte freizulegen und sie in wiederverschließbaren Tüten zu verpa- cken. Diese Funde wurden von Expert*innen verschiedener Museen begutachtet und danach an den Wänden des Geheimen Gartens ausgestellt. Das Diskursprogramm umfasste Beiträge von Gabriela Burkhalter, der Schöpferin von The Playground Project, Franklin Kirimi von der Kounkuey Design Initiative (KDI) aus Kenia und der indischen Künstlerin Sreejata Roy. Kirimi schil- derte, wie die KDI gemeinsam mit Kindern im kenianischen Kibera Spielplätze nach Prinzipien der Stadtplanung baut. Roy gab Einblicke in die künstlerischen Interventionen, mit denen sie in den letzten zehn Jahren Mädchen und Frauen darin bestärkt hat, ihren Platz in einem männlich geprägten städtischen Umfeld zurückzuerobern. Diese Beiträge verdeutlichten, wie das Konzept des Spiels in unterschiedlichen Kontexten als Instrument für sozialen Wandel dienen kann. Im Zentrum von Radical Playgrounds stand das Team der Playworker*in- nen. Die Mitglieder dieser vielfältigen Gruppe kamen aus unterschiedlichen Bereichen, darunter Kulturpädagogik, Kunstgeschichte, politische Bildung und Soziale Arbeit. Sie leiteten die Besucher*innen an, ermöglichten Vermitt- lungs- und Kunstinterventionen und achteten darauf, dass der Raum für alle Interessent*innen zugänglich blieb. Verschiedene Interventionen, sogenannte Aktivierungen, untersuchten die Beziehung von Kunst, Technik und Chaos. Daria Redkinas Solar Sounders zeigte am Beispiel von elektronischen Robotern, die auf Sonnenlicht reagierten, das Wechselspiel von Kunst und Natur. Diesen Dialog erweiterten Oliver Gudzowski und Garance Maurer zu LUST & FOUND, einer spontanen Erkundung von Formen und Farben, die Teilnehmer*innen dazu ermunterte, Chaos als eine Form des künstlerischen Ausdrucks zu betrachten. In Garance Maurers Conversas #57– #60 entstanden durch intime Dialoge Ver- bindungen zwischen Kunst und persönlichen Erlebnissen. Projekte wie Jakob Eichhorns Histories of Play und SPÄTISPÄTIs satirisches CARESINO regten zur Auseinandersetzung mit der Kommerzialisierung des öffentlichen Raums an. Bei Max Reinigers Offline Berlin: Fundraising Dinner bildete gemeinsames Essen die Grundlage für Dialog, während seine Intervention Play Test: Destruction & Fast Fiction die Teilnehmer*innen mit der Vergänglichkeit von Kunst konfrontierte. Niusha Ramzanis Do You Hear the People Sing? und Spill the Tea bewertete Protestsongs und Tratsch als Aktionen des Widerstands neu, während Oliver Gudzowskis Old Way Voguing OTA Sessions queere Sichtbarkeit durch den Tanzstil Voguing feierte. Viviane Tabachs Underlands erforschte nicht-mensch- liche Kommunikation; ihre Walk Poems machten das Gehen zu einer kreativen Praxis. Diese Interventionen ermöglichten es den Teilnehmer*innen, ihre Persön- lichkeit in die Ausstellung mit einzubringen. Rückblickend ist es wichtig herauszustellen, dass Radical Playgrounds im Kern ein Experiment war. Seit langem versuchen Kulturinstitutionen, Teil- habeprogramme zu entwickeln, die der Öffentlichkeit eine Form der Mitarbeit 100

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ermöglichen. Manchmal gelingt es. Eine der größten Hürden war es, Kreativität mit institutionellen Sicherheitsvorschriften wie auch logistischen Notwendig- keiten abzustimmen. Wir wollten zwar eine offene Plattform für Experimente sein, waren aber oft aufgrund von Sicherheitsvorschriften und institutionellen Einschränkungen gezwungen, die ehrgeizigeren Ideen unserer Workshop- leiter* innen und Playworker*innen zurückzuschrauben oder anzupassen. Mit- unter fühlte sich das wie ein Eingriff in den kreativen Prozess an und zeigte, wie schwierig es sein kann, echte Partizipation innerhalb institutioneller Rahmen- bedingungen zu fördern. Angesichts dessen ist es besonders wichtig, darüber nachzudenken, wie Kulturinstitutionen teilhabefördernde Konzepte vollumfäng- lich umsetzen können, vor allem in der Zusammenarbeit mit den Menschen, die zum Mitgestalten eingeladen sind. Während unserer kuratorischen und vermit- telnden Arbeit dachte ich oft an The Participatory Museum, ein Buch der Autorin und früheren Museumsdirektorin Nina Simon, in dem sie erläutert, wie wichtig es für Institu tionen ist, sich als Förderinnen von Zusammenarbeit zu sehen und nicht als Hüterinnen der Kreativität. Simon erklärt, dass die Institutionen, um diesen Paradigmenwechsel zu erreichen, von einer Denkweise profitieren, die eine Einbindung der Gemeinschaft einer strengen Kontrolle vorzieht. Daraus ergeben sich entscheidende Fragen: Was können Institutionen konkret tun, um rigide Strukturen aufzubrechen, die Teilhabe oft einschränken? Wie können sie echte Partnerschaften schließen, die offenen Austausch und Kreativität fördern? In dieser Hinsicht ist Radical Playgrounds ein gutes Beispiel für das Abbauen von Barrieren, das zeigt, wie man diese Ideen sinnvoll einführen kann. Die Wirkung auf die Gemeinschaft der Teilnehmer*innen war beträchtlich. Eine wichtige Erkenntnis, die ich persönlich aus diesem Projekt mitnehme, ist es, loszulassen und Vertrauen in unser Miteinander zu haben. Letztlich, so fasst es Simon zusammen, verbessert ein inklusiverer und kollaborativer Ansatz nicht nur das Erlebnis der Besucher*innen, sondern bereichert auch die Kulturszene um Stimmen und Beiträge der Gemeinschaft, die gehört, wertgeschätzt und in die Struktur der Institutionen eingewoben werden. 61 Siehe Anm. 21, S. 69. 101

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Radical Playgrounds transformed the surroundings of the Gropius Bau into something much more than an art exhibition. An area known as “Gropius Hain” (Gropius Wood) became a communal playground when a parking lot was turned into a park – a space where people from all walks of life were invited to play, engage and collaborate. An extensive outreach programme included workshops, talks and tours, unfolding an additional, participatory dimension of this project. These elements, together with guidance offered by the playworker team, invited a broad audience to actively partake, think, reflect and practice. A dialogue around the themes of play, collaboration and social interaction was fostered, with participants ranging from children to families. As the assistant curator of Radical Playgrounds, I had the opportunity to lead tours for various groups including outreach teams from cultural institutions, students and artists. It was fascinating to witness how many participants’ inner child emerged during these tours. We often paused as people eagerly walked through Raul Walch’s pond (A Fountain of Knowledge), swung on Joar Nango’s Sámi swings (A Birch Tree Burr Swing), or crawled into Yvan Pestalozzi’s iconic Lozziwurm. Each tour also sparked discussions on how Radical Playgrounds had transformed a parking lot into a creative space. The stark contrast between this dynamic project and the often-sterile environment of Potsdamer Platz prompted vivid reflection among participants, underscoring the need for such communal spaces. Many visitors expressed concern about the future of the site, high- lighting how connected they felt to this outdoor space of creativity and play. One further notable aspect was to observe how our work resonated with visitors and how they took ownership of Radical Playgrounds. From the begin- ning, the project sparked active engagement, which, we know, is never easy. The visitors were encouraged to extend the functionality of the artworks, trans- forming them in unexpected ways. An example of this interaction can be seen in Florentina Holzinger’s Halfpipe. Bent Metal on 2 Cars, an installation initially in- tended for skaters but joyfully coopted by children as a slide. Similarly, the outer walls of Secret Garden were originally covered with drawings by Irad Verkron, but were then extended with vivid chalk drawings created by visitors over the dura- tion of Radical Playgrounds. By allowing visitors to actively shape and redefine the artworks through their own experiences, the project became both vibrant and dynamic. It embodied the essence of play: spontaneous creation and re- creation. The people turned the entire site into their own playground, funfair and park. It became a communal space for gathering, hanging out, playing games, reflecting in silence and enjoying each other’s company. Visitors didn’t just pass through the exhibition, but stayed and made it a part of their daily lives. Radical Playgrounds evolved with a series of open weekly workshops and talks. Co-created by invited artists, urban designers and local collectives, these sessions ranged from hands-on activities to conceptual explorations. For exam- ple, participants constructed architectural systems using bamboo stems led by the collective umschichten, creating “bridges for parasites” in the work Build- ing Parasitic Connections on Radical Playgrounds. And when Kerstin Brätsch launched her play space BAUBAU within Gropius Bau,62 she and art mediator Jana Dohmann invited children and pupils from a neighbouring school, Heinrich- von-Stephan-Gemeinschaftsschule, to craft clay monster sculptures, which were exhibited on site (Creating Fantastic Beings). Stella Flatten’s collective digging session What Do We Dig Up Through Our Movements? directly refer- Foto S. | Photo p. 102: Parasitäre Verbindungen bauen für Radical Playgrounds | Building Parasitic Connections on Radical Playgrounds von | by umschichten Foto S. | Photo p. 103: Unter dem Pflaster liegt das Spiel! | Beneath the Stones, Play Emerges! von | by Maria Saridaki 105

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enced the excavation installation of The School of Mutants in its reflection on cultural memory and history. The installation invited the audience to dig, unearth artefacts, and store them in resealable bags. These finds were then assessed by specialists from various museums and subsequently displayed on the walls of the Secret Garden. The talks programme featured contributions from Gabriela Burkhalter of The Playground Project, Franklin Kirimi from Kounkuey Design Initiative (KDI) Kenya and Indian artist Sreejata Roy. Kirimi shared how KDI uses urban design to collaboratively build playgrounds together with children in Kibera. Roy offered insight into her public art interventions over the past decade, which empowered young girls and women in Mumbai to reclaim their space in a male-dominated urban landscape. These discussions illustrated how the concept of play can serve as a tool for social change across different contexts. The playworker team was at the heart of Radical Playgrounds. This eclectic group came from diverse backgrounds including cultural pedagogy, art history, political education and social work. They guided visitors, facilitated educational and artistic interventions and ensured the space remained inclusive. Various interventions, so-called activations, explored the relationship between art, technology and chaos. Daria Redkina’s Solar Sounders engaged with the interplay between art and natural forces, with electronic robots responding to sunlight, inviting reflection on technology and the environment. This dialogue extended to LUST & FOUND by Oliver Gudzowski and Garance Maurer, where a spontaneous exploration of shapes and colours encouraged participants to embrace chaos as a form of artistic expression. In Garance Maurer’s Conversas #57– #60, more intimate dialogues created intersections between art and personal stories. Other projects like Jakob Eichhorn’s Histories of Play and SPÄTISPÄTI’s satirical CARESINO provoked reflections on the commodification of public space. Max Reiniger’s Ofﬂine Berlin: Fundraising Dinner used com- munal meals as a platform for dialogue, while his Play Test: Destruction & Fast Fiction challenged participants to confront the impermanence of art. Niusha Ramzani’s Do You Hear the People Sing? and Spill the Tea reframed protest songs and gossip as acts of resistance, while Oliver Gudzowski’s Old Way Voguing OTA Sessions celebrated queer visibility through voguing. Viviane Tabach’s Underlands explored non-human communication while her Walk Poems turned walking into a creative practice. These interventions allowed the audience to shape their experience into something personal. Looking back, it’s important to acknowledge that Radical Playgrounds was, at its core, an experiment. There is a long history of cultural institutions attempting to create participatory programmes that enable the public to be co-creators, and sometimes they succeed. One of our greatest obstacles was balancing creativity with institutional safety regulations as well as logistics. While we aimed to offer an open platform for experimentation, the practicalities of safety regulations and institutional limitations often required us to scale back or adjust the more ambitious ideas of our workshop leaders and playworkers. Sometimes this felt like an intrusion on the creative process, which highlights how difficult it is to foster true co-creation within institutional frameworks. In light of these challenges, it is essential to consider how cultural institutions can evolve to embrace participatory concepts more fully, particularly in collaboration with co-creators. During our curatorial and outreach work, I regularly thought of The Participatory Museum by author and former museum director Nina Simon, a book detailing how it is crucial to reimagining the role of institutions as facil- itators of collaboration rather than gatekeepers of creativity. To achieve this shift, Simon explains how institutions can benefit from adopting a mindset that 106

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privileges community involvement and shared ownership over rigid control. This raises some key points: what can institutions actually do to break down strict structures that often limit participation? How can they create real partnerships that promote open exchanges of ideas and creativity? In this regard, Radical Playgrounds serves as a powerful example of how to break down barriers and offers valuable insights into implementing these ideas effectively. The impact on the community and its participants has been significant. One key lesson I personally have taken away from this project is the importance of letting go and placing trust in our collaborations. In the end, as Simon summarises, adopting a more inclusive and collaborative approach not only improves the visitor expe- rience but also contributes to a richer cultural scene, where community voices and contributions are celebrated and woven into the fabric of institutions. 62 See note 22, p. 80. Foto S. | Photo p. 108: Solar Sounders von | by Daria Redkina Foto S. | Photo p. 109: Strippen. Wir bauen akustische Umgebungen aus Wäscheleinen & Klavierdraht | Strings. How To Build Acoustic Environments Out Of Washing Lines & Piano Strings von | by Camille O & Simon Bauer 107

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Städte sind schon verrückte Collagen. Man kann sie auf vielschichtige Weise lesen und als Architekt*in tut man gut daran, so viele dieser Betrachtungsweisen eines Ortes wie möglich zu berücksichtigen, bevor man etwas daran ändert. Einiges von dem, was wir sehen können, ist nicht nur, was es vorgibt zu sein. Die Metaphysik eines Ortes, zumal in der Mitte einer Stadt, setzt sich aus Schichten zusammen. Die Oberflächen des gebauten Raums, ihre Formen und Farben und wie sie auf die Jahreszeiten reagieren – traditionelle Aspekte der Betrachtung von Architektur –, sind nur die äußere Hülle. Die schönen Erinne- rungen und die schlimmen Traumata der Geschichte menschlicher Nutzung machen ein Grundstück zum Ort, seine formellen und informellen Aneignungen, vor allem auch durch nichtmenschliche Gegenwarten, machen ihn zum Raum. Seine eingeschriebenen Zuständigkeiten, derzeitigen Regeln und Gesetze, seine Eigentümer*innenschaften beeinflussen Transformationen, aber auch Planun- gen, Sehnsüchte und andere Zukunftsprojektionen bilden tieferliegende Schich- ten, die weitsichtige Architekt*innen versuchen zu analysieren, bevor sie einen Vorschlag machen. Wände, Dächer, Türen, Treppen, Abflussrohre und was sich sonst im Baukasten der Architekt*innen findet, geben all diesen Schichten nur eine haptische Form – im besten Fall verändert das alle Schichten zum Besseren. Um die Dimension zu ermessen, auf die sich solche Parameter beim Park- platz des Gropius Bau summieren, brauchen wir dort nur die Augen zu schließen und uns, am besten in Bewegung, auf das zu konzentrieren, was wir nun mit den verbliebenen Sinnen wahrnehmen. Wir können aber auch alte Stadtpläne anschauen, mit den Menschen des Grünflächenamts sprechen oder mit Shani Leidermann, die hier seit ein paar Jahren im Sommer das Restaurant Beba betreibt, mit den Fahrer*innen der Reisebusse, die hier auf die Rückkehr ihrer Tourist*innen warten, oder mit den Kindern aus dem benachbarten Wohnge- biet. Sie alle haben eine andere Wahrnehmung von dieser platanenüberdachten Kopfsteinpflasterfläche. Einige Leute haben noch erlebt, wie hier das Königliche Museum für Völkerkunde stand, wie es 1961 abgerissen wurde und wie einige Jahre danach hier neben der Mauer das Autodrom von Straps-Harry betrie- ben wurde, wo jeder in alten Schrottautos führerscheinfrei Autofahren lernen konnte. Verschwunden sind nicht nur die strittigen Artefakte aus dem Museum, dessen Wände und alles, was hier vorher einmal war, sondern auch die vielen Ideen dazu, wie das gesamte Gelände um das ehemalige Kunstgewerbemuseum (heute der Gropius Bau), das Prinz-Albrecht-Palais, die zerstörte Kunstgewer- beschule (unter den Nazis Gestapo-Hauptquartier und jetzt Dokumentations- zentrum „Topographie des Terrors“) und unser Parkplatz, in der geteilten Stadt neugestaltet werden könnte. Die Westtangente der Stadtautobahn zum Beispiel sollte hier hindurchgehen. Später ein Gedenkhain gepflanzt werden. Allein die Platanen, die heute hier in Reih und Glied stehen, erinnern an den Siegerentwurf des Wettbewerbs von 1984. Jürgen Wenzel und Nikolaus Lang hatten dieses Baumraster über den ganzen Block vorgeschlagen, allerdings aus Kastanien. Ich erinnere mich an zwei große Momente meiner Zeit in Berlin, die mit diesem Ort und seiner Umgebung zusammenhängen: die apokalyptische Perfor- mance Embryonale Evolutionäre Stauforschung des RA.M.M.-Theaters, deren Akteur*innen 1991 kurz nach Abbau der Mauer auf der Stresemannstraße rund zwanzig Autos kurz und klein sägten, und an das Musterhaus des Künstlerduos Köbberling/Kaltwasser aus dem Jahr 2005. Das war eine Eins-zu-eins-Kopie des digitalisierten Einfamilien-Musterhauses, das die Telekom kurz zuvor an der Leipziger Straße aufgestellt hatte, gebaut, radikal analog, aus Abfallholz. Beide wurden wichtige Orientierungspunkte für die räumliche Materialisierung von Radical Playgrounds. 111

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Der Pavillon Kraftwerk 2, den wir gemeinsam mit Freunden des kürzlich verstorbenen Künstlers Martin Kaltwasser aus seinem Material- und Ideenlager entwickelt haben, erinnert uns noch einmal daran, dass das Automobilzeitalter zu Ende gehen muss. Die Arbeit Halfpipe. Bent Metall on 2 Cars, die wir für Florentina Holzinger entworfen haben, nimmt direkten Bezug auf die Staufor- schung des RA.M.M.-Theaters. Als von Nachhaltigkeit träumende Architekt*- innen sind wir angetreten, den Parkplatz von Autos zu befreien. Daher durften diese beiden Künstler*innen nicht fehlen. Gut, dass Florentina Holzingers Arbeit nun bleiben kann und der gesamte Platz weiterhin für künstlerische Aktionen genutzt wird. Auch der Geheime Garten wird künftig den Autos Fläche abtrotzen. Ein Raum, eingeschlossen in eine doppelte Palisadenwand, die wie ein Westernfort das Innen vor dem Außen schützt. Im Zwischenraum der beiden Wände gibt ein auf- und absteigender Weg wechselnde Perspektiven auf den Ort, seine Bäume und seine neue Nutzungsvielfalt frei. Im Innenraum hat die Künstlergruppe The School of Mutants gemeinsam mit Stella Flatten während der gesamten Aus- stellungszeit kollektiv ein Loch gegraben und so kontinuierlich neue Schichten der Berliner Kolonialgeschichte freigelegt. Über den schwingenden Pfad in der Wand gelangte man auch in ein turmartiges Gebäude, von dessen Spitze man einen Blick über die Baumwipfel auf die Umgebung werfen konnte, der einem unten im Platanenhain verwehrt bleibt. Das Dach des Turms wurde von der ango- lanischen Künstlerin Irad Verkron gestaltet, die uns in ihrer Farb- und Bilderwelt etwas über die Verbindungen ihrer Heimat mit dem Bruderstaat DDR erzählte, wo ihre Eltern studierten und sie zur Welt kam. Unten im Turm befand sich die Frei- spielhalle, die vielen Veranstaltungen ein Dach gab, vor allem den Dance Gather ings der Choreografin Alice Chauchat. Viele der anderen Arbeiten sind von den Künstler*innen so konzipiert worden, dass sie frei im Platanenraum existieren konnten. Die Strohpyramide Jun Juyu Juxuj / Ein Berg von Zeichnungen von Edgar Calel, mit der auch er auf die Geschichte des Ortes sowie dessen Beziehung zu seiner Heimat Guatemala Bezug nahm, das Karussel We Are the Limit of all Things von Mariana Telleria, das die Welt des Spielens von ihrer tragischen Seite zeigte, Joar Nangos A Birch Tree Burr Swing, Tomás Saracenos PlayGround und Céline Condorellis Play for Today, die auf ihre Weise das Spielen auf seine kritischen Daseinsformen untersuchten. Und A Fountain of Knowledge von Raul Walch, ein kleiner Teich mit Fontänen, die man mit Martin Kaltwassers Rädern aus Kraftwerk 2 betrei- ben konnte. Diese Plansche gegen den Klimawandel war der beliebteste Ort an heißen Sommertagen. Ein eigener Raum wurde von uns im Skulpturenvergnügungsparkplatz für die Ausstellung The Playground Project von Gabriela Burkhalter entwickelt, eine nach oben offene Galerie mit Blätterdach und dem einzigen Objekt, das ur- sprünglich für die Nutzung auf Spielplätzen entwickelt worden war, in der Mitte: dem Lozziwurm von Yvan Pestalozzi. In Pestalozzis Schweizer Heimat hat die Bauaufsicht die Nutzung längst verboten und auch in Berlin könnte diese tolle Spielskulptur auf keinem öffentlichen Spielplatz mehr stehen. Bei uns nun Teil einer Kunstausstellung geworden, zeigte der Lozziwurm: Wer etwas in der Stadt verändern will, baut besser keine Spielplätze, denn kaum etwas ist so reguliert. Besser ist es, bespielbare Kunst zu machen. Geheimer Garten | Secret Garden mit | with Skywalk 113

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Cities are crazy collages. One can read them in many different ways, and as an architect, one would do well to consider as many ways of perceiving a place as possible before making any changes. Some of what we can see is not only what it pretends to be. The meta- physics of a place, especially in the centre of a city, is made up of layers. The surfaces of the built space, their shapes and colours, and how they react to the seasons – traditional aspects of looking at architecture – are only the outer shell. The beautiful memories and the terrible traumas of the history of human use make a site a place, while its formal and informal appropriations, especially also by non-human presences, make it a space. Its inscribed responsibilities, current rules and laws, and ownership influence prospective transformations, with plans, desires and other future projections forming deeper layers that far-sighted archi- tects try to analyse before making a proposal. Walls, roofs, doors, stairs, drain- pipes and whatever else can be found in the architect’s construction kit only give all these layers a haptic form – in the best case, this changes all layers for the better. In order to gauge the dimensions that such parameters add up to in the Gropius Bau car park, we only need to close our eyes and concentrate, pref- erably while moving, on what we now perceive with our remaining senses. We can, however, also look at old city maps, talk to the people from the department of green spaces or to Shani Leidermann, who has been running the Beba res- taurant here in the summer for a few years now, to the drivers of the coaches waiting here for their tourists to return, or to the children from the neighbouring residential area. They all have a different perception of this plane tree-covered cobbled area. Some people still remember how the Royal Ethnological Museum (Königliches Museum für Völkerkunde) stood here, how it was demolished in 1961 and how, a few years later, Straps-Harry’s Autodrom was run here next to the Wall, where anyone could learn to drive in old scrap cars without a licence. Gone are not only the controversial artefacts from the museum, its walls and everything that used to be here, but also the many ideas about how the entire area around the former Museum of Decorative Arts (Kunstgewerbemuseum, now the Gropius Bau), the Prinz-Albrecht-Palais, the destroyed School of Ap- plied Arts (Kunstgewerbeschule, Gestapo headquarters under the Nazis and now the “Topography of Terror” Documentation Centre) and our car park could be redesigned in the divided city. The western bypass of the city motorway, for example, was to pass through here. Later, a memorial grove was to be planted. Only the plane trees that are standing in rows here today are reminiscent of the winning design from the 1984 competition, in which Jürgen Wenzel and Nikolaus Lang proposed this grid of trees across the entire block, albeit comprising chest- nut trees. I remember two great moments of my time in Berlin that are connected to this place and its surroundings: the apocalyptic performance Embryonale Evo- lutionäre Stauforschung by the RA.M.M. Theatre, whose actors sawed around twenty cars to pieces on Stresemannstrasse in 1991 shortly after the Wall was dismantled, as well as the model house by the artist duo Köbberling / Kaltwasser from 2005, which was a one-to-one copy of the digitalised single-family model house that Telekom had erected on Leipziger Strasse shortly before, built, in a radically analogue manner, from waste wood. Both became important points of reference for the spatial materialisation of Radical Playgrounds. The Kraftwerk 2 pavilion, which we developed together with friends of the recently deceased artist Martin Kaltwasser from his store of ideas and materials, reminds us once again that the age of the automobile must come to an end. The work Halfpipe. Bent Metall on 2 Cars, which we designed for Florentina Holzinger, 115

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directly refers to the RA.M.M. Theatre’s traffic jam research. As architects dreaming of sustainability, we set out to free the car park from cars. Therefore, these two artists were not to be missed. It’s good that Florentina Holzinger’s work can now stay and the entire square will continue to be used for artistic activities. The Secret Garden will also wrest space away from the cars in future, comprising an interstice enclosed in a double palisade wall that protects the in- side from the outside, like in a fort of the American Old West. In the gap between the two walls, an ascending and descending path offers changing views of the site, its trees and its new diversity of use. Inside, the artist group The School of Mutants, together with Stella Flatten, collectively dug a hole for the entire duration of the exhibition, continuously uncovering new layers of Berlin’s colo- nial history. The swinging path in the wall also led to a tower-like building, from whose top visitors could enjoy a view over the treetops to the surrounding area, which they could have otherwise not experienced from the plane tree grove below. The roof of the tower was designed by Angolan artist Irad Verkron, whose world of colour and images told us something about the connections between her homeland and its fraternal country, the GDR, where her parents studied and where she was born. At the bottom of the tower was the Main Hall, which provided a roof for many events, especially the Dance Gatherings organised by choreographer Alice Chauchat. Many of the other works were conceived by the artists in such a way that they could exist freely in the plane tree space. The straw pyramid Jun Juyu Juxuj / A Mountain of Drawings by Edgar Calel, with which he too referred to the history of the location and its relationship to his native Guatemala, the carousel We Are the Limit of all Things by Mariana Telleria, which showed the world of play from its tragic side, Joar Nango’s A Birch Tree Burr Swing, Tomás Saraceno’s Play-Ground and Céline Condorelli’s Play for Today examined play in terms of its critical forms of existence in their own way. And A Fountain of Knowledge by Raul Walch, a small pond with fountains that could be operated with Martin Kaltwasser’s wheels from Kraftwerk 2. This paddling pool against climate change was the favourite spot on hot summer days. We developed a separate room in the Sculpture Amusement Car Park for the exhibition The Playground Project by Gabriela Burkhalter, a gallery open at the top with a leafy roof and the only object originally developed for use in playgrounds in the centre: the Lozziwurm by Yvan Pestalozzi. In Pestalozzi’s native Switzerland, the building authorities have long since banned its use and in Berlin, too, this fantastic play sculpture may no longer stand in any public play- ground. Now part of an art exhibition here, the Lozziwurm shows that if you want to change something in the city, it is better not to build playgrounds, because hardly anything is as regulated as they are. It is better to make playable art. Turm der Freispielhalle | Tower of the Main Hall 117

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„Hier ist mehr erlaubt als verboten“ Jenny Schlenzka im Gespräch Zwischen dem Kunstparcours Radical Playgrounds im Gropius Hain, kura- tiert von Joanna Warsza und Benjamin Foerster-Baldenius, und BAUBAU63, dem Spielort für Kinder im Gropius Bau, gibt es zahlreiche Bezüge – von der Wahl der historischen Vorbilder bis zu gemeinsamen Zielsetzungen. Jenny Schlenzka, Direktorin des Gropius Bau, erhofft sich von der Auseinanderset- zung mit dem Spielen das Aufweichen verhärteter Strukturen und hat dabei sowohl ihr Ausstellungshaus wie die Gesellschaft als Ganzes im Blick. Bis vor zwei Monaten hat sich der Kunstparcours Radical Playgrounds im Gropius Hain ausgebreitet. Was ist Ihnen von dieser Zeit, den elf Wochen zwischen April und Juli, besonders in Erinnerung geblieben? Radical Playgrounds war ein tolles Projekt für den Einstieg in meine neue Rolle als Direktorin des Gropius Bau. Spielplätze, generell die Themen „Spiel“ und „Theorie des Spielens“, interessieren mich schon seit langem und entsprechend wollte ich als Kura- torin immer dazu arbeiten. Es war also ein großes Glück, dass die Berliner Festspiele ähnliche Ideen und ähnli- che Vorstellungen hatten. Mich hat an Radical Playgrounds auch interessiert, dass es draußen stattgefunden hat. Ich denke viel darüber nach, wie der Gropius Bau seine Hülle, man kann ja schon fast sagen: seinen Elfenbein- turm, durchbrechen kann. Von außen abgeschottet zu sein, war sicher im Baujahr 1881 so gewollt, aber jetzt möchten wir genau das Gegenteil; dass das Gebäude viel transparenter, durchlässiger und offener wird. In Erinnerung geblieben ist mir außer- dem, dass der Start von Radical Play grounds mit dem Frühlingsbeginn zusammengefallen ist. Die ersten warmen Sonnentage, Kinder, die durch die Gegend rennen, die Erwachsenen sind relaxed … Ich glaube, es war die Künstlerin Kerstin Brätsch, die gesagt hat: „Endlich sehen die Bäume mal glücklich aus.“ Denn eigentlich ist der Gropius Hain ja der Parkplatz des Gropius Bau und die Bäume trennen die einzelnen Parkplätze ab, als hät- ten sie nur diese eine Funktion. Jetzt durften sie einfach Bäume sein. Darauf haben natürlich die Kinder und auch ihre Erwachsenen sofort reagiert. Und diese Atmosphäre, eine gewisse Leich- tigkeit, eine Freude, das Gefühl von Frühling; das wird mir in Erinnerung bleiben. War das für Sie, für den Gropius Bau, auch ein Moment, an dem klar wurde: „Okay, das ist also möglich“? Denn die Idee, etwas mit dem Parkplatz zu machen, gibt es ja schon länger. 118

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Meine Vorgängerin Stephanie Rosen- thal und ihr Team, aber vor allem auch der Künstler Zheng Bo, haben schon sehr viel an dem Parkplatz gearbeitet, ihn auch zu „Gropius Hain“ umbenannt und Räume geschaffen, an denen man sich aufhalten kann. Ideen gab es also schon, aber ich glaube, dass Radical Playgrounds – und dazu passt das Wort „radikal“ sehr gut – wirklich allen einmal das Potenzial dieses Areals gezeigt hat; dass man daraus einen öffentlichen Ort machen kann, der von der Umgebung und den Familien mit Kindern und Erwachsenen genutzt wird. Ich glaube, dieses Bild kriegt niemand mehr aus dem Kopf. Seit- dem sind auch Diskussionen darüber, dass man den Parkplatz umfunktio- niert – die vorher schwierig waren –, viel einfacher geworden. Dazu kommt natürlich auch ein anderes Bewusst- sein für Autos und die Frage, was man als Gesellschaft nach der Ära des Autos macht. Was passiert mit den entsprechenden Räumen, wie zum Beispiel diesem Parkplatz? Wie kann man einen solchen Ort umfunktionie- ren? Das ist eine Entwicklung, die erst in den letzten fünf bis zehn Jahren aufgekommen ist und sich durch die Pandemie noch einmal verstärkt hat. Denkt der Gropius Bau auch über die weitere Nutzung des Außenraums nach und wie Radical Playgrounds weiter- wirken kann? Absolut, ja. Wir konnten Arbeiten und Pavillons behalten. Die Skaterampe von Florentina Holzinger wurde so umfunktioniert, dass sie wetterfest ist und an ihrem Platz auch über meh- rere Jahre stehenbleiben kann. Und auch der Geheime Garten mit Skywalk wird bleiben, er wird jetzt von Kerstin Brätsch umgestaltet. Wir denken über einen weiteren Garten oder einen Park nach und wie wir das Innen und Außen besser verbinden können. Nach dem Ende von Radical Play- grounds im Gropius Hain hat jetzt im Gropius Bau ein Spielort für Kinder geöffnet: BAUBAU. Eine Ausstellung hört außen auf und innen geht es wei- ter. Gibt es eine gedankliche Verbin- dung zwischen Radical Playgrounds und BAUBAU? Ein großes Vorbild für beide Projekte ist die Ausstellung Modellen von Palle Nielsen und Gunilla Lundahl aus dem Jahr 1968.64 Die Projekte hatten und haben alle ein großes Interesse an den sogenannten Abenteuerspielplätzen, also der Philosophie des freien Spiels für Kinder und vor allem dem selbst- bestimmten Spiel, bei dem die Kinder sich ihre Umgebung selbst schaffen können und ihnen das Spiel nicht vor- gegeben wird. Das klingt immer so einfach und selbstverständlich. Wenn man aber darüber nachdenkt, haben Kinder eigentlich kaum mehr Räume, in denen ihnen nicht etwas vorgesetzt oder vorgegeben wird – sei es von der Spielzeugindustrie oder von den Spielplatzarchitekt*innen. Und beide Projekte versuchen, einen Ort zu schaffen, an dem es zum freien Spiel kommen kann. Palle Nielsens Modellen hat damals das Moderna Museet in Stockholm völlig eingenommen, vereinnahmt. Von heute aus betrachtet: Was war für Sie das Spektakuläre an der Ausstellung? Nielsen hat den damals legendären Museumsdirektor des Moderna Mu- seet, Pontus Hultén, davon überzeu- gen können, das gesamte Museum freizuräumen und in einen riesigen Abenteuerspielplatz zu verwandeln. Das hat er zusammen mit einer Gruppe von Aktivist*innen dann umgesetzt. Ich finde so wichtig, dass alles in einem Museum stattgefunden hat und nicht in irgendeiner leerstehenden Halle. Dann würden wir heute nicht mehr darüber sprechen. Aber das Museum ist ein Ort, an dem die Ge- sellschaft zusammenkommt und das präsentiert, was ihr wichtig ist. Und in diesen Ort freispielende Kinder zu 119

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BAUBAU im | at Gropius Bau setzen, war damals ein radikaler Akt und ist es eigentlich immer noch. Und der Legende nach ist es bis heute die meistbesuchte Ausstellung, die das Moderna Museet je hatte. Seit ich vor ungefähr zehn Jahren das Buch von Lars Bang Larsen über Modellen gelesen habe, war mein Wunsch, etwas Ähnliches auch ein- mal zu machen. Mir ist in meiner Arbeit immer wichtig, die Kunst dem Leben näher zu bringen, oder das Leben in die Kunst zu bringen, sodass Men- schen, wenn sie in ein Museum oder in eine Ausstellung gehen, das Gefühl haben: Hier passiert etwas, hier ver- ändert sich etwas, das hat mit mir und meinem Leben zu tun. Ich habe gar nichts gegen das klassische Museum, in dem ich mir Gegenstände anschaue, die hunderte von Jahren alt sind. Aber ich arbeite ja hauptsächlich mit zeit- genössischer Kunst. Und da ist mir in Ausstellungen, oder generell in Kunst, das Lebendige wichtig – dazu gehört für mich das Verspielte; das, was man nicht vorhersehen kann, wenn man im Moment erst eine Sache oder Ge- schichte erfindet; das, was nicht fix ist und nie so bleibt, wie es gerade ist. Wenn Sie sich diesen Wunsch, das For- mat des Spiels oder auch des Aktions- raums in ein Museum zu holen, jetzt mit BAUBAU erfüllt haben und zusammen mit der Künstlerin Kerstin Brätsch um- setzen: Was macht den Gropius Bau in diesem Zusammenhang besonders? Als ich die Position als Direktorin an- genommen habe, war ein wichtiger Gedanke, dass ich gerne eine Insti- tution leiten würde, die sich lebendig anfühlt und von der sich eine breitere Öffentlichkeit angesprochen fühlt. Um BAUBAU, also diesen Spielort, zu ge- stalten, haben wir uns beraten lassen von sogenannten Playworker*innen. Das sind größtenteils Pädagog*innen einer Bewegung, die aus Großbritan- nien kommt und die sich aus der Bewe- gung rund um Abenteuerspielplätze entwickelt hat. Wir haben sie gefragt: „Was müssen wir für Räume bauen?“ 120

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Uns war ja klar, dass ein Abenteuer- spielplatz mit Sägen und Hämmern und Brettern und Nägeln, so gerne ich das hätte, durch das Sicherheitskonzept des Gropius Bau einfach nicht umsetz- bar ist. Aber es war toll, während der Recherche zu merken, dass wir eigent- lich die Nägel und die Sägen und die Bretter gar nicht brauchen, sondern viel eher sogenannte loose parts. Das sind Materialien, die nicht vorgegeben sind. Das kann ein Karton sein oder ein alter Autoreifen oder eine Plastik- röhre oder es sind Bretter oder Kissen, die die Kinder frei bewegen und so umfunktionieren können, wie sie es gerade brauchen. Und diese loose parts sind auch, glaube ich, was uns von anderen Kinderorten in Museen unterscheidet. Und was gerade für ein Ausstellungs- haus sehr interessant ist: Die Play- worker*innen haben uns gesagt, dass wir einen Raum bauen müssen, an dem die Kinder, wenn sie reinlaufen, sofort spüren, dass sie hier machen dürfen, was sie wollen. Dass wir einen yes space bauen müssen, einen Ort, an dem mehr erlaubt ist als verboten. Daran gefällt mir so gut, dass natürlich ein Ausstellungshaus wie der Gropius Bau für Kinder normalerweise genau das Gegenteil ist. Sie dürfen dort nicht rennen, sie dürfen dort nicht laut sein, sie dürfen dort nichts anfassen. Und BAUBAU ist sozusagen die Antithese. Zum Leben erweckt hat BAUBAU die Künstlerin Kerstin Brätsch, zusammen mit Architekt*innen und Handwerker*- innen und vielen weiteren Menschen. Was zeichnet Kerstin Brätsch in Ihren Augen aus? Ich finde Kerstins Arbeiten sehr ver- spielt, sie haben etwas Kindliches, sind sehr bunt. Kerstin kooperiert häufig mit anderen Künstler*innen und Handwerker*innen. Und sie hat auch in der Vergangenheit schon viele Orte gestaltet, zum Beispiel ein Café im Museum of Modern Art (MoMA) in New York oder einen Aufenthaltsraum im Fridericianum in Kassel. Und diese Räume haben mir gefallen. Das waren Nutzräume, da hat sie keine Berüh- rungsangst. Wir mussten ja auch eine Künstlerin finden, die damit einver- standen ist, dass mit ihrer Kunst etwas passiert. Aber ich glaube, ausschlag- gebend für mich war, dass sie im Café im MoMA, wo es viel schwarzen Mar- mor gibt, Zeichnungen von Dinosau- riern angebracht hat; und zwar unter der Theke, wo man als Erwachsener nicht wirklich hinsieht. Das hat sie mir damals gezeigt und gesagt: „Das ist nur für die Kinder.“ Sie ist eine Künstle- rin, die daran denkt, was die Kinder auf ihrer Augenhöhe sehen. Sehen Sie das auch so, dass wir ge- sellschaftlich, politisch, global in einer stark angespannten Situation sind? Und dass deswegen das Spiel oder dieser Fokus aufs Spiel besonders auffällt? Ja, es ist eine sehr un-verspielte Zeit. In dem Zusammenhang ist eine historische Recherche zu Abenteuer- spielplätzen interessant: Viele sind in Krisenzeiten entstanden. Die ersten waren Ruinen. Es gibt Spielplätze in Japan, die direkt nach dem Abwurf der Atombomben entstanden sind. Menschen haben damals beobach- tet, wie heilend es ist, wenn Kinder Dinge nachspielen können. Ich glaube wirklich, dass das Spiel in Krisenzei- ten neue Relevanz bekommt. Das ist eigentlich kontra-intuitiv, weil man so genau das Gegenteil von verhärteten Fronten, von fixierten Meinungen und dem Zustand, dass niemand zurück- weichen will, erzeugt. Daher kommt womöglich auch eine Sehnsucht nach dem Spielen. Es gibt ja viel Forschung dazu und demnach führt vor allem bei Kindern das Spiel auch zu Problemlösungen: Man ist experimenteller, man probiert Sachen aus, die man sich in der Reali- tät nicht trauen würde oder zutraut. Deswegen gibt es eine gewisse Offen- heit dafür, dass wir dieses Thema in 121

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den Fokus stellen, aber es gibt eben auch Irritation. Ich habe zum Beispiel die Kritik gehört: „Wir sind hier in einer Krise nach der anderen und ihr redet übers Spielen.“ Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga hat als Erster über Spiel als gesellschaftliche Form gesprochen und er meinte, dass das Spiel im Endeffekt eine todernste Angelegenheit ist. Wir haben ja auch schon darüber gesprochen, dass durch Formate wie BAUBAU potenzielle neue Besucher*innen auf das Haus auf- merksam gemacht werden können. Wie wird das Angebot vonseiten des Gropius Bau in die Stadt getragen? Für mich war von Anfang an klar, dass wir dieses Projekt nur machen können, wenn es dauerhaft ist. Radical Play grounds gab es für elf Wochen – an- ders war das bei der Größe auch nicht zu machen –, BAUBAU wird es für min- destens drei Jahre geben. Außerdem ist der Besuch von BAUBAU kosten- frei. Indem wir Kitas und Schulen ein- laden, hoffen wir, dass Kinder ins Haus kommen, die sonst nicht mit ihren Eltern am Wochenende ins Museum gehen oder sich Ausstellungen an- sehen. Spiel ist ja etwas sehr Zugäng- liches, auf das Kinder und Erwachsene instinktiv reagieren. Meine Hoffnung ist, dass dadurch ein neues Gefühl ent- steht; dass der Gropius Bau nicht mehr dieser angsteinflößende Tempel aus Gold und Marmor ist, sondern man hier als ganzer Mensch wahrgenommen und angesprochen wird. Wenn Sie davon träumen, wie BAUBAU weiterwächst, wie sieht das aus? Geplant ist, dass BAUBAU sich noch im Westflügel breitmacht, aber auch nach draußen wandert. Wir träumen von einer Brücke bis zum Geheimen Garten. Wir würden BAUBAU gerne so ausdehnen, dass der Großteil des Parkplatzes wirklich zum öffentlichen Park wird. Und mein persönlicher 122 Traum ist, dass – natürlich nicht per- manent, aber für die Dauer einer Aus- stellung – der gesamte Gropius Bau ein Abenteuerspielplatz wird. Das Gespräch führte Julia Grosse am 17. September 2024. 63 Siehe Anm. 21, S. 69. 64 Siehe Anm. 1, S. 27. Foto S. | Photo p. 123: Gestaltung von BAUBAU durch | BAUBAU design by Kerstin Brätsch Foto S. | Photo pp. 124 / 125: Play Day am 30. Juni 2024 | on 30 June 2024

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“More Is Allowed Here Than Is Forbidden” Jenny Schlenzka in Conversation There are numerous links between the Radical Playgrounds art parcours in the Gropius Wood, curated by Joanna Warzsa and Benjamin Foerster- Baldenius, and the BAUBAU65 play space for children at the Gropius Bau – from the selection of historical models to shared objectives. Jenny Schlenzka, Director of the Gropius Bau, hopes that the exploration of play will soften hardened structures, having in mind both her exhibition hall and society as a whole. Until two months ago, the Radical Playgrounds art parcours was spread out in the Gropius Wood. What do you particularly remember about this pe- riod, the eleven weeks between April and July? Radical Playgrounds was a great pro- ject to start my new role as director of the Gropius Bau. Playgrounds, and the topics of “play” and “theory of play” in general, have interested me for a long time and I always wanted to work on them as a curator. So it was very for- tunate that the Berliner Festspiele had similar ideas and similar visions. What also interested me about Radical Playgrounds was that it took place outside. I think a lot about how the Gropius Bau can break through its shell, its ivory tower, so to speak. Being sealed off from the outside was certainly the intention when it was built in 1881, but now we want exactly the opposite; we want the building to be much more transparent, permeable and open. I also remember that the launch of Radical Playgrounds coincided with the start of spring. The first warm sunny days, children running around, the adults relaxed ... I think it was the artist Kerstin Brätsch who said: “At last the trees look happy for once.” The Gropius Wood is actually the car park of the Gropius Bau and the trees sep- arate the individual parking spaces, as if they only had this one function. Now they were simply allowed to be trees. Of course, the children and their grown-ups reacted to this immediately. And this atmosphere, a certain light- ness, a joy, the feeling of spring; that will remain in my memory. Was that also a moment for you, for the Gropius Bau, when you realised: “Okay, that’s possible?” After all, the idea of doing something with the car park has been around for a while. My predecessor Stephanie Rosenthal and her team, but above all the artist Zheng Bo, have already worked a lot on the car park, renamed it “Gropius Wood” and created spaces where peo- ple can spend time. So ideas already 126

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existed, but I believe that Radical Playgrounds – and the word “radical” fits very well – has really shown every- one the potential of this area; that it can be turned into a public space that is used by the neighbourhood and families with children and adults. I think this image has become in- grained in people’s minds. Since then, discussions about converting the car park – which were difficult before – have also become much easier. Of course, there is also a different aware- ness of cars and the question of what we do as a society after the era of the car. What happens to the correspond- ing spaces, such as this car park? How can such a place be repurposed? This is a development that has only emerged in the last five to ten years and has been further intensified by the pandemic. Is the Gropius Bau also thinking about the further use of the outdoor space and how Radical Playgrounds can con- tinue to have an impact? Absolutely, yes. We were able to dis- play and store some of the works and pavilions. Florentina Holzinger’s skate ramp has been converted so that it is weatherproof and can remain in place for several years. And the Secret Gar- den with the Skywalk will also remain, it is now being redesigned by Kerstin Brätsch. We are thinking about anoth- er garden or a park and how we can better connect the inside and outside. After the conclusion of Radical Play grounds in the Gropius Wood, a play space for children has now opened at the Gropius Bau: BAUBAU. An exhibi- tion ends on the outside and there is a continuation on the inside. Is there a conceptual connection between Radical Playgrounds and BAUBAU? A great example for both projects is the exhibition The Model by Palle Nielsen and Gunilla Lundahl from 1968.66 The projects all had and still have a major interest in so-called adventure playgrounds, that is to say the philosophy of free play for children and, above all, self-determined play, where children can create their own environment and play is not dictated to them. It always sounds so simple and obvious. But if you think about it, there are hardly any spaces left where children don’t have something im- posed onto or prescribed to them – be it by the toy industry or by playground architects. Both projects try to create a place where free play can take place. Palle Nielsen’s The Model completely took over the Moderna Museet in Stockholm at the time. From today’s perspective, what was the most spec- tacular thing about the exhibition for you? Nielsen was able to convince the then legendary museum director of the Moderna Museet, Pontus Hultén, to clear out the entire museum and turn it into a huge adventure playground. He then went on to implement this with a group of activists. I think it’s so important that everything took place in a museum and not in some empty hall. Then we wouldn’t be talking about it today. The museum, however, is a place where society comes together and presents what is important to it. And putting freely playing children in this place was a radical act at the time and actually still is. And legend has it that it is still the most visited exhibition the Moderna Museet has ever had. Ever since I read Lars Bang Larsen’s book on The Model about ten years ago, I’ve wanted to do something sim- ilar. In my work, it is always important to me to bring art closer to life, or to bring life into art, so that when people go to a museum or an exhibition they have the feeling: something is happen- ing here, something is changing here, this has something to do with me and my life. At the same time, I also appre- ciate the traditional museum, where I look at objects that are hundreds of 127

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years old. But I mainly work with con- temporary art. And what’s important to me in exhibitions, or in art in gener- al, is all that is alive – and for me this includes playfulness; what you cannot foresee when you are just inventing a thing or a story; what is not fixed and never stays the way it is. If you have now fulfilled this wish to bring the format of the game or the action space into a museum with BAUBAU and realise it together with the artist Kerstin Brätsch: what makes the Gropius Bau so special in this context? When I accepted the position as direc- tor, an important thought was that I would like to lead an institution that feels alive and appeals to a wider pub- lic. In order to design this play space called BAUBAU, we sought advice from so-called playworkers. For the most part, these are educators from a movement that originated in the UK and developed from the movement around adventure playgrounds. We asked them: “What kind of spaces do we need to build?” We realised that an adventure playground with saws and hammers, boards and nails, as much as I would have liked that, was simply not feasible due to the Gropius Bau’s safety concept. But it was great to realise during the research that we don’t actually need the nails and saws and boards, but rather so-called loose parts. These are materials that are not predefined, and could include a cardboard box, an old car tyre, a plas- tic tube, boards or cushions that the children can move around freely and repurpose as they need to. And these loose parts are also, I think, what sets us apart from other children’s places in museums. And what is particularly interesting for an exhibition hall is that the playworkers told us that we had to build a space where, when the children walk in, they immediately feel that they are allowed to do what they want here. That we have to build a yes space, a place where more is allowed than for- bidden. What I like so much about it is that an exhibition hall like the Gropius Bau is normally exactly the opposite for children. They are not allowed to run there, they are not allowed to be loud there, they are not allowed to touch anything there. And BAUBAU is the antithesis, so to speak. BAUBAU was brought to life by artist Kerstin Brätsch, together with archi- tects, craftspeople and many other people. What characterises Kerstin Brätsch in your eyes? I find Kerstin’s work very playful, it has a childlike quality and is very colourful. Kerstin often collaborates with other artists and craftspeople. And she has also designed many places in the past, for example a café in the Museum of Modern Art (MoMA) in New York or a lounge in the Fridericianum in Kassel. And I liked these spaces. They were usable spaces, she has no fear of con- tact. We also had to find an artist who was happy for something to happen to her art. But I think the deciding factor for me was that in the MoMA café, where there is a lot of black marble, she mounted drawings of dinosaurs under the counter, where you don’t really look as an adult. She showed it to me at the time and said: “That’s just for the kids.” She is an artist who thinks about what the children see at their eye level. Do you agree that we are globally in a very tense situation socially and politically? And that this is why play or this focus on play is particularly noticeable? Yes, it’s a very un-playful time. In this context, historical research on adventure playgrounds is revealing: many were created in times of crisis. The first ones were ruins. There are playgrounds in Japan that were built directly after the atomic bombs were dropped. Back then, people observed 128

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how healing it is when children can play things out. I really believe that play takes on new relevance in times of crisis. It is actually counter-intuitive because it creates the exact opposite of hardened fronts, fixed opinions, and a situation where nobody wants to back down. This may also be where the longing to play comes from. There is a lot of research on this, which says that play also leads to problem solv- ing, especially for children: they are more experimental, they try things out that they wouldn’t dare or wouldn’t have the confidence to do in reality. That’s why there is a certain openness to the fact that we are focussing on this topic, but there is also irritation. For example, I’ve heard the criticism: “We’re in one crisis after another and you’re talking about playing.” The Dutch cultural historian Johan Huizinga was the first to talk about play as a social form, and he said that play is ultimately a deadly serious matter. We’ve already talked about opening up the building and how formats like BAUBAU can attract potential new visitors. How is the Gropius Bau’s pro- gramme being brought to the city? It was clear to me from the start that we could only do this project if it was permanent. Radical Playgrounds ran for eleven weeks – there was no other way to do it given its size – and BAUBAU will run for at least three years. And visiting BAUBAU is free of charge. By inviting daycare centres and schools, we hope that children will come to the building who would other- wise not go to museums or exhibitions with their parents at the weekend. Play is something very accessible that chil- dren and adults instinctively respond to. My hope is that this will create a new feeling; that the Gropius Bau is no longer this daunting temple of gold and marble, but that you are perceived and addressed here as a whole person. When you dream of how BAUBAU will continue to grow, what does that look like? The plan is for BAUBAU to spread out to the west wing, but also to move outside. We are dreaming of a bridge to the Secret Garden. We would like to extend BAUBAU so that the majority of the car park really becomes a public park. And my personal dream is that – not permanently, of course, but for the duration of an exhibition – the entire Gropius Bau becomes an adventure playground. Julia Grosse conducted the interview on 17 September 2024. 65 See note 22, p. 80. 66 See note 2, p. 31. Foto S. | Photo pp. 130 / 131: Gelände mit Freispielhalle während der Eröffnung am 27. April 2024 | Site and Main Hall during the opening on 27 April 2024 129

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Künstler*innen Kunstparcours | Art Parcours Artists Edgar Calel, Jun Juyu Juxuj / Ein Berg von Zeichnungen | A Mountain of Drawings, 2024 Edgar Calel arbeitet mit verschiedenen Medien und er- forscht die Komplexitäten der indigenen Erfahrung, die durch die Maya-Kaqchikel-Kosmovision, Spiritualität, Rituale, Gemeinschaftspraktiken und Überzeugungen zum Ausdruck kommen. Er lebt in Guatemala. | Edgar Calel is a multidisciplinary artist who works with diverse media and delves into the complexity of the indigenous experience, particularly through the lens of the Mayan Kaqchikel cosmovision. Drawing inspiration from spirit- uality, rituals, community practices and beliefs, Calel’s work reflects the rich cultural heritage of Guatemala, where he resides. Céline Condorelli, Play for Today, 2021 / 2024 Céline Condorelli ist eine in London lebende Künstlerin. Sie hat ein langjähriges Interesse an den Begriffen Arbeit und Spiel. Condorellis künstlerische Praxis be- fasst sich mit den Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, Kunst und Funktion, Arbeit und Freizeit, um Kultur und Gesellschaft sowie die Rolle der Künstler*- innen darin neu zu definieren. | Céline Condorelli is an artist based in London. She has a long-standing interest in the notions of work and play, her output addresses the boundaries between public and private, art and function, labor and leisure, in order to reimagine culture and society, as well as the role of artists within them. Florentina Holzinger, Halfpipe. Bent Metal on 2 Cars, 2024 Florentina Holzinger ist Choreografin, Performerin, Stuntfrau und Opernregisseurin und hinterfragt mit ihren innovativen Arbeiten konventionelle Grenzen und Genre- klischees. Sie lebt und arbeitet in Berlin und Wien. | Florentina Holzinger is a choreographer, performer, stuntwoman and opera director who challenges conven- tional boundaries and genre clichés with her innovative works. She lives and works in Berlin and Vienna. Ingela Ihrman, Love Me, Love Me Not, 2024 Ingela Ihrman erforscht auf spielerische und unvoreinge- nommene Weise starke Emotionen des täglichen Lebens zwischen Menschen und Nicht-Menschen, zwischen Kunst, Handwerk und Hobbykultur, zwischen Wissen- schaft und Theater. Sie lebt in Stockholm. | Ingela Ihrman explores strong emotions of everyday life between humans and non-humans, between art, craft and hobby culture, between science and theatre in a playful and awkward manner. She lives in Stockholm. Martin Kaltwasser + Freund*innen | Friends, Kraftwerk 2, 2005 / 2024 Martin Kaltwasser (1965–2022), in Münster geboren, studierte Kunst in Nürnberg, lebte und arbeitete ab 1988 in Berlin. Disziplinübergreifend arbeitete er als Grenzgänger zwischen Architektur, Kunst und Aktivis- mus. | Martin Kaltwasser (1965–2022) was born in Münster, studied art in Nuremberg and lived and worked in Berlin since 1988. He worked across disciplines span- ning architecture, art and activism. Agnieszka Kurant, Quasi-Objects, 2024 Agnieszka Kurant ist eine Konzeptkünstlerin, die in ihren Arbeiten die Phänomene kollektiver und nichtmensch- licher Intelligenz untersucht. Sie lebt und arbeitet in New York. | Agnieszka Kurant is a conceptual artist whose works explore the phenomena of collective and non- human intelligence. She lives and works in New York. 132

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Joar Nango, A Birch Tree Burr Swing, 2024 Joar Nango ist ein norwegisch-sámischer Künstler und Architekt. Er ist Begründer einer mobilen Bibliothek, die auf der Architekturbiennale 2023 im nordischen Pavillon präsentiert wurde, Autor einer postkapitalistischen einheimischen Kinematografie, ein Universalgelehrter und unermüdlicher Denker und Macher. | Joar Nango is a Norwegian-Sámi artist and architect. He is the founder of a mobile library that was presented in the Nordic Pa- vilion at the 2023 Architecture Biennale, the author of a post-capitalist indigenous cinematography, a polymath and a tireless thinker and creator. Vitjitua Ndjiharine, Networked Constellations, 2024 Vitjitua Ndjiharine ist eine multidisziplinäre bildende Künstlerin aus Namibia. Sie entwickelt Strategien, um die pädagogische Funktion von Texten und Bildern aus kolonialen Archiven zu dekonstruieren und neu zu kontextualisieren. Sie war 2022 Artist in Residence der Dekoloniale Berlin und tauchte in die Geschichte des Gropius Hain ein. | Vitjitua Ndjiharine is a multidiscipli- nary visual artist from Namibia. She develops strategies of deconstructing and re-contextualising the pedagogi- cal function of texts and images found within colonial ar- chives. She was a resident at Dekoloniale Berlin in 2022 immersing herself in the history of the Gropius Wood. The Playground Project, kuratiert von | curated by Gabriela Burkhalter, 2013–fortlaufend | ongoing Yvan Pestalozzi, Lozziwurm, 1972 Yvan Pestalozzi (1937–2024) begann seine berufliche Laufbahn als Möbelschreiner. Seit Mitte der 1960er- Jahre war er als Künstler und Eisenplastiker tätig und produzierte unter anderem begehbare und bespielbare Großskulpturen. | Yvan Pestalozzi (1937–2024) began his professional career as a cabinetmaker. He worked as an artist and iron sculptor since the mid-1960s, produ- cing such as large sculptures that can be walked on and played with. Tomás Saraceno, Play-Ground Spider / web vibration, divination… for the terrestrial and cosmic web(s) of life, 2024 Tomás Saraceno ist ein in Argentinien geborener und in Berlin lebender Künstler, dessen Projekte mit Formen des Lebens und der Lebensgestaltung in Dialog treten, indem sie die vorherrschenden Wissensfäden im Zeital- ter des Kapitalozäns neu überdenken und erkennen, wie verschiedene Seinsweisen eine Vielzahl von Schwingun- gen im Netz des Lebens in sich tragen. | Tomás Saraceno is an Argentina-born, Berlin-based artist whose projects dialogue with forms of life and life-forming, rethinking dominant threads of knowledge in the Capitalocene era and recognizing how diverse modes of being engage a multiplicity of vibrations on the Web of Life. The Playground Project ist eine von Gabriela Burkhalter kuratierte Wanderausstellung. Sie basiert auf dem Forschungsprojekt architekturfuerkinder.ch, an dem die Politikwissenschaftlerin und Stadtplanerin seit 2006 arbeitet, und wurde u. a. in der Kunsthalle Zürich, im DAM - Deutsches Architekturmuseum in Frankfurt am Main und in der Bundeskunsthalle Bonn gezeigt. | The Playground Project is an on-going travelling exhibi- tion curated by Gabriela Burkhalter. It is based on the research project architekturfuerkinder.ch, which the political scientist and urban planner has been working on since 2006, and has been shown at venues including the Kunsthalle Zürich, the DAM – Deutsches Architek- turmuseum in Frankfurt / Main and the Bundeskunst halle Bonn. Mariana Telleria, We Are the Limit of all Things / Somos el límite de las cosas, 2011 / 2024 Mariana Telleria ist eine argentinische Künstlerin, die über die kulturelle Bedeutung alltäglicher Dinge, die Verwendungsmöglichkeiten von Formen und die Art und Weise nachdenkt, wie die menschliche Zivilisation durch Metaphysik, Kosmogonie oder Philosophie definiert wird. | Mariana Telleria is an Argentinian artist reflecting on the cultural meaning of everyday things, the possible uses of forms and the way human civilisation is defined by metaphysics, cosmogony or philosophy. 133

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The School of Mutants, (Horacio Cadzco, Hamedine Kane, Boris Raux & Stéphane Verlet-Bottéro) + Stella Flatten, The Dig, 2024 The School of Mutants (Horacio Cadzco, Hamedine Kane, Boris Raux und Stéphane Verlet-Bottéro) ist eine kollaborative Plattform für Kunst und Forschung, die 2018 in Dakar, Senegal, gegründet wurde. Ausgehend von der Erforschung der pädagogischen Utopien im Senegal nach der Unabhängigkeit reflektiert das Kol- lektiv über das Erbe des afrikanischen Futurismus, die Bewegung der Blockfreien Staaten und Solidarität. Es hat seinen Namen von der 1978 auf der senegalesischen Insel Gorée gegründeten University of Mutants über- nommen, die dafür bekannt ist, die westliche episte- mologische Autorität infrage zu stellen. | The School of Mutants (Horacio Cadzco, Hamedine Kane, Boris Raux and Stéphane Verlet-Bottéro) is a collaborative platform for art and research initiated in 2018 in Dakar, Senegal. Departing from research into the pedagogical utopias in post-independence Senegal, the collective reflects on the legacies of African futurism, the Non-Aligned Movement and Southern solidarities. It borrows its name from the University of Mutants, established in 1978 on the island of Gorée, Senegal, known for challenging the Western epistemological authority. Stella Flatten beschäftigt sich in ihrer forschungsorien- tierten künstlerischen Praxis mit der Aneignung von Raum. Fragen der Lesbarkeit von Geschichte in der ge- bauten Umwelt und das Graben als Methode im Kontext von gesellschaftlichen und aktivistischen Prozessen stehen dabei im Zentrum. | Stella Flatten’s artistic prac- tice is research based and focuses on the appropriation of space. Her work centers on questions about legibility of history in the built environment as well as digging as a method for social and activist processes. Irad Verkron, Ventre de Leão (a História de uma amizade), 2024 Irad Verkron wurde in Deutschland geboren und zog im Alter von neun Jahren nach Angola. 2012 gründete sie das Kollektiv Verkron für urbane Kunstformen in der Hauptstadt Luanda. Ihre großformatigen Arbeiten im urbanen Raum zeichnen sich durch die Kombination von abstrakten Formen und Themen des Alltagslebens aus, die durch die Widerstandsfähigkeit, Stärke und Schönheit Schwarzer angolanischer Frauen verkörpert werden. | Irad Verkron was born in Germany and moved to Angola at the age of nine. In 2012, she founded the Verkron collective for urban art forms in the capital Luanda. Her large-format works in urban spaces are characterised by the combination of abstract forms and themes of the everyday, which are shaped by the resil- ience, strength and beauty of Black Angolan women. Raul Walch, A Fountain of Knowledge, 2024 Raul Walch ist ein bildender Künstler und Aktivist, der in Berlin lebt und arbeitet. Angetrieben von politischem und ökologischem Engagement stellt er Segelboote, Mobiles, Drachen und Flaggen her, oft als Teil eines kollaborativen, performativen Prozesses. | Raul Walch is a visual artist and activist who lives and works in Berlin. Driven by political and ecological commitment, he makes sailboats, mobiles, kites and flags, often as part of a collaborative, performative process. 134

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Künstler*innen Performances | Performance Artists Dance Gathering von | by Alice Chauchat mit | with Manuela Schininà Flupsi Upsi (Postergestaltung | Poster Design), Yves Mettler (Partiturgestaltung | Score Design), mit | with: Cary Shiu, Daniel Belasco, Dorota Michalak, Federica Fugazzi, Michela Filzi, Flupsi Upsi, Suet Wa Tam, Ulrike Flämig 27.4. / 14.7.2024 18:00–20:00 Alice Chauchat ist Choreografin, Tänzerin, Lehrerin und Mentorin. Ihre künstlerische Praxis konzentriert sich hauptsächlich auf den Aspekt der Zusammenarbeit. Sie lebt und arbeitet in Berlin. | Alice Chauchat is a choreographer, dancer, teacher and mentor, whose work focuses mainly on the aspect of collaboration. She lives and works in Berlin. Manuela Schininà ist eine Sounddesignerin, die zwi- schen Berlin und Sizilien lebt. Sie produziert Sound- scapes und Musik für Kunstfilme, Theater und Tanz- performances. | Manuela Schininà is a sound designer who lives between Berlin and Sicily. She produces soundscapes and music for art films, theatre and dance performances. Ein Reenactment des WM- Fußballländerspiels DDR–BRD 1974 | A Reenactment of the 1974 East Germany – West Germany World Cup Match von | by Massimo Furlan mit | with Tanja Walther-Ahrens 7.7. / 8.7.2024 20:00–22:00 Massimo Furlan ist ein in Lausanne lebender Choreo- graf, Schauspieler, Performer und Schriftsteller, der sich oft mit den Verbindungen zwischen dem Spiel als Wettkampf und dem freien Spiel beschäftigt. | Massimo Furlan is a choreographer, actor, performer and writer based in Lausanne often exploring the connections between games and play. Tanja Walther-Ahrens ist eine ehemalige Bundesliga- Spielerin, Sonderpädagogin, Sportwissenschaftlerin und Aktivistin. Sie ist heute immer noch eine leiden- schaftliche Fußballerin in der Berliner Landesliga beim SV Seitenwechsel. | Tanja Walther-Ahrens is a former German football league player, special education teacher, sports scientist and activist. Today, she is still a passionate footballer in the Berlin state league with SV Seitenwechsel. 135

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Workshops, Gespräche und Rundgänge | Workshops, Talks and Walk-Throughs Workshops Parasitäre Verbindungen bauen für Radical Playgrounds | Building Parasitic Connections on Radical Playgrounds von | by umschichten 4. / 5.5.2024 12:00–16:00 Fantastische Wesen erschaffen. Lehmbau- Workshop für Kinder | Creating Fantastic Beings. Clay Building Workshop for Kids von | by Kerstin Brätsch in Zusammenarbeit mit | in Collaboration with Jana Dohmann 11. / 12.5.2024 12:00–16:00 Heilung durch die Kunst des Loslassens | Healing Through the Art of Letting Go von | by LALIAH (Natalie Novag) 22.6.2024 12:00–13:30 (en) / 14:30–16:00 (de) Stadtbäume. Die unerkannten Superstars! Baubotanische Pflanzengemeinschaften entwerfen | Urban Trees. The Unrecognized Superstars! How to Design a Building-Botanical Plant Community von | by Bureau Baubotanik 22. / 23.6.2024 12:00–16:00 Strippen. Wir bauen akustische Umgebungen aus Wäscheleinen & Klavierdraht | Strings. How to Build Acoustic Environments Out of Washing Lines & Piano Strings von | by Camille O & Simon Bauer 18. / 19.5.2024 12:00–16:00 NOVA. Ein feministisches spekulatives LARP | NOVA. A Feminist Speculative LARP von | by Alicja Rogalska, Ana de Almeida & Vanja Smiljanić 29.6.2024 12:00–18:00 Unter dem Pflaster liegt das Spiel! | Beneath the Stones, Play Emerges! von | by Maria Saridaki 13. / 14.7.2024 12:00–16:00 Guerilla Games #2 - How Radical? Eine (Raum-)Aneignung | Guerilla Games #2 – How Radical? A (Re-)Configuration von | by Guerilla Architects 25.5 / 1.6.2024 12:00–16:00 Wie man Brot auf einem Parkplatz backt. Back-Workshop | How to Bake Bread in the Parking Lot. Baking Workshop von | by Mascha Fehse & Jonas Kang 26.5.2024 12:00–16:00 Slow Heat: Diskursiver Backworkshop | Slow Heat: Discursive Baking Workshop von | by Mascha Fehse & Valentina Karga 2.6.2024 12:00–16:00 Was graben wir durch unsere Bewegungen aus? Kollektiver Grabungsworkshop | What Do We Dig Up Through Our Movements? Collective Digging Workshop von | by Stella Flatten 8.6.2024 12:00–16:00 136

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Gespräche | Talks Rundgänge | Walk-Throughs On Feminist and Decolonial Playability von | by Madina Tlostanova Vortrag | Lecture 27.4.2024 15:00–16:00 mit | with Joanna Warsza & Benjamin Foerster-Baldenius (Kurator*innen | Curators) und anwesenden Künstler*in- nen | with the artists present 27.4.2024 13:00–15:00 Palimpseste. Schichten. Labyrinthe. Über das Navigieren in Erinnerungslandschaften und die Umarmung von Opazität | Palimp- sests. Layers. Mazes. On Navigating Memory- scapes and Embracing Opacity von | by Nadja Ofuatey-Alazard & Vitjitua Ndjiharine Spaziergang & Gespräch | Walk & Talk 4.5.2024 17:00–18:00 Das soziale Potenzial des Spiels | The Social Potential of Play von | by Franklin Kirimi & Sreejata Roy Vortrag | Lecture 8.6.2024 17:00–18:30 Unsere Körper werden zu Bergen | Our Bodies Become Mountains von | by Maya Saravia Lesung | Lecture 22.6.2024 17:00–18:00 Radical Football. Gender Bias im Sport verlernen | Radical Football. Unlearning Gender Bias in Sport von | by Tanja Walther-Ahrens, Massimo Furlan & Joanna Warsza Gespräch | Talk 6.7.2024 17:00–18:00 The Playground Project mit | with Gabriela Burkhalter 28.4.2024 13:00–14:00 mit | with Joanna Warsza & Benjamin Foerster- Baldenius (Kurator*innen | Curators) 28.4.2024 14:00–15:00 mit | with Joanna Warsza (Kuratorin | Curator) 11.5. / 1.6. / 22.6. / 13.7.2024 16:00 mit | with Benjamin Foerster-Baldenius (Architekt | Architect) 18.5. / 25.5.2024 16:00 Spinnen / Netzkartierung gegen das Aussterben | Spider / Web Mapping Against Extinction von | by Roland Mühlethaler (Arachnophilia) 29.6.2024 17:00–18:00 mit | with Lan Linh Merli-Nguyen Hoai (kuratorische Mitarbeit | Assistant Curator) 6.7.2024 16:00 Re-Play: Spielraum-Debatten zwischen 1969 und 2024 in (West-)Berlin | Re-Play: Playground Debates Between 1969 and 2024 in (West-)Berlin von | by Claudia Hummel 13.7.2024 17:00–18:00 It Hurts so Good – 20‘ Stand-up Comedy von | by Mila Panic Stand-Up Comedy 14.7.2024 17:00–17:20 mit den Playworker*innen | with the Playworkers 27.4.–14.7.2024 (Mi, Do, Fr, So | Wed, Thu, Fri, Sun) 17:00 137

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Playworker*innen | Playworkers Jeanne Astrup-Chauvaux David Bruckmüller Chloe Anastasia Detchart Jakob Eichhorn Anna Foerster-Baldenius Oliver Gudzowski Christopher-Felix Hahn Jonathan Heck Amelie Pauline Hornung Miriam Kassens Antonia Lembcke Hannah Lu Duc Vu Manh Garance Maurer Niusha Ramzani Daria Redkina Max Reiniger Corinna Studier Viviane Tabach Die Playworker*innen waren Gastgeber*innen, Gesprächspartner*innen, Unter- stützer*innen, Spielkamerad*innen und Expert*innen. Über einen Zeitraum von elf Wochen haben sie den Kunstparcours durch verschiedenste künstlerisch- edukative Szenarien, sogenannte Aktivierungen, kontinuierlich weiterentwickelt. | The playworkers were hosts, dialogue partners, supporters, playmates and experts. Over a period of eleven weeks, they continuously developed the art parcours through a wide variety of artistic-educational scenarios, so-called activations. 138

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Aktivierungen | Activations Jakob Eichhorn Histories of Play: A Guided Tour Oliver Gudzowski Old Way Voguing OTA Sessions Oliver Gudzowski, Garance Maurer LUST & FOUND Garance Maurer Conversas #57–#60 Niusha Ramzani Do You Hear the People Sing? – A Collective Listening Session Spill the Tea – A Queer Feminist Approach to Gossip Daria Redkina Solar Sounders Max Reiniger Offline Berlin: Fundraising-Dinner Play Test: Destruction & Fast Fiction SPÄTISPÄTI (Jeanne Astrup-Chauvaux, Jonathan Heck, Antonia Lembcke, Corinna Studier) CARESINO: Buy In and Find Out Viviane Tabach Walk Poems Underlands in the Radical Playgrounds Workshop With Clay: Choreography of Small Gestures Walk Through, Around, Over, Under, Beyond Grounding the Urban Commons With Cruising Curators 139

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Architektur | Architecture Pavillons | Pavilions Beba Pavillon Freispielhalle | Main Hall Geheimer Garten | Secret Garden Workshop Pavillon Community Pavilion & Info Point Architektur für Kunstwerke | Architecture for Artworks Endlose Bühne (Céline Condorelli, Play for Today, 2021 / 2024) Spielplatzmuseum (The Playground Project, 2013–fortlaufend | ongoing) Energie-Tankstelle (Martin Kaltwasser + Freund*innen | Friends, Kraftwerk 2, 2005 / 2024) Architektonische Elemente der Kunstwerke | Architectural Elements of the Artworks Wasserspielfläche (Raul Walch, A Fountain of Knowledge, 2024) Vorhänge (Vitjitua Ndjiharine, Networked Constellations, 2024) Barrierefreiheit | Accessibility Passerelle (barrierearm | low-barrier) Audiodeskriptiver Rundgang | Audio-descriptive Tour Team (raumlaborberlin) Florian Stirnemann Benjamin Foerster-Baldenius mit | with Miriam Kassens Luka Murovec Raffael Grimm Anna Foerster-Baldenius Louise Nguyen und | and Ida Slettvold Rose Henry Noa Haller Statik | Structure Engineering (Büro Happold) Florian Foerster Joanna Hedley-Smith 140

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Autor*innen | Authors Gabriela Burkhalter Gabriela Burkhalter ist Politikwissenschaftlerin und Stadtplanerin und lebt in Basel. Seit 2006 doku– mentiert sie auf architektur fuerkinder.ch die Geschichte des Spielplatzes und ist Kuratorin und Herausgeberin von The Playground Project, einer Wanderausstellung mit Katalog. The Playground Project wurde erstmals bei der 2013 Carnegie International, Carnegie Museum of Art, Pittsburgh, und 2016 in seiner vollständigen Fassung in der Kunsthalle Zürich präsentiert. Weitere Ausstellungen folgten u. a. im Garage Museum Moskau, in der Bundeskunsthalle Bonn, im Deutschen Architektur - museum Frankfurt am Main und im Berliner Gropius Bau. | Gabriela Burkhalter is a political scientist and urban planner based in Basel, Switzerland. On architekturfuerkinder.ch she has documented the history of playgrounds since 2006, and is the curator and editor of The Playground Project, a travelling exhi- bition and catalogue. The Playground Project was first presented at the 2013 Carnegie International, Carnegie Museum of Art, Pittsburgh, and in its full version at Kunsthalle Zürich in 2016. Further exhibitions followed at Garage Museum Moscow, Bundeskunsthalle Bonn, Deutsches Architekturmuseum Frankfurt / Main and Gropius Bau Berlin, among others. Julia Grosse Julia Grosse ist Kunsthistorikerin und Mitbegründerin der internationalen Plattform Contemporary And (C&). Sie ist Dozentin am Institut für Kunst im Kontext an der Universität der Künste Berlin und Mitglied im Hochschul- rat an der Kunstakademie München. In der Rolle „Stra- tegische und konzeptionelle Beratung und Entwicklung“ ist Grosse am Berliner Gropius Bau tätig. Sie arbeitete als Kolumnistin und Kunstjournalistin in London, ist Autorin und Mitherausgeberin diverser Publikationen und wurde 2020 (zusammen mit Yvette Mutumba) mit dem Preis „European Cultural Manager of the Year“ aus- gezeichnet. 2023 kuratierte sie an der Schirn Kunsthalle Frankfurt die erste große institutionelle Ausstellung von John Akomfrah in Deutschland. | Julia Grosse is an Art Historian and co-founder of the platform Contemporary And (C&). She is a lecturer at the Institute for Art in Context at the Berlin University of the Arts and since August member of the University Council at the Acade- my of Fine Arts Munich. Grosse is as a Strategic Advisor at Gropius Bau in Berlin and worked as a columnist and arts journalist in London. She has written and co-edited several books and in 2020 was (together with Yvette Mutumba) winner of the prize “European Cultural Man- ager of the Year.” In 2023 she curated John Akomfrah’s first big institutional exhibition in Germany at the Schirn Kunsthalle Frankfurt. Matylda Krzykowski, Dalia Maini, María Inés Plaza Lazo Benjamin Foerster-Baldenius Benjamin Foerster-Baldenius ist seit 1999 darstellen- der Architekt. Mit raumlaborberlin entwickelt er neue Ideen zur Kultur der Stadt. Er konzipiert und realisiert Installationen und Interventionen im öffentlichen Raum, erstellt Szenografien und Dramaturgien und entwirft Veranstaltungs- und Unterrichtsformate. Ein Großteil dieser Arbeiten wird in einem Kunst- und Theaterkontext in Zusammenarbeit mit kleinen und größeren, etablier- ten sowie improvisierten Institutionen umgesetzt. Dabei gedeihen sie alle auf dem Kompost des Kollektiven. Er ist Professor für Cohabitation sowie Vize-Rektor an der Städelschule in Frankfurt am Main. | Benjamin Foerster- Baldenius has been a performing architect since 1999. With raumlaborberlin he contributes new ideas to the culture of the city. He sketches and realises installations and interventions in public space, creates scenogra- phies and dramaturgies and develops event and teaching formats. Many of the works are created in an art and theatre context with large and small, established and improvised institutions, but they all grow on the compost of the collective. He is currently Professor of Cohabitation and Vice-Rector at the Städelschule in Frankfurt / Main. Matylda Krzykowski ist eine interdisziplinäre Künst- lerin, die in realen und digitalen Räumen arbeitet, dabei kuratorische Arbeit, Design, Architektur, Kunst und Per- formance erforscht und so durch vielfältige Zusammen- arbeiten Austausch anregt. Dalia Maini ist slow thinker und Autorin, die sich speculative criticality und Ökologie verschrieben hat und zur Produktion von Kultur und Überleben arbeitet. María Inés Plaza Lazo ist Verlegerin und Gründerin der Straßenzeitung Arts of the Working Class, sie entwickelt aus Begeisterung für neue Ideen kuratorische und kommunikative Strategien. Alle drei engagieren sich für die Förderung eines umfassenden kulturellen Dialogs und der Zusammenarbeit. | Matylda Krzykowski is an interdisciplinary artist who works with space, exploring curation, design, architecture, art and performance, fostering conversations through collab- oration. Dalia Maini is a slow thinker and writer whose research focuses on cultural and survival production, with a deep commitment to speculative criticality and ecology. María Inés Plaza Lazo is a publisher and founder of the streetnewspaper Arts of the Working Class, she develops curatorial and communication strategies out of enthusiasm for ideas, raw and clean. All three are committed to fostering inclusive cultural dialogue and collaboration. 141

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Lan Linh Merli-Nguyen Hoai Lan Linh Merli-Nguyen Hoai war 2024 kuratorische Mit- arbeiterin von Radical Playgrounds am Berliner Gropius Bau, wo sie an der Beauftragung von Kunstinstallationen sowie an der Entwicklung des Outreach-Programms beteiligt war. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten gehören die Erhaltung und Konservierung von Film- und Medien- kunst, sie arbeitet als freiberufliche Restauratorin für verschiedene Museen der zeitgenössischen Kunst. In den Jahren 2018 bis 2020 lebte sie in New York und schloss ihren Master „Moving Image Archiving and Preservation“ an der New York University ab. In ihrer kuratorischen Arbeit möchte sie in Zukunft verstärkt zeitgenössische Künstler*innen mit asiatischer Herkunft fördern. | In 2024, Lan Linh Merli-Nguyen Hoai con- tributed as Assistant Curator for Radical Playgrounds at Gropius Bau, Berlin, where she was involved in the commissioning of art installations and the development of the outreach programme. Her work focuses on the conservation and restoration of film and media art, she has worked as a freelancer for various contemporary art museums. From 2018 to 2020, she spent time in New York, earning a master’s degree in „Moving Image Archiving and Preservation“ from New York University. In her future curatorial work, she aims to spotlight contem- porary artists with Asian descent. Matthias Pees Matthias Pees ist seit 2022 Intendant der Berliner Festspiele. Zuvor hat er unter anderem als Intendant und Geschäftsführer des internationalen Produktions- hauses Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt am Main, Leitender Dramaturg der Wiener Festwochen und Gründer und Ko-Geschäftsführer des internationalen Produktionsbüros prod.art.br in São Paulo Erfahrungen in verschiedenen Bereichen und auf mehreren Seiten der darstellenden Künste gesammelt. Perspektiv- wechsel, kooperatives Arbeiten und „transformative Praktiken“ stehen dabei erklärtermaßen im Zentrum seines Interesses; Themen wie globale Solidarität und Postkolonialismus, Zusammenhang und Zukunft von Internationalität und Diversität prägen seine Spielpläne und Projekte. | Matthias Pees has been Artistic Director of the Berliner Festspiele since 2022. As both artistic and managing director of the international production house Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt / Main, leading dramaturg at Wiener Festwochen and founder and co-managing director of the international pro- duction agency prod.art.br. in São Paulo, he gained experience in various fields and several aspects of the performing arts. New perspectives, cooperative ways of working and “transformative practises” have been a declared focus of his interest. Topics like global solidarity and post-colonialism or the connection and future of internationality and diversity have informed his programmes and projects. Jenny Schlenzka Die in Berlin geborene Kuratorin Jenny Schlenzka ist seit September 2023 Direktorin des Gropius Bau. Zuvor lebte sie für mehr als 20 Jahre in New York City, war dort die erste für Performancekunst zuständige Kuratorin am Museum of Modern Art, bevor sie am MoMA PS1 in Queens neue Ausstellungs- und Liveformate für per- formative Kunst entwickelte. Von 2017 an leitete sie den Performance Space New York. Ihre kuratorische und institutionelle Praxis stellt Künstler*innen in den Fokus und macht sie und ihre Arbeit zum Ausgangs- und Bezugspunkt aller programmatischen und thematischen Überlegungen. Neben Ausstellungen zeitgenössischer und moderner Kunst liegt Jenny Schlenzkas Fokus auf performativen und transdisziplinären Formaten. | Berlin- born curator Jenny Schlenzka has been Director of the Gropius Bau since September 2023. Prior to that, she spent more than 20 years in New York City, where she served as the first ever curator for performance at the Museum of Modern Art (MoMA), before developing new exhibition formats for performance at MoMA PS1 in Queens. She ran Performance Space New York from 2017. Jenny Schlenzka’s curatorial and institutional practice centres artists, making them and their work the point of origin and reference of all programming and thematic considerations. Her passions lie in creating exhibitions of contemporary and modern art and developing performative and transdisciplinary formats. Jonas Tinius Jonas Tinius ist Kultur- und Sozialanthropologe sowie wissenschaftlicher Koordinator im ERC-Projekt Minor Universality (Universität des Saarlandes). Er arbeitet an einem Buch mit dem Titel Beyond the Universal Machi ne, basierend auf Forschungen mit Künstler*innen und Kurator*innen in Berlin, Mailand und Marseille. Zuvor war er Mitarbeiter am Centre for Anthropological Re- search on Museums and Heritage (Humboldt-Universität zu Berlin) und Stipendiat an der University of Cambridge. Zuletzt veröffentlicht: State of the Arts. An Ethnography of German Theatre and Migration (Cambridge Uni- versity Press, 2023). | Jonas Tinius is a socio-cultural anthropologist and scientific coordinator of the ERC project Minor Universality (University of Saarland). He is working on a book titled Beyond the Universal Machine, based on fieldwork with artists and curators in Berlin, Milan and Marseille. Previously, he was a research postdoc at the Centre for Anthropological Research on Museums and Heritage (Humboldt-Universität zu Berlin). He completed his PhD at the University of Cambridge. Among his publications: State of the Arts. An Ethno- graphy of German Theatre and Migration (Cambridge University Press, 2023). 142

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Madina Tlostanova Madina Tlostanova ist eine feministische Vordenkerin und Schriftstellerin sowie Professorin für Gender Studies an der Linköping University, Schweden. Ihre Schwerpunkte sind Dekolonialität, feministische soziale Bewegungen und Theorien des Globalen Südens, die postsozialistische conditio humana, Fiktion und Kunst, kritische Zukunftsforschung und Interventionen in Komplexität, Krise und Wandel. Ihr jüngstes Buch ist die experimentelle Sammlung von Essays und spekulativer Fiktion Narratives of Unsettlement. Being Outof joint as a Generative Human Condition (Routledge, 2023). Derzeit arbeitet sie an einer Monografie über die staatenlose Zukunft. | Madina Tlostanova is a feminist thinker and fiction writer, professor of gender studies at Linköping University, Sweden. She focuses on deco- loniality, feminist social movements and theories of the Global South, the postsocialist human condition, fiction and art, critical future inquiries and interventions into complexity, crisis and change. Her most recent book is an experimental collection of essays and speculative fiction: Narratives of Unsettlement. Being Out-of-joint as a Generative Human Condition (Routledge, 2023). Currently she is working on a monograph on the state- less future. Joanna Warsza Joanna Warsza ist Kuratorin, Herausgeberin und Autorin und seit September 2024 Stadtkuratorin von Hamburg. Bei den Berliner Festspielen war sie Ko- Kuratorin des Kunstparcours Radical Play grounds, der 2024 am Gropius Bau gezeigt wurde. 2022 war sie Ko-Kuratorin des polnischen Pavillons auf der 59. Biennale di Venezia mit der Arbeit der Roma- Künstlerin Małgorzata Mirga-Tas sowie der 3. und 4. Autostrada Biennale in Kosovo. Zuvor war sie assozi- ierte Kuratorin der 7. Berlin Biennale und künstlerische Leiterin der Public Art München 2018. Ihre Interessen umfassen die Konzepte von Performativität, Öffentlich- keit, Feminismus, Politik und Dekolonialität in Ost europa. Zu ihren jüngsten Publikationen gehören Assuming Asymmetries (Konstfack) und Curating beyond the Mainstream (Sternberg Press). | Joanna Warsza is a curator, editor, writer and has been Stadtkuratorin of Hamburg since September 2024. At Berliner Festspiele, she co-curated the art parcours Radical Playgrounds, which was shown at Gropius Bau in 2024. In 2022, she co-curated the Polish Pavilion at the 59th Biennale di Venezia with the work of Roma artist Małgorzata Mirga-Tas, as well as the 3rd and the 4th Autostrada Biennale in Kosovo. She was previously an Associate Curator of the 7th Berlin Biennale and Artistic Director of Public Art Munich 2018. Her interests span the concepts of performativity, the public sphere, feminism, politics and decoloniality in Eastern Europe. Her recent publications include Assuming Asymmetries (Konstfack) and Curating beyond the Mainstream (Sternberg Press). Foto S. | Photo pp. 144 / 145: Rundgang während der Eröffnung, in der Mitte von links: | Walk-Through during the opening, in the centre from left: Edgar Calel, Matthias Pees, Jenny Schlenzka, Staatsministerin für Kultur und Medien | Minister of State for Culture and the Media Claudia Roth 143

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Impressum | Imprint Dokumentation & Reader Herausgeber | Editor Berliner Festspiele, ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin (KBB) GmbH Redaktion | Editors Matthias Pees; Daniel Frosch, Leonard Pelz; Benjamin Foerster-Baldenius, Joanna Warsza Autor*innen | Authors Gabriela Burkhalter, Benjamin Foerster-Baldenius, Julia Grosse, Matylda Krzykowski, Dalia Maini, Lan Linh Merli-Nguyen Hoai, Matthias Pees, María Inés Plaza Lazo, Jenny Schlenzka, Jonas Tinius, Madina Tlostanova, Joanna Warsza Das Interview „Für radikal mehr Spielplätze in der Stadt“ erschien erstmals in Arts of the Working Class, 07 / 2024. Alle weiteren Texte sind Originalbeitrage anlässlich von Radical Playgrounds. | The interview “For More Radicals and Playgrounds in the City” first appeared in Arts of the Working Class, 07 / 2024. All other texts are original contributions on the occasion of Radical Playgrounds. Deutsches Lektorat | German Copyediting Birgit Albrecht Englisches Lektorat | English Copyediting Sylee Gore Übersetzung Deutsch–Englisch | Translation German–English Julian Jain Übersetzung Englisch–Deutsch | Translation English–German Elena Krüskemper Bildnachweise | Photo Credits S. | pp. 2 / 3, 16 / 17, 20 / 21, 24, 57, 60, 61, 62 (u.), 65, 66, 74, 77, 79 (u.), 81, 112, 144 / 145 © Berliner Festspiele, Foto | Photo: Camille Blake S. | pp. 18 / 19, 32 / 33, 53, 67, 68, 76, 130 / 131 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024; Berliner Festspiele, Foto | Photo: Camille Blake S. | p. 36 © bpk / Kunstbibliothek, SMB, Photothek Willy Römer / Willy Römer S. | p. 38 (o.) Palle Nielsen, Modellen, 1968, Courtesy Museu d’Art contemporani de Barcelona © VG Bild-Kunst, Bonn 2024 S. | p. 38 (u.) © Wolfgang Zacharias S. | pp. 40 / 41, 73, 79 (o.), 84, 97, 102, 103, 108, 109 © Berliner Festspiele, Foto | Photo: Ranav Adhikari S. | p. 44 © Conrad Roland S. | p. 46 © Volker Hedemann S. | pp. 48 / 49 © KDI Kenya S. | p. 62 (o.) © Joanna Warsza S. | pp. 96, 116 © Juliane Eirich, 2024 S. | pp. 120, 123, 124 / 125 © Gropius Bau, Foto | Photo: Guannan Li Visuelles Konzept, Grafik und Bildbearbeitung | Visual Concept, Graphic Design and Image Editing 3pc Umschlag | Cover Organoid „Wildspitze“ Papier | Paper Munken Print White 15, 115 g / m² Druck | Print Gallery Print, Berlin Auflage | Edition 300 Exemplare | copies © Berliner Festspiele, 2024 Printed in Germany ISBN: 978-3-9826182-1-0 146 Radical Playgrounds Dokumentation & Reader erscheint anlässlich von | is published on the occasion of Radical Playgrounds: From Competition to Collaboration Ein Kunstparcours am Gropius Bau 27.4. – 14.7.2024 Kurator*innen | Curators Joanna Warsza, Benjamin Foerster-Baldenius Architektur | Architecture raumlaborberlin Kuratorische Mitarbeit | Assistant Curator Lan Linh Merli-Nguyen Hoai Diskursprogramm & Vermittlung | Discourse Programme & Education Diana Mammana Künstlerische Produktionsleitung | Artistic Production Management Claudia Peters, Elena Sinanina Mitarbeit Produktion | Associate Production Management Lea Wolf Administrative Assistenz | Administrative Assistant Luisa Kleemann Technische Leitung | Technical Director Maria Kusche Technische Produktion | Technical Production Benjamin Frick, Etienne Arnaud Technik | Technical Team Berliner Festspiele Kommunikation | Communication Leonard Pelz Wir bedanken uns bei allen Mitarbeiter*innen der Berliner Festspiele mit Gropius Bau und allen Menschen, die die Bau- vorhaben möglich gemacht haben. | We would like to thank all the employees of the Berliner Festspiele with Gropius Bau and all the people who made the constructions possible. Unser Dank gilt außerdem den Firmen | We would like to thank the companies Holzbau Johannsen, NOIBAU, Gerüstbau Tisch, Hertzer, Liquid Paint, ErtlundZull.

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Berliner Festspiele Ein Geschäftsbereich der | A Division of Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH Intendant | Director Matthias Pees Direktorin | Director Gropius Bau Jenny Schlenzka Kaufmännische Geschäftsführung | Managing Director Charlotte Sieben Leitung Kommunikation | Head of Communications Claudia Nola Leitung Kommunikation | Head of Communications Gropius Bau Natalie Schütze Technische Leitung | Technical Director Matthias Schäfer Leitung Technik | Head of Technical Office Gropius Bau Bert Schülke Künstlerische Betriebsdirektion | Artistic Operations Manager Christine Leyerle Berliner Festspiele Schaperstraße 24 10719 Berlin + 49 30 254 89 0 info@berlinerfestspiele.de berlinerfestspiele.de Gropius Bau Niederkirchnerstraße 7 10963 Berlin + 49 30 254 86 0 info@gropiusbau.de gropiusbau.de Radical Playgrounds ist ein Projekt der Berliner Festspiele, gefördert von der Stiftung Fußball & Kultur EURO 2024 und der Bundesregierung aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und durch Mittel des Hauptstadtkulturfonds (HKF). Das Vermittlungsprogramm wurde gefördert von der Bundes- zentrale für politische Bildung (bpb). | Radical Playgrounds is a project commissioned by Berliner Festspiele, funded by the EURO 2024 Football & Culture Foundation, and the German Federal Government on the basis of a resolution passed by the German Bundestag with funding from the Capital Cultural Fund (HKF). The outreach programme was funded by the Bundes- zentrale für politische Bildung (bpb). Gefördert von | Funded by Förderung Vermittlungsprogramm | Outreach supported by Medienpartner | Media Partners 147